E-Book, Deutsch, 169 Seiten
Giel Moderierte Runde Tische in der pädagogischen und therapeutischen Arbeit
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-497-61533-9
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Teilhabeförderung durch transdisziplinäre Vernetzung
E-Book, Deutsch, 169 Seiten
ISBN: 978-3-497-61533-9
Verlag: Ernst Reinhardt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie kann transdisziplinäre Zusammenarbeit unter Beteiligung der Betroffenen und Angehörigen kreativ und zielorientiert gestaltet werden? Das Konzept der Moderierten Runden Tische (MoRTi) hilft dabei, transdisziplinäre Treffen in Einrichtungen wie Kita, Schule oder therapeutischer Praxis konstruktiv zu gestalten - beispielsweise Teilhabekonferenzen oder Förderplangespräche. Anhand eines Moderationszyklus werden bei MoRTi konkrete ICF-basierte Ziele verfolgt. Lösungsorientierte Moderationsmethoden werden anhand von Beispielfragen, Arbeitsblättern und Checklisten vermittelt. Fallbeispiele aus der Praxis sowie ein umfassendes Glossar runden das Praxisbuch ab. Mit Vorlagen zur Vorbereitung und Dokumentation als Online-Zusatzmaterial.
Zielgruppe
Fach- und Leitungskräfte in der (Heil-)Pädagogik, Sozialen Arbeit und Medizin, weitere therapeutische Berufe
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
2Das Konzept der „Moderierten Runden Tische“ (MoRTi) Das Konzept der Moderierten Runden Tische (MoRTi) stellt ein evidenzbasiertes, strukturiertes Vorgehen für alle transdisziplinären Zusammenkünfte im Kontext von Gesundheit, Bildung, Pädagogik und Sozialem dar. Bei der Zusammenkunft von Fachpersonen, Angehörigen und ggf. der Fokusperson findet auf der Basis einer wertschätzenden und respektvollen Haltung ein strukturierter lösungsorientierter Austausch statt, mit dem Ziel, konkrete, realistische und meist ICF-orientierte (Teilhabe-)Ziele zu entwickeln. Die Dokumentation der Ergebnisse des laufenden und deren Evaluation beim folgenden Runden Tisch sind obligatorisch. Die Moderation findet durch einen/eine in systemisch-lösungsorientierter Gesprächsführung geschulten/geschulte ModeratorIn mit Unterstützung durch Techniken der Moderation und Visualisierung statt. Damit fordert das Konzept dazu auf, obligatorisch die engen Bezugspersonen (Eltern, Angehörige etc.) und bestenfalls auch die Fokusperson gleichberechtigt miteinzubeziehen! Darüber hinaus sollen alle wichtigen UnterstützerInnen, auch sogenannte „externe“ Fachkräfte (TherapeutInnen aus niedergelassenen Praxen etc.) am MoRTi – ggf. digital zugeschaltet – teilnehmen, sodass miteinander und nicht nebeneinander geplant und gehandelt wird. Damit diese zeit- und kostenaufwendige Zusammenkunft effektiv und effizient genutzt wird, ist im MoRTi-Konzept die Moderation durch eine in Beratung und Moderation weitergebildete Person vorgesehen. Für diese Art transdisziplinärer Zusammenkünfte existieren zahlreiche Begriffe, wobei die angestrebten Ergebnisse in der Regel individuelle Förder- und Behandlungspläne, Zielvereinbarungen, Teilhabepläne, Maßnahmenpläne etc. sind. transdisziplinäre Zusammenarbeit Das MoRTi-Konzept ist ein Instrument der Teilhabe- oder/und Förderplanung, welches bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Unterstützungsbedarf in den verschiedensten Lebenskontexten angewendet werden kann. Durch die Teilnahme der wichtigsten fachlichen wie privaten Bezugspersonen werden die unterschiedlichen (Fach-)Perspektiven in konstruktiver Weise genutzt, um die zur Verfügung stehenden Ressourcen zu aktivieren und lohnenswerte/attraktive sowie konkrete Teilhabeziele für die Fokusperson oder bestenfalls mit der Fokusperson zu entwickeln. Der von Pretis et al. (2019) geprägte Begriff der transdisziplinären Arbeit, bei dem den Eltern eine zentrale Rolle bei der Planung und Umsetzung von Förderzielen zugeschrieben wird, ist im MoRTi-Konzept von großer Bedeutung. Transdisziplinäres Arbeiten ist dadurch gekennzeichnet, dass gemeinsam geplant wird und Ziele gemeinsam umgesetzt werden. Leider hat sich dieser Begriff und das dahinterstehende Modell der Eltern als zentrale Akteure noch nicht etabliert. Deshalb werden im Folgenden abwechselnd die Begriffe interdisziplinär und transdisziplinär verwendet, wobei der Einbezug der Eltern immer intendiert ist. Unter „Fokusperson“ soll die Person verstanden werden, für die der Moderierte Runde Tisch einberufen wurde. Diese kann ein Kind, eine/ein Jugendliche/r oder eine/ein Erwachsene/r mit Teilhabebedarf/Förderbedarf (häufig als „Menschen mit Behinderung“ bezeichnet) sein. In der Regel steht Menschen mit Handicaps in den deutschsprachigen Ländern eine Vielzahl an Unterstützungsangeboten zur Verfügung. Diese setzen sich aus Leistungen des SGB V, also der Gesetzlichen Krankenversicherung, wie beispielsweise Heil- und Hilfsmitteln, dem SGB VIII der „Kinder- und Jugendhilfe“, dem SGB IX „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ und vor allem auch aus dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) „Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen“ zusammen. Diese Leistungen können von der Einzelperson oder zur Unterstützung deren Familie in Anspruch genommen werden. unüberschaubare Vielfalt an Unterstützungsangeboten Dadurch entsteht gelegentlich – auch für die Betroffenen – der Eindruck eines unüberschaubaren Förder-, Bildungs-, Therapie- und Rehabilitationsangebotes mit vielfältigsten Expertisen, die einerseits unschätzbare Ressourcen und Unterstützungen darstellen, andererseits droht bei einer fehlenden Vernetzung und Abstimmung eine nicht aufeinander abgestimmte Inanspruchnahme. So kann es zu widersprüchlichen Angeboten, Priorisierungen oder Aussagen kommen, oder Leistungen werden nicht optimal eingesetzt. Bis auf wenige Ausnahmen, in denen Case-ManagerInnen zur Koordination und Vernetzung eingesetzt werden, sind es meist die LeistungsbezieherInnen oder deren Angehörige, die sich durch den Angebotsdschungel arbeiten müssen. So werden immer noch Bildungs-, Therapie- und Förderangebote in Anspruch genommen, ohne dass eine strukturierte Vernetzung und Koordination der einzelnen Angebote stattfinden. In linearen Gesprächen werden bedeutsame Infos – meist von den Angehörigen oder BetreuerInnen – zwischen den einzelnen Leistungsanbietern mühevoll weitertransportiert. Mit Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetztes (BTHG) wurde deshalb mit den sogenannten „Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungen“ (EUTB) ein zusätzliches Beratungsangebot in Deutschland flächendeckend etabliert. Koordination von Angeboten und Ressourcen TIPP Informationen zu den Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungen (EUTB) unter www.teilhabeberatung.de nebeneinander statt miteinander Viele Beratungen finden aktuell im Rahmen einer Institution (Frühförderstelle, Kita, Schule, Wohneinrichtung, Arbeitsstelle, Therapieeinrichtung, Jugendamt etc.) statt. Alle dort tätigen MitarbeiterInnen arbeiten sicherlich mit einer positiven Absicht für die/den Betroffene/n – jedoch leider häufig nebeneinander anstatt vernetzt und aufeinander abgestimmt. Mit dem Konzept der Moderierten Runden Tische (MoRTi) soll deshalb Folgendes initiiert und sichergestellt werden: ¦Vernetzungen und Koordination der im Kontext der jeweiligen Institution vorhandenen personellen, materiellen und institutionellen Ressourcen ¦gemeinsame Entwicklung von für die Betroffenen attraktiven, lebensweltbezogenen, konkreten Teilhabe-, Entwicklungs- oder Förderzielen ¦Stärkungen der Betroffenen in ihrem Recht auf Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Gesundheitsfürsorge ¦Hilfen bei der Rollenklärung aller beteiligten Fach- und Privatpersonen ¦Respekt und Wertschätzung allen Beteiligten und deren Meinungen gegenüber, sowohl dem KlientInnensystem (Fokusperson, Angehörige …) als auch den professionellen Systemen (Frühförderung, Kita, Schule, Wohneinrichtung, Arbeitsplatz, Jugendamt etc.) unter Auflösung eines hierarchisch auftretenden „Expertismus“. TIPP In dem Erklärfilm MoRTi wird das Konzept vereinfacht und kurz dargestellt: https://zuk-moers.de/morti 2.1Entwicklung des MoRTi-Konzeptes Das MoRTi-Konzept wurde im Zentrum für Unterstützte Kommunikation in Moers (ZUK Moers) auf der Basis systemisch-lösungsorientierter Beratungsprinzipien, auf dem bio-psycho-sozialen Modell der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der WHO sowie auf Prinzipien aus dem Qualitätsmanagement und in Anlehnung an klassische Moderationsmethoden entwickelt. Die Methode des Runden Tisches ist ursprünglich ein Dialogverfahren zur Öffentlichkeits- oder auch Bürgerbeteiligung bei komplexen oder konfliktreichen Themen, welches bis heute in den verschiedensten politischen – meist kommunalen – Kontexten eingesetzt wird. Als partizipatorisches Instrument hat es das Ziel, VertreterInnen verschiedener Interessensgruppen – beispielsweise bei der Planung städtebaulicher Veränderungen – an einem Tisch zu versammeln und im Diskurs mithilfe einer neutralen Moderation bestenfalls eine von allen entwickelte, und gemeinsame Lösung zu erarbeiten (www.buergergesellschaft.de; www.beteiligungskompass.org, 12.04.2021). partizipatorischer Ansatz Im Bereich von Bildung, Pädagogik, Gesundheit und Sozialem finden zahlreiche interdisziplinäre Zusammenkünfte unter Beteiligung verschiedener Berufsgruppen/Professionen mit oder ohne die Fokusperson statt. Für diese interdisziplinären Zusammenkünfte existieren je nach Kontext, Region, Träger unterschiedliche Begriffe, wie beispielsweise Entwicklungsgespräch, Förderplanbesprechung, Übergangskonferenz, Standortgespräch, Fallbesprechung, Kooperationsgespräch, Hilfeplangespräch, personenzentrierte Teilhabeplanung,...