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E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Getty / Winkelmann Kidnapping Paul

Die Geschichte einer Entführung
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-86337-141-8
Verlag: weissbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die Geschichte einer Entführung

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-86337-141-8
Verlag: weissbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



"Liebe Mutter, lieber Vater, ich habe große Angst zu sterben. Ich habe gehört, dass mein Großvater keinen Penny für mich zahlen will, aber er ist derjenige, der mir diesen Namen gegeben hat..."

Rom, Juli 1973: John Paul Getty III, der Enkel des damals reichsten Mannes der Welt, wird von der Mafia entführt. Womit niemand rechnet: Sein Großvater weigert sich, das Lösegeld in Höhe von 17 Millionen Dollar zu zahlen. Erst als seinem Enkel ein Ohr abgeschnitten wird erklärt er sich zu einer Teilzahlung bereit.
Hautnah dabei: Zwei junge Frauen aus Kassel. Gisela Getty, Pauls spätere Ehefrau, und ihre Zwillingsschwester Jutta Winkelmann erinnern sich an den spektakulärsten Entführungsfall der siebziger Jahre – und an ein dunkles Kapitel ihres bunten Lebens. Heute liefert die Episode Stoff für gleich zwei Hollywood-Produktionen; Anlass für Gisela Getty, einen Blick zurück zu werfen.
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Nach Rom. Eine Art Einleitung.
Es ist schon lange, sehr lange her. Aber wenn es stimmt, was Jean Paul sagt, dass die Erinnerung »das einzige Paradies« ist, »aus dem wir nicht vertrieben werden können«, dann will ich doch noch einmal zurückgehen in die flirrende Stadt Rom und in die frühen Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts. Meine Zwillingsschwester Jutta und ich waren nach den Jugendjahren in Kassel und nach Stationen in Berlin und München in die italienische Metropole aufgebrochen, um dort unseren Traum von einem freien Leben zu verwirklichen. Unser Credo lautete: »Paradies jetzt, das Leben ist Kunst, wir selbst sind ein Kunstwerk«. Rom war dafür der richtige Ort. Alles, was in den verschiedensten kulturellen Szenen seinerzeit berühmt und berüchtigt war, traf sich dort in einem Klima, das der Phantasie, ungehemmten Kunst- und Lebensentwürfen und nahezu unzähligen Visionen von einer besseren Welt Raum gab. Jutta und ich (die ich damals meinen zweiten Vornamen, Martine, bevorzugte), fühlten uns im Zentrum eines Kraftstroms, dessen Motoren wir selbst waren, begleitet von Freunden, die an uns glaubten. Wir waren sicher, dass wir »Gott auf unserer Seite« hatten und, unbescheiden formuliert, »seine Lieblingskinder« waren. Über die so reiche, wilde, ungestüme und überbordende Zeit in Rom haben wir in dem Buch Die Zwillinge oder vom Versuch, Geist und Geld zu küssen erzählt, das 2008 bei weissbooks.w als erstes Buch des neuen Verlags von Anya Schutzbach und Rainer Weiss herauskam. Dieses Buch, das wir zusammen mit unserem Co-Autor Jamal Tuschick schrieben, der sich wie kein anderer in unsere Welt einfühlen konnte, war der Versuch, den Glanz und das Elend der Jahre zu schildern, in denen wir von einem Abenteuer zum anderen, von einer Herausforderung zur nächsten jagten, getrieben von unersättlichem Erfahrungshunger und der Sehnsucht, uns endlich selbst zu finden. Rom war dafür nur eine von vielen Stationen. Heute, zehn Jahre nach Erscheinen dieses »Memoirs«, rückt ein Kernstück unseres Lebens wieder ins Zentrum des öffentlichen Interesses: die Entführungsgeschichte meines späteren Mannes Paul Getty. Alles Geld der Welt, der neue Film von Ridley Scott, beleuchtet Pauls dramatischen Leidensweg mit den Scheinwerfern Hollywoods, der Oscar-prämierte Regisseur Danny Boyle greift dasselbe Thema auf und verfilmt die Entführung als zehnteilige TV-Serie unter dem Titel Trust. In Amerika munkelt man derzeit sogar von einem dritten Film; ich selbst bin von verschiedenen Produktionen angesprochen worden. Dieses plötzliche und geballte Auftauchen eines Themas, das Jutta und mich vor weit über 40 Jahren in Atem hielt, zwingt mich, unsere Geschichte – die Geschichte von einem Zwillingspaar und einem Milliardärsenkel – noch einmal anzuschauen und zu reflektieren. Ich muss dies vor allem deshalb tun, weil zwei der drei Protagonisten des Dramas, Jutta und Paul, schon über das große Wasser gegangen sind. Beide starben im Monat Februar, getrennt durch sechs Jahre: Paul am 5. Februar 2011 und Jutta am 23. Februar 2017. Als wir Paul trafen, war er – mit gerade 16 Jahren – von zu Hause ausgezogen und wohnte in einer alten Kellerwohnung in Rom, gemeinsam mit zwei Freunden, Marcello und Philipp. »Pauls place« wurde frequentiert von dunklen Typen der Malavita, kleinen und größeren Gangstern, die wie selbstverständlich rund um die Uhr ein und aus gingen. Für Paul waren wir, zwei nahezu identische junge Frauen, die endlich ersehnten Gefährten und der Zutritt in eine andere Welt, die er suchte. Paul, ein auffallend schöner Junge mit raphaelitisch kupferfarbenen Locken und einem überaus wachen Verstand, verweigerte seiner Familie jegliche Anpassungsfähigkeit. Bereits als Schüler hatte er versucht, seine Schule in Brand zu setzen. Für ihn war die Welt dumm, schlecht, korrupt – und deswegen verachtungswürdig. Eine neue Welt musste her. Die meinte er durch seine Beziehung zu einigen – auch führenden – Mitgliedern der Malavita zu finden; dort konnte er, wie er sagte, freier spielen. Klüger als die Malavita und alle anderen Mafiosi fühlte er sich allemal. Hier gab es Drogen, Anerkennung, Zugehörigkeit und hier war er, was ihm wichtig war, außerhalb der Norm, entbunden von Lügen, falschen Erwartungen und Lieblosigkeiten. Paul, der alle Chancen dieser Welt hatte und dem seine Familie alles ermöglicht hätte, suchte etwas anderes. Was er nicht sah: dass er sich wieder einer Familie angeschlossen hatte, in der es klare Regeln gab, in der man Teil eines hierarchischen Systems war, dem man nie entkam. Denn große Familien bewahren ihre Macht durch die Loyalität und Zugehörigkeit ihrer Mitglieder, durch Einordnung in ein Familiensystem. Und über allem lag und liegt die Pflicht zu schweigen – »l’omertà«. Hier wie dort. Dies alles war uns anfangs nicht klar. Als Jutta und ich Paul kennenlernten und dann mit ihm zusammengezogen waren, fragten wir uns immer wieder, warum dieser auffallend hübsche und intelligente Junge mit diesen »komischen Leuten« befreundet war. Sicher spukte in seinem Kopf wie in den Köpfen vieler noch die Meinung herum, bei der Malavita handele es sich um eine Geheimgesellschaft, die sich gegen die Willkür der besitzenden Klasse und der Justiz wehrt. Als seien die in unseren Augen »komischen Leute« die Nachfahren von Robin Hood. Wahrscheinlicher aber ist, dass Paul sich von seinen dunklen Freunden Drogen und Geld erhoffte. Das mag zunächst spielerisch gewesen sein, war aber auch von der Arroganz seiner Herkunft begleitet: Ich kann alles tun, was ich will, ich kann von niemandem zu etwas genötigt werden. Obschon er sich der Malavita weit überlegen fühlte, konnte er sich der von ihr ausgeübten Gewalt nicht entziehen und wurde, ohne vorgreifen zu wollen, letztlich zum Opfer ihrer Gewaltspirale. So zart und sensibel er auf der einen Seite war, so gab es in ihm doch auch eine dunkle, gewalttätige Seite; von Gewalt fühlte er sich oft unwiderstehlich angezogen. Oft genoss er es geradezu, ein Getty-Erbe und goldener Hippie zu sein, er badete in Arroganz und stieß alle vor den Kopf: »Was wollt ihr von mir. Ich mache nur, was ich will. Mir ist doch egal, was mit euch passiert.« Doch ebenso oft brodelten in ihm Wut, Verachtung und Enttäuschung. Die Männer, die sich um Paul scharten, waren anders als unsere bunten Freunde, mit denen wir unterwegs waren, eine schöne neue Welt zu bauen, eine Welt der Liebe und des Lichts, an deren Schwelle wir just zu stehen glaubten. Jutta und ich hatten, vor allem nach einer unglaublichen LSD-Erleuchtung am Strand von Sperlonga, die Mission, Liebe in die für uns muffige und dämliche Welt zu bringen. Unsere Vision zielte auf die Errichtung eines ekstatischen weiblichen Orts, einer Denk- und Ideenfabrik, eines philosophischen Salons und spirituellen Ashrams in einem – Gipfel unserer Träume – marokkanischen Palazzo. Den Schlüssel dafür glaubten wir in der Hand zu haben. Paul. Als wir uns begegneten, wussten wir: Wir bleiben zusammen. Paul zog unsere weibliche und nach »außen« erst einmal unsichtbare Geschichte, die fortan als Hintergrund unseres gemeinsamen Tuns mitgewirkt hat, vehement an. Die Geschichte unserer verrückten Suche nach unserer Blauen Blume konfrontierte ihn mit zwei Frauen, die als »Täterinnen« agierten und sich keinenfalls als Opfer begriffen. Wir waren froh, uns gefunden zu haben. Er ein »Freak« als Erbe eines Imperiums mit der erdrückenden Last, die Erwartungen der Dynastie zu erfüllen, wir »Freaks« sowieso als Zwillinge, zumal vor diesem spezifisch deutschen Hintergrund: Kinder von Nazieltern, Hitlers Kinder, die ebenfalls traumatisiert waren – anders als er, aber doch vergleichbar. Nun waren wir ein Dreigestirn. Tatsächlich wurde in dieser Konstellation erstmals über den Plan einer Entführung Pauls gesprochen: Sie war Pauls wahnwitzige Idee, der sich ausrechnete, dass, wenn er sich entführen ließe, seine Familie für seine Befreiung bezahlen würde – und dass damit endlich Geld da wäre, um seine Bedürfnisse befriedigen, aber auch unsere Vision mit finanzieren zu können. Er sagte, das sei alles schon mit anderen besprochen worden, er habe »connections«. Gleichzeitig betonte er, dass diese Idee nie wieder und vor niemandem jemals erwähnt werden dürfe. Wer diese »connections« waren, konnte man sich denken. Für die finsteren Gesellen der Mafia waren wir bezaubernde und unbegreifliche Außerirdische, die sie nicht fassen konnten. Und doch, so meinten wir, waren auch sie berührt von unseren Ideen, von unserer Begeisterung für eine neue Welt der Freiheit und der Liebe. Allerdings unterschätzten wir den Ernst des »Spiels« und die Regeln, die in der Malavita herrschten. Nach einer schrecklichen Erfahrung, die wir »Unter Männern« machten – und die man im gleichnamigen Kapitel dieses Buches nachlesen kann – brachen wir alle Kontakte zu diesen Leuten ab, mit denen wir uns lange befreundet geglaubt hatten. Uns saß jetzt die Angst in den Knochen, und...


Gisela Getty, geb. 1949 in Kassel, ist Filmemacherin, Fotografin,Designerin und Schrift stellerin. Sie und ihre Zwillingsschwester Jutta Winkelmann waren Ikonen der 68er-Bewegung. 1974 heiratete Gisela den jungen Paul Getty – unmittelbar nach seiner spektakulären Entführung. Sie lebt und arbeitet in Österreich und Los Angeles; ihre Schwester erlag 2017 ihrem Krebsleiden.
Bei weissbooks.w erschienen Die Zwillinge oder Vom Versuch, Geist und Geld zu küssen (2008, mit Jamal Tuschick) und Mein Leben ohne mich (2016, von Jutta Winkelmann).



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