Giovinazzo | Cracktown | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 30, 200 Seiten

Reihe: Pulp Master

Giovinazzo Cracktown


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-927734-54-8
Verlag: PULP MASTER
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 30, 200 Seiten

Reihe: Pulp Master

ISBN: 978-3-927734-54-8
Verlag: PULP MASTER
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Cracktown, Endstation. Es gibt kein Zurück. Wer hier angekommen ist, den hat die Gesellschaft längst abgeschrieben. Dem bleiben nur Crackträume. So die transsexuelle Prostituierte Marybeth und ihr Mann Benny, ein Crackhead und Einbrecher, die versuchen, ein normales Leben zu führen. Oder der ultrabrutale Romeo, der mit seiner Gang die Straßen terrorisiert. Manny versucht indes, seine Familie mit Nebenjobs über Wasser zu halten, und schuftet Tag und Nacht, während sich der 10-jährige Willy eher um seine Schwester sorgt als die von ihrem gewalttätigen Lover abhängige drogensüchtige Mutter. Die allgegenwärtigen Drogen zerstören alles und jeden. Die sich gelegentlich kreuzenden Short Cuts verwebt Giovinazzo zu einem episodenhaften Panorama der Armut und Verzweiflung, das die verbrannte Erde offenlegt, inmitten der Großstädte Amerikas.

Buddy Giovinazzo wurde 1960 geboren und wuchs in Staten Island, New York auf. Er ist Autor und Filmemacher und lebt inzwischen in Los Angeles und Berlin. In Deutschland hat er für mehrere Folgen ?Polizeiruf 110? und ?Tatort? Regie geführt, und 2008 in Los Angeles sein erstes Buch CRACKTOWN verfilmt. Bislang bei uns erschienen sind: POESIE DER HÖLLE, BROKEN STREET, POTSDAMER PLATZ. Sein bereits angekündigter neuer Roman PISS IN DEN WIND wird dann parallel zu CRACKTOWN erscheinen.

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Nachtschicht In Der Bodega Manny rackert sich ab für seine Familie. Macht zwei Jobs, jeden Tag. Tagsüber als Wachmann im Terminal Hotel, wo ein Tag ohne Blut wie ein Tag ohne Sauerstoff ist. Im Anschluss nach Hause, essen und die Kinder sehen. Dann legt er sich hin und steht um zehn in der Nacht wieder auf, um sich hinter die Kasse der Drecksbodega zu stellen, umgeben von Regalen voller verbeulter Bohnenkonserven, Reis, Käse, Milch, Zigaretten, Bier, außerdem das Lotto. Keine Ahnung, wie lange er das noch durchstehen kann, allmählich zerrt es an seinen Nerven. Vergangene Woche stand er kurz davor, Concetta zu schlagen, als sie mit einer Sache anfing, von der er überhaupt nichts wissen wollte. Zum Glück konnte er sich im letzten Moment beherrschen. Sie hat ihn schließlich in Ruhe gelassen, doch er hat sich richtig beschissen gefühlt, denn er liebt sie, sie und die Kinder, sie sind alles für ihn. Sie brauchen ihn. Und er will verflucht sein, wenn sie seinetwegen beim Sozialamt betteln müssten wie Fat Tony und seine Mutter, die gegenüber wohnen. Also schiebt er Nachtschicht. Was das betrifft, lief es bisher gut. Anfänglich ging Manny zur Schule, träumte vom Geldverdienen. Aber dann kam Ramon und die Träume mussten der Wirklichkeit weichen, Wolken sind bekanntlich zum Verzehr ungeeignet. Als die Rechnungen Manny fast zu ersticken drohten, verlegte er sich nicht aufs Fluchen, aufs Prügeln, machte sich nicht davon, sondern zog los und besorgte sich einen Job als Tellerwäscher in einem schicken Restaurant. An manchen Abenden durfte er die Reste erlesener Menüs mit nach Hause nehmen; er und Concetta fühlten sich wie Mr. und Mrs. Trump, verspeisten Sachen, deren Namen sie nicht mal aussprechen konnten. Sicher, es war schwer zu dieser Zeit, doch solange er Concetta hatte, war er glücklich und entschlossen, ihr Besseres zu bieten. Ein Jahr nach seiner Geburt war klar, dass mit Ramon etwas nicht stimmte. Er war anders. Dinge, zu denen er hätte fähig sein müssen, konnte er einfach nicht, sich selbstständig aufsetzen zum Beispiel. Komisch, alle Ärzte meinten, er sei in Ordnung, und genau deshalb hat Concetta kein Vertrauen zur öffentlichen Klinik. Sechs Monate nach Ramons erstem Geburtstag kam Alva zur Welt. Manny nahm den Job als Wachmann an und hielt diesen Schritt weg vom Tellerwäscher für einen Schritt nach oben; viel mehr Geld verdiente er nicht, vor allem verdiente er nicht genug. Als Ravi von der Drecksbodega dann fallen ließ, dass er jemanden für die Nachtschicht suche, sagte Manny zu. Zwar hatte Ravi vergessen zu erwähnen, dass er in den letzten Monaten während dieser Schicht mehrmals überfallen worden war, aber in Mannys Fall hätte das nichts an der Entscheidung geändert. Concetta fragte ihn, wann er schlafen wolle, wann sie ihn zu Gesicht bekämen, wenn er nie zu Hause war, und überhaupt, die Gefahr, sich spät in der Nacht da draußen den ganzen Verbrechen aussetzen, die ganzen Crackheads, aber er sagte, er nehme den Job auf jeden Fall an, also gab sie klein bei. Während der Nachtschicht lässt sich niemand blicken, sieht man von Besoffenen ab, die Bier wollen, oder dem vereinzelten Kiffer auf der Suche nach Blättchen, die Ravi zum Wucherpreis von fünfundneunzig Cent verkauft. Um vier Uhr morgens geht Manny nach Hause, nickt ein, bis Concetta ihn um fünf weckt, ihm das Frühstück zubereitet und ihn an der Wohnungstür verabschiedet. Im letzten Monat hat Alva ihre ersten Schritte gemacht, doch Manny war arbeiten und konnte es nicht sehen. Ramon wird vielleicht nie laufen, er weint die ganze Nacht und gleichgültig wie viel Essen oder Medizin er bekommt, er hört niemals auf zu weinen. Manny sieht, unter welchem Druck seine Frau deshalb steht, bekommt sie doch genauso wenig Schlaf wie er. Aber es ist den Stress wert, sagt er sich, solange sie einander haben und eine Familie sind. Eines Tages werden sie von hier wegziehen, dafür legt er schon eine Weile Geld zurück, ja, eines Tages werden sie weg sein. In letzter Zeit hat sich die Gegend verändert; viele neue Gesichter — obdachlose Bettler, Säufer, Junkies, lauter Fremde — und man kann nicht mal auf dem Bürgersteig laufen, ohne auf Glasröhrchen zu treten. Während der Nachtschicht kehrt Manny die Dinger in den Rinnstein und so können die Kids sie für fünf Cent das Stück an Kenny Carter verhökern. Draußen sind Leute vorbeigegangen, haben reingelinst, Leute, die verdächtig ausgesehen haben, mit geweiteten Augen, abgerissen, Leute, die sich gekratzt und die Haut gerieben, die den Laden gecheckt haben, bis Manny sie direkt angesehen hat, von seinem Platz hinter dem Tresen, woraufhin diese Leute davongeeilt sind. Es kann sich für Ravi überhaupt nicht lohnen, die ganze Nacht geöffnet zu haben. Es spielt sich nämlich gar nichts ab. Wenn am Ende zwanzig Dollar in der Kasse liegen, ist es eine gute Nacht gewesen, was Manny allerdings nie ansprechen würde, denn täte er es und stimmte Ravi ihm zu, wäre Manny seinen Job los. Das Sonnenlicht sickert bereits durch die Jalousien, als Concetta noch immer mit Ramon in der Küche sitzt. Er quengelt und verweigert die Flasche. Manny geht ins Zimmer und wirft sich auf die Couch. Schließt die Augen und ist bereits am Wegdriften, als ein kleiner, spitzer Schrei aus der Küche sein Bewusstsein durchsticht. Hätte Manny einen anderen Charakter, würde er den Kleinen auf der Stelle umbringen. So aber geht er in die Küche, wo er eine todmüde Concetta vorfindet, ihre geschwollenen Augen dunkel umschattet, die Mundwinkel nach unten gezogen, die Wangen feucht und gerötet. Es quält ihn, sie so zu sehen, denn sie ist die schönste Frau, der er jemals begegnet ist. Er nimmt ihr Ramon ab und sagt, sie soll versuchen, ein wenig zu schlafen, und sie verschwindet ins Schlafzimmer, während er, seinen Sohn im Arm, auf und ab geht. »Schhh, komm schon, Ramon, nicht weinen«, flüstert er in beruhigendem Tonfall. »Mama ruht sich aus und das solltest du auch. Schhh, mach die Augen zu.« Ramon stößt einen weiteren durchdringenden Schrei aus, und für einen Moment verspürt Manny den Drang, das ganze gottverdammte Bündel aus dem Fenster zu schleudern. Stattdessen drückt er ihn fester an sich, küsst sein Gesicht und hasst sich dafür, so etwas auch nur im Ansatz erwogen zu haben. Den Kleinen trifft keine Schuld, sagt er sich, er hat nicht um das Downsyndrom gebeten. Alva fängt in ihrem Bettchen an zu weinen, doch bevor Manny hineingehen kann, bringt Concetta sie schon in die Küche. Sie sehen einander hilflos und mit müden Gesichtern an, und Manny fühlt sich weniger als Mann als für gewöhnlich. Es ist alles meine Schuld, denkt er, weil ich so stur bin. Sein verdammter Stolz bringt sie um alle Chancen. Er könnte einen Haufen Geld verdienen, mehr als mit seiner Hände Arbeit, würde er für Luckyfoot arbeiten. Nicht mal verkaufen oder berühren müsste er das Zeug, müsste es nur von einem Ort zum anderen bringen, damit die Bazooka-Jungs es verticken können. Doch für Manny kommt so etwas überhaupt nicht infrage, so ist er nicht erzogen worden, also steht er um halb sechs am Morgen in seiner kleinen Küche, den schreienden Sohn im Arm, während seine Frau am Rande eines Zusammenbruchs balanciert. Concetta füttert Alva, setzt sie anschließend zum Krabbeln auf den Boden, gibt Manny ein Glas warmes Pfirsichmus für Ramon, der es sich schließlich schmecken lässt. Sie nimmt Manny den Jungen ab und meint, Manny soll versuchen, noch ein wenig zu schlafen, und dass sie ihn in einer halben Stunde wecken wird. Manny küsst sie und entschuldigt sich insgeheim dafür, dass die Dinge so sind, wie sie sind. Als er erwacht, ist alles fürs Frühstück bereit, der Tisch gedeckt, der Kaffee eingegossen. Alva sitzt in ihrem Hochstuhl und spielt mit dem Fläschchen; Ramon schläft in seinem Bett und Ruhe ist eingekehrt. Wenn es doch immer so wäre, denkt Manny, der die Szene von der Couch aus beobachtet. Er steht auf, zieht seine Uniform an und setzt sich an den Tisch, während Concetta die Eier wendet. Alva gibt Laute von sich. Noch sind es keine Worte, bald aber, denkt Manny, wird sie sprechen und lernen und malen und in die Schule gehen und ihrer Mutter beim Kochen und Saubermachen helfen und sich um ihren Bruder kümmern. Sie ist intelligent, diese Alva, das kann man jetzt schon sehen, ihre Art, Dinge zu untersuchen, ihre Augen, die alles aufsaugen wie ein Schwamm. Ja, sie werden beide sehr stolz auf sie sein. Mit seiner Frau auf der einen und seiner Tochter auf der anderen Seite des Tisches, mit einem stillen, schlafenden Ramon kommen Manny seine Jobs nicht mehr ganz so anstrengend vor, die Stunden nicht mehr allzu lang. An der Tür küsst er seine Frau, streicht ihr das Haar aus dem Gesicht und sagt, sie soll sich ein wenig hinlegen, jetzt, wo der Kleine ruhig ist. Sie sind urlaubsreif, brauchen eine Auszeit, irgendwas, um mal ein paar Tage rauszukommen, nur sie zwei. Im Frühjahr kommt Concettas Mutter aus Puerto Rico. Sie könnte sich um die Kleinen kümmern, während Concetta und er für ein paar Tage verschwinden, und sei es auch nur in ein Motel in Jersey. Zwei Stationen, bevor er aussteigen muss, wacht Manny auf, reibt sich die Augen und ignoriert den Bettler mit dem Styroporbecher. Er geht die 8te Straße entlang und sieht ein Mädchen aus dem Hotel kommen, das sich, bekleidet mit einem superkurzen Minirock, in ein Auto beugt, so, dass man ihr in den Schritt gucken kann. Zimmer 419, erinnert er sich. Sie wohnt dort mit ihrer Mutter und drei jüngeren Brüdern. Manny geht die Frage durch den Kopf, ob die Mutter wohl weiß, was die Tochter so treibt, bis...


Buddy Giovinazzo wurde 1960 geboren und wuchs in Staten Island, New York auf. Er ist Autor und Filmemacher und lebt inzwischen in Los Angeles und Berlin. In Deutschland hat er für mehrere Folgen ›Polizeiruf 110‹ und ›Tatort‹ Regie geführt, und 2008 in Los Angeles sein erstes Buch CRACKTOWN verfilmt. Bislang bei uns erschienen sind: POESIE DER HÖLLE, BROKEN STREET, POTSDAMER PLATZ. Sein bereits angekündigter neuer Roman PISS IN DEN WIND wird dann parallel zu CRACKTOWN erscheinen.



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