Giovinazzo | Broken Street | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 8, 272 Seiten

Reihe: Pulp Master

Giovinazzo Broken Street


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-927734-56-2
Verlag: PULP MASTER
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 8, 272 Seiten

Reihe: Pulp Master

ISBN: 978-3-927734-56-2
Verlag: PULP MASTER
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Broken Street ist ein Synonym für eine x-beliebige Straße in Uptown, New York. Eine Straße, die mit Drogenkriminalität und ihrem desillusionierenden Milieu, für viele Kids bereits die Endstation ist. Dem heranwachsenden Erzähler nimmt sie nur ein paar kostbare Jahre. Jahre, die er mit Schlägereien, Drogendeals und Autodiebstahl vergeudet. Die Mafia tauscht den Kids die heiße Ware in Bargeld um, doch irgendwann zahlt jeder seinen Tribut. Hinter Gittern schmeckt ihm die späte Erkenntnis besonders bitter, zumal das Wissen um das Scheitern der großen Liebe auf ewig schmerzen kann. Gab es irgendwann mal einen Ausweg aus der Broken Street? War er einfach nur zu blind? In der Tradition einer Martin Scorsesse Saga, erzählt Buddy Giovinazzo mit den straighten Worten eines kleinen Kriminellen, der an seine Grenzen stößt, aber versucht seinen Weg zu gehen. Broken Street ist eine bizarre Love & Crime ...

Buddy Giovinazzo wurde 1960 geboren und wuchs in Staten Island, New York auf. Er ist Autor und Filmemacher und lebt inzwischen in Los Angeles und Berlin. In München hat er 2002 eine Folge von ?Polizeiruf 110? für die ARD abgedreht, eine weitere Folge unter seiner Regie ist beschlossene Sache. Seine Bücher sind allesamt im Maas Verlag erschienen: »Cracktown', sein erstes Buch, erschien 1995.

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Kapitel 2 Ich war acht Jahre alt, als wir von Newark hierherzogen. Mein Bruder, mein Vater und ich. Angemeldet war ich in der Public School 116, und bis zu meinem zwölften Lebensjahr besuchte ich die Schule regelmäßig. Morgens stand ich auf, ging zur Schule, kam wieder nach Hause, spielte bis zum Abendessen vor dem Haus, blieb dann drin, sah bis neun Uhr fern und ging dann ins Bett. Richtige Scherereien hatte ich nie, obwohl ich keine Gelegenheit versäumte, die Mädchen aus der Nachbarschaft zu ärgern oder sie an den Haaren zu ziehen, wenn sie Seilspringen machten; ich lief ihnen immer davon und streckte ihnen meinen Hintern entgegen, wenn sie die Verfolgung aufgaben. Für die älteren Kids war ich ein Dauerbrenner in Sachen Unterhaltung. Zu Beginn der fünften Klasse hatte ich in der Schule einen richtigen Freund. Ein kleiner, drahtiger Kerl namens Ernest McKenzie. Er wohnte ein paar Blocks weiter, und für gewöhnlich trafen wir uns nach der Schule, um zu sehen, was für Mist wir anstellen konnten. Ernest hatte einen älteren Bruder, Winston, er war fünfzehn und dealte im Viertel mit Marihuana. Winston war berüchtigt wegen seiner knickrigen Art. Man konnte von Glück sagen, wenn man zwei, vielleicht drei Joints aus einem Tütchen drehen konnte — vor den Zeiten von Thaigras und Sensimilla war das ein echter Skandal. Als Quittung dafür trachtete man Winston ständig nach dem Leben. Nach der Schule halfen wir Winston, das Gras abzupacken, in kleine, gelbe Umschläge, wobei wir die Miniportionen auf einer eindeutig verachtenswerten Grundlage abmaßen — je nachdem, wie viel er gerade an den einzelnen Tagen zur Verfügung hatte —, dann zog Winston los, um das Zeug zu verticken. Ein durchtriebener Geschäftemacher, dieser Winston. Er zeigte einem eine große, volle Tüte, aber hatten Knete und Gras erst mal den Besitzer gewechselt, war der Unterschied zwischen der Tüte, die man gesehen hatte, und der, die man bekommen hatte, wie Tag und Nacht. Ernest und ich nannten das ›Winstons schnelle Tour‹, wegen der Geschicklichkeit, die nötig war, um sie abzuziehen. Man beachte, Winston verkaufte nicht an irgendwelche blauäugigen Komiker aus Jersey, er verdealte an clevere Typen von der Straße, an Typen aus unserer Gegend. Typen, die wussten, wo er wohnte! Anfänglich erlaubte Winston uns nicht, zu kiffen, er sagte, ehe sie nicht dreizehn seien, sollten Kids kein Gras rauchen. Da wir erst zwölf waren, kaufte er uns Bier, und das war s. Nun, Ernest und ich genossen es, von zwei Dosen Colt 45 richtig steif zu sein, wenn man aber diese kleinen gelben Tüten füllt und zusieht, wie Winston durch ihren Verkauf ein Vermögen macht, wird man ziemlich neugierig, was es mit dem Zeug auf sich hat. Wir betrachteten es quasi als unsere Pflicht, der Sache nachzugehen. Eines Tages, als wir mal wieder die Tüten füllten, bunkerte Ernest ein bisschen Gras in seiner Tasche und ich etwas in meiner Socke. Winston verschwand, um seine Ware zu verhökern, und wir bauten einen unförmigen Joint, Zweige und Samen inklusive, und rauchten ihn. Und was passierte? Gar nichts! »Vielleicht haben wir was falsch gemacht«, sagte Ernest. Aber wir hatten Winston tausendmal kiffen sehen und hatten alles so gemacht wie er. Wir inhalierten den Rauch in langen Zügen und hielten die Luft an, bis unsere Gesichter blau wurden. »Kein Wunder, dass alle deinen Bruder hassen«, sagte ich, »der Stoff bringt s nicht«. Doch Winston hatte viele Stammkunden, und wenn etwas nicht wirkt, kommen die Leute nicht wieder. Schließlich wurde uns klar, dass wir irgendwie Mist gebaut hatten, und wir erklärten feierlich, es noch mal zu versuchen. Und das taten wir. Am nächsten Tag. In der zweiten Klasse hatten wir mal einen Ausflug nach Coney Island gemacht. Der große Kick hatte darin bestanden, Achterbahn zu fahren und sich vor lauter Angst in die Hosen zu scheißen. High werden war fiir mich etwa so wie die erste Sturzfahrt ohne Eintrittskarte. Mein Magen befand sich ständig im freien Fall. Das Zimmer fing an, sich um mich zu drehen, die Dielen des Fußbodens schienen zu schwimmen. Ich schloss meine Augen und wirbelte kopfüber herum wie ein Trapezkünstler, klammerte mich an den Boden, um den Drehwurm loszuwerden, und versuchte, mit meinem Blick an etwas kleben zu bleiben. Ernest starrte auf eine schäbige Stelle an der Wand, mit seinen Gedanken war er in eine tiefe Nische seines Hirns eingedrungen, in der er nie zuvor gewesen war. Seine Augen glänzten wie Mohrenköpfe. Er hörte auf, vor sich hin zu starren, unsere Blicke trafen sich, und wir lachten unkontrolliert los wie zwei besoffene Seehunde; die Luft in meinen Lungen kitzelte wie Federn. Ernest sagte zu mir, ich hätte einen Popel an der Lippe, und ich machte mich über die Stahlwolle lustig, die er Haare nannte. Ich dachte, wir würden niemals aufhören zu lachen. Aus irgendeinem Grund schienen uns das die besten Witze zu sein, die wir je gehört hatten. Später, nachdem er sein Gras verdealt hatte, kam Winston zurück, sah uns nur kurz an und wusste sofort, was los war. Er wurde stocksauer! Nicht weil wir high waren — auf der Straße hätte er Gras an ein Baby im Kinderwagen verkauft, das kratzte ihn überhaupt nicht —, sondern weil wir ihn gelinkt hatten, und das war unverzeihlich. Er jagte uns durchs Zimmer, als wären wir bei einem olympischen Laufwettbewerb, verfluchte uns und schmiss mit Gegenständen, stieß uns gegen die Wände und prügelte uns windelweich. Wir lachten ihm ins Gesicht. Er nahm uns in den Schwitzkasten, und wir brüllten immer noch. Er schlug unsere Köpfe zusammen, was bei mir etwas gelockert haben musste, denn vor lauter Lachen standen mir die Tränen in den Augen. Das machte ihn nur noch wütender. Dann fingen wir an, ihn zu verarschen. »Friss doch Scheiße, Ubangi-Gesicht!« »Ist der Reis schon fertig, Uncle Ben?« »Gutes Gras, Nigger, der Preis ist nicht zu unterbieten!« Ernest sagte noch Schlimmeres. Aber je mehr er uns schlug, je mehr wir lachten, desto wütender wurde er, bis er schließlich erschöpft und resigniert aufs Bett fiel. Ernest fing an, sich an Armen und Beinen zu kratzen. »Mich muss ’ne Mücke gestochen haben«, sagte er. »Yeah, mich auch. Bei mir juckt’s überall.« Keine drei Meter entfernt, aus der Küche, rief ihre Mutter: »Hört endlich auf rumzutoben, Jungs!« Als wir ihre Reaktion auf das hörten, was wie ein kleiner Krieg geklungen haben musste — Körper, die gegen Wände geschleudert wurden, umkippende Möbel, eigentlich alles, nur keine Schüsse —, und wir Winston gebrochen und besiegt dasitzen sahen, schnappten Ernest und ich nach Luft und hiel-ten uns die Bäuche; dann machten wir uns in die Hosen. Es dauerte eine Weile, bis wir wieder runtergekommen waren, aber als es soweit war, breitete sich eine beängstigende Stille im Zimmer aus. Ich sah zu Ernest herüber, er lachte nicht mehr und ich auch nicht. Langsam zeigten die Schläge Wirkung. Zuerst fühlte ich den Schmerz in den Beinen, doch schon bald pulsierte er durch meinen gesamten Körper. Ich konnte mich nicht bewegen. Ernest ging es ähnlich. Winston schien einen zweiten Anlauf zu nehmen. Die Lippen zur Karikatur eines Lächelns verzogen, stand er vor uns. Wie ein Turm. Ein Leuchtturm, der das drohende Schicksal ankündigt. Ernest wollte wegkriechen, doch Winston hielt ihn zwischen seinen Beinen fest. Ich war zu kaputt und erschöpft, um Widerstand zu leisten. Da hatte Ernest einen Einfall. »Maaa!« krähte er. »Maaaaa!« Diesmal noch lauter. Ich fiel mit ein. »Mrs. McKenzie! Mrs. McKenzie!« bis sie aus der Küche schrie, »Jungs, seid ruhig da drinnen, oder ich versohl euch den Hintern!« Winstons Lächeln wurde noch breiter, tatsächlich nahm man nur seine perfekten weißen Zähne wahr, noch nie hatte ich ein so breites Lächeln gesehen, er hätte problemlos meinen Kopf runterschlucken können. Uns blieb nur noch der Versuch, um unser Leben zu betteln. »Und was ist nun mit dem Reis?« rief er. »Und das Ubangi- Gesicht? Ihr glaubt wohl, ich versteh kein Englisch, was?« Zehn Minuten lang versetzte uns Winston in Todesangst, täuschte Schläge an und versetzte uns kleine Hiebe, wichen wir zurück, zielte er mit angezündeten Streichhölzern auf unsere Köpfe und machte seine Hose auf, als wollte er uns anpissen. Endlich entspannte er sich, und sein Lächeln schrumpfte auf ein normales, menschliches Format. Er setzte sich auf den Sprungfederrahmen seines Bettes — beim Handgemenge war die Matratze heruntergeworfen worden — und sah uns an wie ein Herr seinen Hund ansieht, der irgendwas angestellt hat. »Jetzt, wo ihr toughen Jungens überfuhrte Rauschgiftsüchtige seid«, sagte er, »werdet ihr euren Anteil verdienen müssen.« Er befahl uns, das Zimmer aufzuräumen, während er uns in unsere neuen Aufgaben einweihte. Es war kein schlechter Deal. Wir sollten ihm beim Straßen-verkauf seiner Tüten helfen, aber nie mehr als zehn dabeihaben — wir seien noch zu jung, um ernsthaft für etwas belangt zu werden, erklärte er —, und für zehn verkaufte Tüten würde er uns eine geben. Ernest und ich sahen uns an, nickten wie Schwachsinnige, und das war s dann. Mein Einstieg in den Einzelhandel. Kaum war ich einem Dilemma entkommen, wurde ich bereits mit dem nächsten konfrontiert. Ernest war zu Hause, was machte es also, dass seine Hose nass war. Ich aber hatte...


Buddy Giovinazzo wurde 1960 geboren und wuchs in Staten Island, New York auf. Er ist Autor und Filmemacher und lebt inzwischen in Los Angeles und Berlin. In München hat er 2002 eine Folge von ›Polizeiruf 110‹ für die ARD abgedreht, eine weitere Folge unter seiner Regie ist beschlossene Sache. Seine Bücher sind allesamt im Maas Verlag erschienen: »Cracktown", sein erstes Buch, erschien 1995.



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