Gläser | Stadt aus Trug und Schatten | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 416 Seiten

Reihe: Eisenheim-Dilogie

Gläser Stadt aus Trug und Schatten


2. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7320-0531-4
Verlag: Loewe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 1, 416 Seiten

Reihe: Eisenheim-Dilogie

ISBN: 978-3-7320-0531-4
Verlag: Loewe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Für ihr Debüt wurde Die Buchspringer-Autorin Mechthild Gläser mit dem SERAPH-Phantastikpreis ausgezeichnet. Die hinreißende Liebesgeschichte entführt in eine originelle Fantasy-Welt und lädt Leser zum Träumen ein. Flora fällt aus allen Wolken, als sie erfährt, dass ihre Seele seit jeher ein nächtliches Doppelleben in der geheimnisvollen Stadt Eisenheim führt. Von nun an wird sie nie wieder schlafen, ohne dass ihr Bewusstsein in die farblose Welt der Schatten wandert. Als wäre das nicht unerfreulich genug, hat ihre Seele offenbar den Weißen Löwen gestohlen, einen mächtigen alchemistischen Stein, nach dem sich nicht nur die Herrscher der Schattenwelt verzehren.Bald ist Flora selbst in der realen Welt vor den Gefahren Eisenheims nicht mehr sicher und eines ist klar: Sie kann niemandem trauen, nicht einmal Marian, der plötzlich in beiden Welten auftaucht und dessen Küsse vertrauter schmecken, als ihr lieb ist. Auszeichnung:SERAPH für 'Bestes Debüt 2012' 'Stadt aus Trug und Schatten' ist der erste von zwei Bänden.

Mechthild Gläser wurde im Sommer 1986 in Essen geboren und hat Politik, Geschichte und Wirtschaft studiert. Auch heute lebt und arbeitet sie im Ruhrgebiet, wo sie außerdem ab und an unfassbar schlecht Ballett tanzt - aber nur, wenn niemand hinsieht. Sie liebt es, sich abstruse Geschichten auszudenken, und hat früh damit begonnen, sie aufzuschreiben. Inspiration dafür findet sie überall, am besten jedoch bei einer Tasse Pfefferminztee.

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»Flora? Also wirklich! Schläfst du etwa?« Ich schreckte auf. »Was? Äh, nein, gar nicht.« Mein Kopf fühlte sich seltsam leicht an, als wäre er mit Helium gefüllt wie ein Ballon. Doch noch begriff ich nicht, was gerade mit mir geschehen war. Ein wenig verspätet bemerkte ich, wo ich mich befand, musste dann aber noch ein paarmal blinzeln, bis mir auffiel, dass die ganze Klasse mich anstarrte. »Das sah aber anders aus«, sagte unser Deutschlehrer Herr Bachmann, der sich direkt vor meinem Pult in der dritten Reihe aufgebaut hatte und mich über seinen Schnurrbart hinweg anfunkelte. Es war die siebte Stunde und Herr Bachmann hatte das Licht ausgeschaltet und die Vorhänge zugezogen, um uns zum dritten Mal in dieser Woche mit einer uralten, scheinbar in Echtzeit gedrehten Verfilmung der Buddenbrooks zu quälen. Alle paar Minuten stoppte er den Film, um uns Fragen zu stellen. So wie es aussah, hatte ich einen dieser Stopps verschlafen, was mich verwirrte, denn ich achtete stets darauf, was um mich herum geschah. Einfach im Unterricht einzuschlafen, sah mir nicht ähnlich. Allerdings hatte ich auch die halbe Nacht geholfen, ein entlaufenes Rudel Süßwasserkrabben zu jagen, das aus einem der Aquarien meines Vaters entkommen und in unserem Wohnzimmer unterwegs gewesen war. Bereits beim Weckerklingeln heute Morgen hatte ich mich furchtbar müde gefühlt. Nein, was mich wirklich verwirrte, war eigentlich nicht so sehr, dass ich eingeschlafen war, sondern die Tatsache, dabei auch noch geträumt zu haben. Ich träumte nämlich niemals. Und schon gar nicht so etwas. »Ich werte das als mangelndes Interesse am Unterrichtsstoff. Einzuschlafen! Eine Frechheit ist das«, erklärte Herr Bachmann und zückte die Fernbedienung, um den Film weiterlaufen zu lassen. »Aber ich schlafe nie ein«, sagte ich, weil es das war, was mir gerade durch den Kopf ging. Herr Bachmann schien das für einen Versuch zu halten, mich herauszureden, und steckte die Fernbedienung zurück in die Tasche seines senffarbenen Sakkos. (Seine Anzüge waren immer senffarben und er trug stets dazu passende Socken und Schuhe.) »Ach nein?«, sagte er. »Was ist denn zuletzt passiert?« »Tony ist für einige Wochen an die See gefahren.« Das war die letzte Szene, an die ich mich erinnerte. »Und dann?« »Dort hat sie sich in den Studenten Morten Schwarzkopf verliebt. Aber der ist arm und kann sie noch nicht heiraten. Als Tony nach Lübeck zurückkehrt, erkennt sie, wie wichtig es ist, zur Familie zu halten, und willigt in die Hochzeit mit Grünlich ein«, ratterte ich herunter. Herr Bachmann bedachte mich mit einem triumphierenden Blick. »Ha! So weit waren wir noch gar nicht. Du hast geschlafen.« Ich zuckte mit den Achseln. »Zum Glück kenne ich ja das Buch.« In der Klasse war vereinzeltes Kichern zu hören, während mich von rechts ein Tritt von meiner besten Freundin Wiebke in die Wade traf. Auf Herrn Bachmanns Hals und Wangen bildeten sich rote Flecken. »Wie bitte?« »Ich meine, wir haben in diesem Halbjahr noch über nichts anderes als die Buddenbrooks gesprochen. Jeder hier kennt die Geschichte zur Genüge«, sagte ich. »Und der Film ist ziemlich, ach, er ist sogar stinklangweilig.« Wie eine Sendung im Teleshoppingkanal, wobei man sich über die wenigstens noch lustig machen konnte. »Langweilig?« Die roten Flecken bedeckten nun beinahe sein ganzes Gesicht. Herr Bachmann hatte die Wangen aufgebläht wie eine fette Kröte und sah aus, als würde er gleich platzen. »Du findest meinen Unterricht langweilig?« »Na ja –« »Nein, Herr Bachmann. Flora findet nur diesen speziellen Film ein klein wenig langweilig. Ihr Unterricht hingegen hat dafür gesorgt, dass wir alle uns bestens mit den Buddenbrooks auskennen. Er scheint also sogar sehr gut zu sein«, schaltete Wiebke sich ein, nicht ohne Herrn Bachmann ein strahlendes Lächeln zu schenken. Wiebke konnte einfach umwerfend lächeln, ich kannte niemanden, der so viel Charme hatte wie sie. Dem konnte sich wohl auch Herr Bachmann nicht entziehen, denn er wirkte von einem Moment zum nächsten besänftigt. »Nun, wenn das so ist.« Er strich sich über den Schnurrbart und dachte nach. »Ich glaube, ich habe euch tatsächlich schon sehr viel über dieses literarische Meisterwerk vermitteln können. Also gut, wir sehen uns den Film nur noch in dieser Stunde an«, sagte er schließlich und drückte wieder auf Play. »Diplomatie«, wisperte Wiebke und warf mir über den Rand ihrer Brille einen strengen Blick zu, während Tony auf dem Bildschirm in die Hochzeit mit Grünlich einwilligte. Diplomatie, das Wort, das Wiebke, seit wir uns vor über acht Jahren in der dritten Klasse kennengelernt hatten, gebetsmühlenartig wiederholte, wann immer ich es schaffte, mich um Kopf und Kragen zu reden. Sie hatte häufig Gelegenheit, es zu sagen, und jedes Mal nahm ich mir vor, in Zukunft erst zu denken und dann zu sprechen. »Bei dir sind irgendwelche Synapsen falsch verbunden«, erklärte Wiebke mir oft. »Vielleicht hast du Glück und es wächst sich noch aus.« Das hoffte ich auch, denn, nun ja, ich konnte ziemlich gut austeilen, besonders wenn ich es gar nicht wollte. Der Rest der Stunde verging ohne weitere Nickerchen meinerseits. Herr Bachmann unterbrach den Film nicht noch einmal und so nutzte ich die Zeit, um mich weiter über meinen Traum zu wundern. Jedenfalls glaubte ich, dass es einer gewesen war. Wie gesagt, ich hatte noch nie etwas geträumt und das bisher eigentlich auch ganz in Ordnung gefunden. »Zu träumen lenkt einen bloß vom richtigen Leben ab und meistens ist es sowieso kompletter Blödsinn«, pflegte unsere Haushälterin Christabel zu sagen, die sich seit der Trennung meiner Eltern vor zehn Jahren um meinen Vater und mich kümmerte beziehungsweise es versuchte. »Wenn es dir aus Versehen doch mal passiert, sag mir Bescheid, Engelchen, dann gebe ich dir eine von meinen Tabletten, damit schläfst du wieder wie ein Stein.« Ihr Angebot war mir schon immer seltsam vorgekommen, aber jetzt … Der Traum war wirklich unheimlich gewesen, wie eine Szene aus einem Horrorfilm. Meine Erinnerung begann glücklicherweise bereits zu verschwimmen, doch ein Bild stand mir noch immer deutlich vor Augen: Ich befand mich in einem dunklen Raum, in dem es wie beim Zahnarzt roch, und lag auf dem Rücken. Nein, eigentlich schwamm ich auf dem Rücken in einem Behälter, der mit einer nebligen Substanz gefüllt war, und hatte das dumme Gefühl, dass jeden Augenblick Dr. Frankenstein auftauchen und mir eine Elektrode ins Gehirn pflanzen würde. An der Decke über mir hingen altmodische Zirkel und verkorkte Glaskolben mit schimmernden Flüssigkeiten, die diesen Eindruck verstärkten. Außerdem wirkte alles blass und grau, farblos wie in einem alten Schwarz-Weiß-Film. »Ich glaube, sie kommt zu sich, Meister«, sagte ein Mann irgendwo außerhalb meines Blickfeldes. Er klang aufgeregt. »So bald?«, entgegnete jemand deutlich Älteres, dessen Stimme an das Rascheln von Papier erinnerte. Ein faltiges Gesicht beugte sich über mich. Ich erkannte eisgraue Augen, die in Nestern aus Runzeln saßen, und einen bauschigen Bart, in dem etwas klebte. Feine, schwarz glänzende Spritzer, die sich in den silbrigen Haaren verfangen zu haben schienen … Das Klingeln unterbrach meine Gedanken. »Na endlich«, meinte Wiebke und sprang auf. »Ich dachte schon, die Stunde geht nie vorbei.« »Ja, ich auch«, stimmte ich halbherzig zu. Geistesabwesend stopfte ich meine Sachen in meinen Rucksack. Dann schlüpfte ich in meine neonfarbene Jacke, die in Wiebkes Augen einfach furchtbar war, weil ihre quadratische Form mich anscheinend noch kleiner wirken ließ, als ich ohnehin schon war. Man sah mir darin tatsächlich nicht unbedingt an, dass ich siebzehn und nicht dreizehn Jahre alt war, aber ich liebte sie, denn sie reichte mir bis fast zu den Knien und ich konnte die Hände problemlos in den überlangen Ärmeln verschwinden lassen. Zwei unschätzbare Vorteile, wenn man schnell fror. »Los, komm schon. Linus wartet am Schultor auf uns«, sagte Wiebke, drehte sich die schwarze Mähne zu einem Knoten und zog mich an einem der besagten Ärmel Richtung Ausgang, vorbei am Lehrerpult, wo Herr Bachmann gerade etwas im Klassenbuch notierte, was verdächtig nach dem Namen Flora Gerstmann aussah. Meine mündliche Note war heute wohl ins Bodenlose gestürzt. Ich nagte an meiner Unterlippe und versuchte, mit Wiebke Schritt zu halten, die erst langsamer wurde, als wir den ebenfalls dunkelhaarigen Jungen mit der Lederjacke erreichten, der am Rande des Schulhofs auf uns wartete. Lässig lehnte Linus sich gegen den Zaun und grinste uns über die Köpfe einer Horde von Mittelstufenschülerinnen hinweg an, die auffällig unauffällig in seiner Nähe herumlungerten. »Buongiorno, die Damen«, rief er und hielt uns einen Pizzakarton unter die Nase. »Einmal mit allem und extra Käse.« Hungrig griffen wir zu, um uns kauend auf den Weg in Richtung U-Bahn zu machen, denn wir wohnten alle drei fast am anderen Ende von Essen. Linus war Wiebkes Zwillingsbruder und ging in die Parallelklasse, weil die Eltern der beiden wollten, dass sie »eigenständige Persönlichkeiten entwickelten«. Tatsächlich waren die beiden einander so ähnlich, wie zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts es nur sein konnten. Nicht nur, dass sie das gleiche fein geschnittene Gesicht und die dazu passenden seidigen Wimpern besaßen. Sie lachten auch über die gleichen Witze, mochten die gleichen Dinge und waren schlicht unzertrennlich. Manchmal beschlich mich sogar das unheimliche Gefühl, dass sie gegenseitig...


Mechthild Gläser wurde im Sommer 1986 in Essen geboren und hat Politik, Geschichte und Wirtschaft studiert. Auch heute lebt und arbeitet sie im Ruhrgebiet, wo sie außerdem ab und an unfassbar schlecht Ballett tanzt - aber nur, wenn niemand hinsieht. Sie liebt es, sich abstruse Geschichten auszudenken, und hat früh damit begonnen, sie aufzuschreiben. Inspiration dafür findet sie überall, am besten jedoch bei einer Tasse Pfefferminztee.



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