E-Book, Deutsch, 272 Seiten
Reihe: Time Travellers
Gessner Time Travellers - Nächster Sprung - Australien!
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7348-0228-7
Verlag: Magellan Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Kinderbuchreihenstart ab 10 Jahren über eine verrückte Klassenfahrt
E-Book, Deutsch, 272 Seiten
Reihe: Time Travellers
ISBN: 978-3-7348-0228-7
Verlag: Magellan Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Stephanie Gessner wuchs in einem kleinen rheinlandpfälzischen Dorf umgeben von Wiesen und Wäldern auf. Schon als Kind sammelte sie schöne, seltsame und lustige Wörter und dachte sich damit Geschichten aus. Sie hat Literaturwissenschaften studiert, eine Zeit lang Reiseberichte für Zeitschriften verfasst und ist heute als Texterin tätig. Am liebsten schreibt sie Romane, Kurzgeschichten und Bilderbücher für Kinder. Sie lebt mit ihrer Familie in Mainz.
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Die geheimnisvolle Neue
»Mamaaa! Es sind nur DREI Tage!« Grace warf den Kopf zurück, um sich aus der Umklammerung ihrer Mutter zu befreien.
»Darling, versprich mir, dass du dich sofort meldest, wenn ihr angekommen seid«, jammerte diese und drückte ihre Tochter noch einmal fest.
Grace hasste es, wenn ihre Mum sie vor anderen Darling nannte. Aus gutem Grund. Es dauerte keine zwei Sekunden, bis Franz rief:
»Daaaaarling, ich glaube, dein Koffer zischt ab!«
Ringsum kicherten ein paar.
»Was?« Grace wirbelte herum. Tatsächlich. Ihr Koffer hatte sich selbstständig gemacht und rollte über den großen Parkplatz, auf dem die Klasse sich an diesem Morgen versammelt hatte. Aus dem Augenwinkel sah Grace Milenas spöttisches Grinsen. Mit erröteten Wangen hetzte sie dem Koffer hinterher. Kurz bevor er gegen den Bordstein knallte, stoppte ihr Klassenkamerad Rio ihn mit dem Fuß.
»Danke.« Grace lächelte Rio an.
»Alles gut.«
Rio hatte sich schon zu Hause von seinem Vater verabschiedet. Es hatte ihn einiges an Überredung gekostet, aber am Ende war er einverstanden gewesen und Rio erleichtert allein zum Treffpunkt gefahren. Nicht auszudenken, wenn die anderen seinen Vater gesehen hätten. Unter Garantie hätte es dann wieder Sprüche gehagelt. Nein, darauf konnte Rio verzichten. Es reichte schon, wenn sie ihn wegen seines Aussehens ärgerten. Nicht, dass sie es aus böser Absicht taten. Eher einfach so, zum Spaß. Falsch war es trotzdem.
»Du hast nur den Rucksack?«, fragte Grace. Sie überlegte, ob sie es mit dem Koffer vielleicht doch ein bisschen übertrieben hatte.
»Ich wusste nicht, was ich mitnehmen sollte«, sagte Rio und lachte verlegen.
Grace kicherte. »Das Problem hatte ich auch – aber es offenbar gaaaanz anders gelöst.«
Sie erreichten den Bus, dessen blitzsauberer silberner Lack in der herbstlichen Morgensonne glänzte. Er wirkte riesig, neu und topmodern. Der blaue Himmel über ihnen war durchzogen von schönen Wattebauschwolken. Es war einer dieser seltenen Herbsttage, die plötzlich noch einmal nach Sommer und Rosen rochen und an denen das Herz höherschlug, weil ausnahmsweise alles zu passen schien. Zufrieden registrierte Grace, dass ihre Mutter sich mit den Eltern der anderen Kinder unterhielt. Sie machte einen Bogen um die Erwachsenen und schob den Koffer zum Laderaum. Die Busfahrerin nahm ihn entgegen.
»Sag bloß, du hast deine Schulbücher mitgenommen«, stöhnte sie, als sie das Teil anhob.
»Nee niemals! Aber sorryyyyy.« Grace legte den Kopf schief und grinste. Sie sah auf ihr Handy. Es war kurz vor acht. Laut Plan starteten sie in wenigen Minuten in den Odenwald. Endlich! Seit Tagen hatte es in der 6G kein anderes Thema gegeben. Klassenfahrt!!! Das war bei Weitem besser als Unterricht und auch besser als die Konzerte irgendwo auswärts, die sie (das G stand für Gesang) als Musikprofilklasse öfters und meistens auch mit viel Spaß gaben. Man sah den Kindern die Aufregung und Vorfreude an, ihre Augen leuchteten bis zur Kirchturmspitze hinauf und wieder zurück. Und die miese Wettervorhersage war ihnen sowieso egal.
»Hauptsache, es schneit nicht«, rief Giovanni fröhlich.
»Wieso, Schnee ist doch cool«, erwiderte seine Schwester Giovanna. »Stellt euch vor, eine Nachtwanderung im Schnee …«, flüsterte sie.
»Jaaaaa!«, riefen ein paar, obwohl natürlich alle wussten, dass es um diese Jahreszeit niemals schneien würde.
»Oh, Mist, ich habe meine Taschenlampe vergessen«, jammerte Nik, was niemanden wunderte, weil er ständig seine Sachen vergaß oder verlor.
»Schaff dir endlich ein Smartphone an, dann hast du eine Taschenlampe«, sagte Milena, die immer ein bisschen zickig klang, auch wenn sie es vielleicht gar nicht so meinte.
Nik und Rio waren die Einzigen in der Klasse, die kein Smartphone hatten. Rio, weil sein Vater es für entbehrlich hielt, Nik, weil er seltsamerweise alte Handys cooler fand.
»Ihr werdet es auch irgendwann checken«, sagte Nik jetzt. »Mein Akku hält noch, wenn eure schon tausend Jahre den Geist aufgegeben haben.«
Franz zog ein flaches Gerät aus der Hosentasche. »Digga, mit meiner Powerbank kannst du einen Kühlschrank versorgen.«
»Aber was willst du unterwegs mit einem Kühlschrank? Der würde dich doch ganz schön aufhalten.« Nik lachte. Es schien ihm nichts auszumachen, dass die anderen ihn manchmal nicht ernst nahmen. Rio bewunderte ihn dafür. Ihm war die Meinung der anderen wichtig.
Grace quetschte sich zwischen Giovanna und Nik. »Wisst ihr schon, wer Frau Diebel ersetzt?«, fragte sie.
Frau Diebel, die Klassenlehrerin, hatte sich vor zwei Tagen den Fuß gebrochen. Ausgerechnet. Aber Herr Rosenkranz, der Na-Wi-Lehrer, der ebenfalls mit auf die Reise gehen würde, hatte bei der Seele seines verstorbenen Lieblingskaktus versprochen, dass er jemand anderen auftreiben würde.
»Hoffentlich nicht Bethmann«, sagte Franz finster. Mathelehrer Bethmann war nicht gerade beliebt bei der 6G.
»Quatsch. Es muss eine Frau sein«, erwiderte Grace.
Die anderen sahen sie an. »Wieso?«
»Weil. Ist vorgeschrieben. Weibliche und männliche Begleitung, wenn Mädchen und Jungen dabei sind.«
»Echt?« Giovanna nickte begeistert. »Nice.«
»Na klar, damit ihr Mädchen euch bei der Lehrerin ausheulen könnt«, rief Ali, der gerade dazugestoßen war, nachdem er seinen Rucksack im hohen Bogen in den Laderaum gepfeffert hatte.
Alle Jungs bis auf Rio und Mattis lachten.
»Mann, wie bescheuert ihr seid!«, sagte Grace verärgert und boxte Ali gegen die Schulter.
»Ja genau. Wer hat eigentlich gestern geheult, als er beim Weitsprung nicht Erster wurde?«, fragte Milena laut.
Alle sahen zu Giovanni, der rot wurde und zu Boden schaute. Es stimmte. Giovanni weinte öfters, wenn er hinter seinen eigenen sportlichen Erwartungen zurückblieb. Ali zog eine Grimasse. »Das ist doch was ganz anderes«, nahm er seinen Freund in Schutz. »Und außerdem …«, weiter kam Ali nicht, weil ihre Aufmerksamkeit auf eine Szene am Ende des Parkplatzes gelenkt wurde. Dort stieg Herr Rosenkranz aus seinem Fiat, der noch aus dem letzten Jahrhundert stammte, wie er immer wieder stolz betonte, ging um das Auto herum und öffnete in seiner übertrieben dramatischen Art die Beifahrertür.
Die Kinder reckten die Hälse. Schlagartig war es still. Sogar die Erwachsenen hörten auf zu plaudern.
Ein zierlicher Fuß in angesagten, neuen Sneakern wurde sichtbar und vor dem Fiat auf den Asphalt abgestellt, dann folgte ein zweiter.
»Wer ist es, wer ist es?«, zischte es aus mehreren Richtungen.
»Keine Ahnung, Rosenkrank versperrt den Blick«, antwortete Franz, der ganz vorne stand und sich breitmachte.
»So wie du«, antwortete Grace spitz.
Franz machte einen kleinen Schritt zur Seite und das Gleiche tat Herr Rosenkranz. Galant hielt er die Tür seiner rostigen Karre auf, während sich neben ihm eine Frau aufrichtete. Sie war jung und unglaublich hübsch, da waren sich Jungs wie Mädchen sofort einig. In ihrem kunstvoll geknoteten dunklen Haardutt steckten zwei dünne Stäbe.
»Pffffffffff …«, machte Ali.
»Kraaaass«, sagte Milena.
»Kann man damit essen?«, fragte Nik.
»Oder stricken?«, fragte Giovanna.
»Keine Ahnung«, erwiderte Grace. »Wer ist das?«, flüsterte sie.
Die anderen hoben ratlos die Schultern. In diesem Moment warf die Sonne ein paar Strahlen auf die Neuankömmlinge und es sah aus, als würden die beiden Stäbe in diesem Haarknoten glitzern.
»Ich habe sie schon im Lehrerzimmer gesehen«, sagte Rio. »Sie ist neu.«
»Sie soll Lehrerin sein?«
Bei den Erwachsenen lebten die Gespräche wieder auf, nur die 6G stand weiter erwartungsvoll da und schaute dem ungleichen Pärchen entgegen, das sich nun mit zwei Gepäckstücken auf sie zubewegte. Kein Zweifel, Herrn Rosenkranz war eine Überraschung gelungen.
»Abgefahren«, murmelte Nik.
»Vorsicht, dir läuft Sabber aus dem Mund!«, sagte Grace trocken.
Die Mädchen und Jungen lachten. Irritiert wischte sich Nik mit dem Handrücken über die Lippen, was die anderen erneut zum Kichern brachte.
»Darf ich vorstellen: Miyata Nagumi, unsere neue Referendarin«, sagte Herr Rosenkranz sichtbar stolz, als er und seine Begleitung schließlich bei den Kindern ankamen.
»Mayumi Nagata«, korrigierte die Referendarin lächelnd und deutete eine kleine Verbeugung an. Sie war nur wenig größer als die Kinder der 6G, sehr schlank, mit einem perfekt gezwirbelten, durch zwei Stäbe gehaltenen Knoten am Hinterkopf und einer so präzise...