E-Book, Deutsch, 272 Seiten, Format (B × H): 148 mm x 210 mm
Glück Das Leben ist BUND
2. Auflage 2021
ISBN: 978-3-949536-08-3
Verlag: Glücksuniversum GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die lange Depression
E-Book, Deutsch, 272 Seiten, Format (B × H): 148 mm x 210 mm
ISBN: 978-3-949536-08-3
Verlag: Glücksuniversum GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
"Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden" sagte Marion Glück als Marineoffizier zu ihren Soldaten. Doch sie selbst traute sich nicht mit anderen über ihre Probleme zu sprechen. Als sie sich doch überwand, wurde sie als Hypochonder belächelt und abgestempelt.Trotz großer Familie und engem Freundeskreis, fühlte sich die Autorin jahrelang unglücklich und einsam. Mobbing, Depressionen und Suizidgedanken bestimmten ihr Leben. In diesem Buch erzählt die Autorin ihre Geschichte. Mit humorvoller Leichtigkeit schafft sie es diese sensiblen Themen darzustellen und entmystifiziert gleichzeitig den Alltag in einer psychosomatischen Klinik während ihrer Therapie.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Bildbeschreibung Lara-Croft-Shooting im August 2011 an der Marineschule in Mürwik. Wachmann: Was machen Sie denn hier? Gewünschte Antwort: „Na, wir stricken uns einen Pullover – sieht man doch.“ Tatsächliche Antwort: keine – stattdessen hektisches Sachenpacken Nach der OP rief ich erst mal meine Mutti an und erzählte ihr, was passiert war. Sie fiel aus allen Wolken und nahm mir ein paar Entscheidungen ab, indem sie nach Hamburg kam, mich in ihr Auto setzte und mich zur Rundumpflege ins Hotel Mama fuhr. Auf meine Mutti ist eben immer Verlass. Die Zeit bei meinen Eltern tat mir gut, denn ich hatte einen regelmäßigen Tagesablauf. Um 8:00 Uhr klingelte die große Kuhglocke zum Frühstück. Dann hütete ich die Couch unter einer Kuscheldecke. Um 12:30 Uhr gab es Mittagessen. Früher, als wir noch keine Kuhglocke hatten, rief meine Mutti uns immer zum Essen. Meist überhörten sowohl mein Bruder und ich als auch mein Vater ihre erste Einladung. Also rief sie wieder, ihr Ton wurde strenger. Und bei der dritten Ermahnung hieß es dann: „Braucht ihr wieder eine Extraeinladung?“ Mein Vati hört diesen Satz heute noch, wenn er sich mal wieder ganz nach hinten in den Garten zum Kompoststochern zurückzieht, da dieser belüftet werden muss, wie er sagt. Dort hört er die große Kuhglocke trotzdem nicht. Die Glocke hatte mir meine Freundin geschenkt, und ich hatte sie meiner Mutter in den Flur gehängt, damit sie nicht immer durch das ganze Haus rufen musste. Nach dem Mittagessen wurde es immer Zeit für den Mittagsschlaf. Anschließend tranken wir einen Kaffee und gingen für einen kurzen Spaziergang an die frische Luft. Um Punkt 19:00 Uhr gab es Abendessen und eine Vorabendserie, dann die Tagesschau, und um 20:15 Uhr ging es weiter mit dem Film – selbstverständlich im dritten Programm, denn Werbeunterbrechungen nerven meinen Vater. So ähnelte etwa eine Woche lang ein Tag dem vorhergegangenen: einfach mal nichts machen, nur schlafen, essen und ganz viel nachdenken. Der Abstand zu meinem Alltag, der für mich einem Albtraum glich, wurde etwas größer. Ich sammelte Kraft und konnte mich etwas erholen. Dabei hatte in jungen Jahren alles so gut angefangen. Bei der Bundeswehr hatte ich zunächst die Möglichkeit, den Dienstalltag schön und ereignisreich zu gestalten. Manchmal gelang mir das sogar richtig gut. An eine Situation erinnere ich mich gerne und ich amüsiere mich heute noch köstlich darüber. Diese Geschichte kennen bisher nur drei Menschen: meine Freundin, der Wachmann der Marineschule in Mürwik und ich. Damals hatte ich richtig lange Haare, der Zopf reichte mir bis zur Taille. Meine Freundin, die gleichzeitig Fotografin war, und ich überlegten uns, dass es witzig wäre, ein Tomb-Raider-Fotoshooting zu veranstalten. So schlüpfte ich in die Rolle der Lara Croft. Der Turm der Marineschule erschien uns für dieses Vorhaben hervorragend geeignet. Einerseits hatten wir mit Störungen nicht unbedingt zu rechnen, andererseits hatten wir einen fantastischen Ausblick über die Flensburger Förde. Ich packte die richtigen Klamotten ein und lieh mir in der Waffenkammer das passende Equipment: Holster, P8, denn eine Pistole durfte natürlich nicht fehlen, und natürlich auch ein Messer. Perfekt. Das Shooting konnte beginnen. Zwar war der Turm nicht für jedermann zugänglich, jedoch verfügte ich schnell über ein gut funktionierendes Netzwerk. Und „Simsalabim – Sesam öffne dich!“ waren wir drin. Ich tauschte meine militärische Uniform gegen das sexy Outfit von Lara Croft: khakifarbene kurze Hose, schwarzes Top, langer Zopf, Messer zwischen den Zähnen und die Pistolen im Beinholster. Meine Freundin fotografiert am liebsten aus der Bewegung heraus, also positionierte ich mich an einem geeigneten Punkt im Raum vor einer weißen Wand. Ich drehte meinen Rumpf aus dem Stand heraus, sodass mein langer Zopf immer wieder an mir vorbeiflog. Ich bekam genaue Anweisungen: „Halt die Arme mit den Waffen in der Hand mal hoch in die Luft … ja, ungefähr so … aber nicht zu hoch, sonst sieht man dein Gesicht nicht … Entspanne mal dein Gesicht, das muss ganz locker aussehen, so als wenn du das jeden Tag machst … ja, genau so … und noch mal … und noch mal … und noch mal. Ganz locker … ja, genau, super.“ Ich kam so richtig ins Schwitzen. Und als würde der Film in meinem Kopf Realität werden, drehte sich plötzlich der Schlüssel im Schloss und die Tür öffnete sich knarrend. Ein verdutzter Wachmann stand vor uns, sein Mund halb geöffnet und die Augen weit aufgerissen. So etwas hatte er hier ganz sicher noch nicht erlebt. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die bestimmt nur ein Bruchteil einer Sekunde war, brachte er lediglich heraus: „Was machen Sie denn hier?“ Wenigstens konnte er etwas sagen. Ich schwieg ihn an, während ich nach den richtigen Worten suchte. Meine Gesichtsfarbe wechselte von Rot zu Knallrot. Den Blick meiner Freundin kann ich nicht abrufen, weil meine Augen zwischen Wachmann und den Ausrüstungsteilen auf dem Boden hin und her wechselten. Mir war heiß geworden und ich wollte einfach nur noch weg. Also fing ich an, hektisch meine Sachen zu packen. Der etwa 55-jährige Mann schüttelte während-dessen verständnislos den Kopf. Im Nachhinein muss ich sagen, dass er bei unserem Shooting eigentlich hätte mitmachen müssen, denn er wirkte selbst wie eine verkleidete Figur in seiner viel zu großen Wachmannuniform. Als wir zurück auf meiner Stube waren, hatten wir den ersten Schock verarbeitet. Wir lachten uns regelrecht kaputt. Erst jetzt fielen uns die besten Antworten ein, die wir hätten geben können. Auf seine Frage „Was machen Sie denn hier?“ hätte unsere Antwort lauten sollen: „Na, wir stricken uns einen Pullover – sieht man doch.“ Spontanität ist eben das, was mir auf dem Nachhauseweg einfällt. Als ich damals noch als Hörsaalleiterin in der Marineschule tätig war, nahm ich meine Freundin öfter mit. Stets hatte sie ihre Kamera dabei. Sie fotografierte während des Bordpraktikums auf der Fregatte oder begleitete mich zum Ball an die belgische Offiziersschule. Wir hatten jedes Mal so viel Spaß wie im Turm der Marineschule, auch wenn die brenzligen Situationen danach ausblieben. Häufig bekomme ich die Frage gestellt, wie ich überhaupt auf die Idee kam, zur Bundeswehr zu gehen. Dazu sollte man zunächst wissen, dass ich liebend gerne ins Kino gehe. Eines Tages, ich glaube, es war im März 2004, saß ich also mit meiner Mutti im Kino. Wir wollten einen witzigen Film gucken – und da kam sie: die Werbung der Bundeswehr. Helikopter, lächelnde Soldaten, die augenscheinlich die Herausforderungen gerne annahmen. Nach dem Werbefilm war für mich klar: Ich werde Helikopterpilot bei der Marine. Über die Aufgaben wollte ich sofort mehr erfahren. Ein paar Tage später saß ich in Burg bei Magdeburg im Kreiswehrersatzamt und ließ mich beraten. Das alles fand ich sehr spannend und ich stellte viele Fragen. Nachvollziehbar war für mich, dass man am Dienstgrad sehen kann, wer etwas zu melden hat. Es gibt Gesetze und Vorschriften, an die sich jeder Soldat halten muss. Es geht um Eignung, Leistung und Befähigung: Wenn man sich an alle Regeln hält und gut ist, dann wird man nach einer bestimmten Zeit befördert. Bei der Bundeswehr muss man den Befehlen der Vorgesetzten gehorchen. Dass dabei der Ton ab und zu auch schon mal etwas rauer werden könnte, störte mich nicht. Ich wollte ein Teil der Kameradschaft sein. Alles ist durchstrukturiert, es gibt für jede Situation einen Plan und jeder Soldat weiß, wann er was zu tun oder zu lassen hat. In der Gruppe erreichen alle zusammen immer das gesetzte Ziel. Die perfekte Vorstellung und ein absoluter Traumjob. Ich erfuhr, dass ich studieren und währenddessen bezahlt werden konnte, sollte ich mich dazu entscheiden, Offizier zu werden. Das Kreiswehrersatzamt organisierte für mich und andere Interessenten eine Besichtigungsfahrt nach Hamburg an die Helmut-Schmidt-Universität. Beeindruckend: Die Bundeswehr hat sogar eine eigene Universität. Dort konnte ich mir einen Eindruck von den Rahmenbedingungen im Studium verschaffen. Ich unterhielt mich mit studierenden Offizieren, die mir motiviert die Uni und die Wohnebenen zeigten. Absolut traumhaft: zusammen wohnen und lernen. Bei diesen hervorragenden Rahmenbedingungen konnte ich sehr schnell ein Studium abschließen und dann Offizier und Pilot sein. Das überzeugte mich. Wer hätte das gedacht? Ein Kinobesuch sorgte dafür, dass ich Offizier der Bundeswehr werden wollte. Meine Entscheidung war gefallen. Doch um meinen Plan in die Tat umzusetzen, musste ich diverse Tests durchlaufen. Ich fuhr nach Köln zur OPZ, der Offizierbewerberprüfzentrale, dem Assessmentcenter für Führungskräfte der Bundeswehr. Das Zimmer, in dem ich mit anderen Frauen untergebracht war, wurde von Tag zu Tag leerer. Ich meisterte alle Aufgaben mit Bravour – bis auf den Sport- und den Mathetest. ,Sport ist Mord‘, dachte ich, als ich zwölf Minuten am Stück laufen sollte. Ich war fix und...