Glaesener | Du süße sanfte Mörderin | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 429 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Glaesener Du süße sanfte Mörderin

Roman
13001. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8437-0496-0
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 429 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-0496-0
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Bau einer Brücke treibt die bedeutende Stadt Quedlinburg und ihr vornehmes Domstift in eine wahrhaft mörderische Fehde. Die junge Schreiberin Alena riskiert Kopf und Kragen - und die Liebe -, um zu verhindern, daß ihr Leben und das der Domfrauen zerstört wird.

Helga Glaesener wurde in Niedersachsen geboren und studierte in Hannover Mathematik. 1990 begann die Mutter von fünf Kindern mit dem Schreiben historischer Romane, von denen gleich das Debüt, Die Safranhändlerin, zum Besteller avancierte. Sie lebt in Oldenburg. Neben dem Schreiben bringt sie angehenden Autoren die Kniffe des Handwerks bei. Seit 2010 lebt sie in Oldenburg. Weitere Informationen unter www.helga-glaesener.de
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1. KAPITEL


Die warmen Schafslederschuhe, der Mantel, die Kladde mit den Kopien der Stiftsurkunden … Alena zögerte. Es war einer von diesen Tagen. Irgendetwas würde schief gehen. Sie spürte das wie einen schlechten Geruch. Etwas würde schief gehen. Beunruhigt sah sie sich in ihrem Zimmer um.

Durch das kleine Fenster hörte sie die Pröpstin Bertrade, die im Hof mit den Stalljungen schalt und ihnen Langsamkeit und Faulheit vorwarf. Sie wurde dabei nicht laut. Ihre weinerliche Stimme sickerte dahin wie ein klebriger Strom von Worten. Ein Strom von Worten, der seine Quelle in einem klebrigen Strom von ewig gleichen Gedanken hatte, und manchmal konnte dieser Stumpfsinn einen verrückt machen.

Alena warf einen raschen Blick durch die Fensteröffnung. Die Pröpstin saß bereits auf ihrem Schimmel. Sie war umgeben von zwei Stallburschen und dem uralten, gelbgesichtigen Stallmeister, der in unerschütterlicher Demut zu jedem ihrer Worte nickte. Es war Ende März. Die Frühlingssonne hatte den Hof der Stiftsburg in gleißendes Licht getaucht und warf leuchtende Kringel an die Wände des Kanonissenhauses und auf die Bleidächer des Doms, der mit seinen beiden Türmen die Burggebäude überragte. Auf dem Rand des Hofbrunnens hatte sich ein Zeisig niedergelassen, der piepsend über die Steine hopste. Es herrschte eine Stimmung, die zur Fröhlichkeit einlud. Aber Bertrade schien dagegen immun. Wahrscheinlich ärgerte sie sich, weil sie keine Lust hatte, sich mit dem Quedlinburger Stadtvorsteher anzulegen, und sicher auch, weil sie warten musste. Alena hörte, wie sie gereizt ihren Namen rief.

Also. Schuhe, Mantel, Kladde. Etwas fehlte. Alena sah sich eilig in ihrem Zimmerchen um, was keinen Aufwand erforderte, denn es war ein Zwergenkämmerchen, in dem ihr Bett, eine Truhe und ein Tisch mit Schemel allen Platz ausfüllten.

Der Hase. Lisabeth hatte ihren bemalten Holzhasen auf der Bettdecke liegen lassen. Ohne Häschen würde sie den Vormittag mit Heulen zubringen, und womöglich würde Maia sie dann in den Ziegenstall sperren, was zwar verständlich wäre, was Lisabeth aber trotzdem nicht gut vertrug.

Alena nahm das Spielzeug, klemmte es zwischen Kladdendeckel und Arm und hastete aus der Tür. Ihr Zimmer lag im Nordflügel des Quedlinburger Frauenstifts, abgeschieden von allen anderen Bewohnern des Stifts. Auf ihrem Flur befand sich nur noch der pompöse Kapitelsaal, in dem die Stiftsfrauen ihre wöchentlichen Versammlungen abhielten, und ganz am Ende, der Treppe gegenüber, eine Rumpelkammer. Die Tatsache, dass ihr Zimmer so ruhig lag und außerdem durch den Küchenkamin mitgeheizt wurde, machte es zu einem begehrenswerten Plätzchen – viel zu gut für ein hergelaufenes Weib, das Schreibarbeiten erledigen sollte, dachte Alena, ja, da hatte Bertrade Recht.

Sie nahm an, dass Sophie, die Äbtissin des Stifts, ihr den warmen Raum wegen Lisabeth zugewiesen hatte. Als sie vor zwei Jahren, am Tag nach Ämilius’ Tod, bei den Frauen des Quedlinburger Domstifts um Arbeit gefragt hatte, war Lisabeth ein sterbenskrankes Würmchen mit blauem Gesicht und schwarzen Lippen gewesen, dem man kaum zugetraut hätte, den ersten Tag zu überleben. Aber Lisabeth hatte sich als zäh erwiesen. Wärme und Essen für die stillende Mutter – gutes Essen, das ihnen von den Kanonissen zugesteckt wurde, die den Säugling wie eine Kuriosität bestaunten –, das hatte sie am Leben erhalten.

Alena vermied den Weg über den Hof und nahm die hintere Treppe, die in das Torhaus führte, denn von dort konnte sie ungesehen in den Garten kommen. Nur keinen Ärger. Auch nicht mit einer Pröpstin, die nichts als jammern konnte. Irgendwann würde Bertrade die nächste Äbtissin sein.

Sie gelangte ans Tor und huschte an den Unterkünften der Ritter vorbei zum Garten. Die alte Maia kam ihr mit einer Hacke entgegen, den Rücken so gebeugt, als wäre er sein Lebtag auf das Ende der Hacke zugewachsen. Mürrisch nahm sie Alena den Hasen ab. Lisabeths Geschrei schallte über die Gartenmauer.

»Bis zur Mittagshore«, knurrte Maia. »Dein Balg bringt mich um den Verstand.«

»Bis spätestens zur Mittagshore«, versicherte Alena. Keine Schwierigkeit. Bertrade war zu fromm, um das Gebet zu versäumen. Bis mittags würde die Angelegenheit mit dem Stadtvorsteher erledigt sein.

»Mir fallen die Ohren ab«, brummelte Maia. »Ich kenne kein Kind, das so brüllt.«

»Sie hört damit auf, wenn sie ihren Hasen hat. Sperr sie nicht in den Ziegenstall.«

»Sie hat nach mir geschlagen.«

Bertrade musste die Stimmen der Frauen gehört haben. Es gab Getrappel auf dem gepflasterten Weg, der unter dem Tor hindurchführte.

»Bis zur Mittagshore«, versicherte Alena hastig und eilte zum Stall, um sich eines der Pferde geben zu lassen. Ihr tat der Magen weh. Sie hätte etwas essen sollen.

Lisabeth hatte ihr Geschrei zum Glück eingestellt. Die Stiftsfrauen waren geduldig, aber das Gebrüll zerrte an den Nerven, und irgendwann würden sie sich fragen, ob sich Kinderlärm mit ihrer frommen Berufung, für das Seelenheil der verstorbenen Kaiser zu beten, vertrug.

»Ich wünschte, man könnte mir erklären, warum der Stadtvorsteher sich nicht hierherauf bemüht, wenn es etwas zu besprechen gibt«, klagte Bertrade, während Alena den Trittstein neben der Stalltür erkletterte, um das Pferd zu besteigen, und der Ritter, der sie begleiten sollte, sich in den Sattel schwang. Das Haar der Pröpstin wehte weißblond in zarten Strähnen unter ihrem Spitzenschleier hervor. Sie beugte sich gegen den Wind und hielt mit ihren dünnen Fingern den gefütterten Samtmantel, als könne der nächste Windstoß ihn ihr entreißen. Jedem, dachte Alena in ungerechter Abneigung, soll klar sein, dass sie mit diesen lästigen Besuchen über ihre Kräfte beansprucht wird.

Sie mussten trotzdem in die Stadt hinab, weil Dittmar, der Quedlinburger Stadtvorsteher, nämlich schon zweimal von der Äbtissin zur Audienz befohlen worden war und weil er sich jedesmal mit Ausflüchten entschuldigt hatte und weil die Domfrauen es sich nicht leisten konnten, ihn damit durchkommen zu lassen. Quedlinburg war der größte separate Zinszahler des Stifts. Wenn es Quedlinburg gelang, sich vor Zahlungen zu drücken, würde jeder Hanswurst es ebenfalls versuchen.

Der Frühling schlich sich mit seinem Glanz in jeden Winkel. Auch das Zimmer des Stadtvorstehers war von Licht und dem Duft warmer Frühlingsluft erfüllt. Seine Fenster gingen nach Süden hinaus, und da die Märzsonne tief stand, reichten die hellen, weißen Streifen, die sie auf die Bodendielen warf, bis zur gegenüberliegenden Wand.

Bertrade thronte mit Lippen, schmaler als ein Tintenstrich, auf dem lederbespannten Stuhl, den der Stadtvorsteher ihr bereitgestellt hatte. Sie hatte den Stuhl etwas abseits gerückt, sodass Alena dem Vertreter der Stadt allein gegenübersaß. Wahrscheinlich hasste Bertrade die Äbtissin dafür, dass sie sie zu diesem Besuch nötigte.

Dittmar hatte es sich auf der anderen Seite seines wuchtigen Eichentisches bequem gemacht. Seine Hände ruhten gefaltet auf dem Bauch. »Die Weinberge sind bebaut«, sagte er, »und das seit vier Jahren, und niemand hat bisher daran Anstoß genommen.«

Er musterte Alena so finster, als wäre sie eine Küchenschabe in seinem Vorratskeller. Dittmar sah gut aus, trotz seiner vierzig Jahre. Sein Haar war voll und schwarz, ohne den geringsten grauen Schimmer, und er hatte sich die schlanke Figur bewahrt. Die Augen blickten skeptisch wie eh und je. In seinem neuen Amt als Stadtvorsteher hatte Dittmar sich als Geizkragen erwiesen, mit einer gehörigen Portion Sturheit, aber auch mit Scharfblick. Das waren die Eigenschaften, die ihn als Kürschner reich gemacht hatten, und nun setzte er sie für Quedlinburg ein. Es muss mehr als gut um ihn stehen, dachte Alena. Die Leuchter an den Wänden, klotzige Dinger, jeder eine Elle hoch, waren mit Gold überzogen, und die Eichendecke mit zahllosen kunstvoll geschnitzten Blättern übersät, die ein Dutzend Handwerker einen Sommer lang in Arbeit gehalten haben mussten.

Alena riss sich von der Pracht des Raumes los.

»Das Gebiet am Radelberg stand bis zum Tod Kaiser Ottos dem Stift als Weidefläche zur Verfügung«, sagte sie. »Von Äbtissin Agnes für zwanzig Mark Silber bei den Töchtern Bertholds von Hoym eingelöst. Wollt Ihr den Text sehen? Gut, ist auch überflüssig. Der Vertrag wurde 1199 beurkundet, mit Siegel und allem, was dazugehört. Spätere Vereinbarungen, die die alte abgelöst hätten, gibt es nicht. Kommt, Dittmar – Ihr maust in fremden Gärten.«

Der Kürschner weigerte sich zu lächeln.

»Außerdem ist die Stadt mit dem Weinzins in Verzug. Die Hälfte jedes achtzehnten Eimers war vereinbart, den Eimer zu vierundachtzig Kannen bemessen. Davon sind kaum ein Drittel im Keller des Stifts eingegangen.« Alena sah aus den Augenwinkeln, wie Bertrade angewidert die Augen verdrehte.

Dittmar bemerkte es auch. »Nach dem Vertrag sollte der Weinzins aufgeteilt werden…«

»Gewiss. Und zwar zwischen dem Vogt und dem Stift. Deshalb sagte ich ja auch: die Hälfte.«

»Und welchem Vogt wünscht Ihr, dass wir liefern sollen?«, fragte Dittmar mit überlegtem Spott. »Graf Hoyer von Falkenstein oder Eurem … Caesarius?«

Dem Mistkerl Caesarius, das war endlich einmal ein Punkt, in dem sie übereinstimmten. Caesarius galt als das übelste Subjekt, das je in der Stiftsburg Unterschlupf gefunden hatte. Kaiser Otto hatte ihn dort einquartiert, als er sein Land gegen den Sizilianer Friedrich verteidigen musste, und nachdem es Caesarius gelungen war, die Burg für die Welfen zu halten, hatte er sich bei den Kanonissen als Stiftshauptmann festgesetzt und gleichzeitig das Amt des Vogts für...


Glaesener, Helga
Helga Glaesener wurde in Niedersachsen geboren und studierte in Hannover Mathematik. 1990 begann die Mutter von fünf Kindern mit dem Schreiben historischer Romane, von denen gleich das Debüt, Die Safranhändlerin, zum Besteller avancierte. Sie lebt in Oldenburg. Neben dem Schreiben bringt sie angehenden Autoren die Kniffe des Handwerks bei. Seit 2010 lebt sie in Oldenburg. Weitere Informationen unter www.helga-glaesener.de



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