Gerland / Knauf | Bildungsbereiche in der Kindheitspädagogik | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 234 Seiten

Gerland / Knauf Bildungsbereiche in der Kindheitspädagogik

Grundlagen - didaktische Impulse - Praxisbeispiele
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-17-044619-9
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Grundlagen - didaktische Impulse - Praxisbeispiele

E-Book, Deutsch, 234 Seiten

ISBN: 978-3-17-044619-9
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Bildungsbereiche sind ein zentraler Baustein des Bildungsauftrages von Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege, Grundschule und Hort. Mit ihnen werden die konkreten Erfahrungen, die Kinder in den verschiedenen Lebensbereichen und Wissensfeldern machen sollen, beschrieben. Damit bilden die Bildungsbereiche zugleich das Gerüst für die inhaltliche Gestaltung der pädagogischen Arbeit. Der Band gibt einen Überblick über die verschiedenen Bildungsbereiche. Dazu werden zu jedem Bereich theoretische und didaktische Grundlagen vorgestellt und anschließend anhand von alltagsintegrierten und projektorientierten Beispielen Umsetzungsmöglichkeiten verdeutlicht.

Dr. Juliane Gerland ist Professorin für Musikpädagogik mit dem Schwerpunkt sonderpädagogische Förderung & Inklusion an der Universität Münster. Dr. Helen Knauf ist Professorin für Kindheitspädagogik an der Hochschule Bielefeld.
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Weitere Infos & Material


Von Astronaut bis Zucchinipuffer.
Bildungsbereiche und ihr Potenzial zur Anregung vielfältiger Lerngelegenheiten


Juliane Gerland & Helen Knauf

1 Qualitäten des Phänomens Bildungsbereiche – Bildungsbereiche als analytische Kategorie?


Die Formulierung verschiedener Bildungsbereiche in der Kindheitspädagogik hat verschiedene Funktionen. Im Folgenden wird deutlich, dass sie zur Strukturierung der pädagogischen Arbeit dienen, sie können aber auch als kindheitspädagogische Ordnungsmuster verstanden werden. Sowohl im historischen als auch im internationalen Vergleich lassen sich unterschiedliche Vorläufer bzw. vergleichbare Strukturen erkennen. So orientierte sich die Pädagogik der frühen Kindheit in Deutschland vor dem »Gemeinsamen Rahmen« bzw. den Bildungsplänen der Bundesländer in der Hauptsache an den allgemeinen Zielsetzungen im SGB VIII, in vielen anderen Staaten gibt es ebenfalls Curricula, die sich entweder an inhaltlichen Sachbereichen (wie in Deutschland) oder an Auseinandersetzungsmodi (wie in Neuseeland) orientieren.

1.1 Bildungsbereiche als kindheitspädagogisches Ordnungsmuster


Frühstückszeit in der Kita. Neben Obst, Marmelade, Butter und Käse steht ein Brotkorb mit verschiedenen Brotsorten. Zwischen der pädagogischen Fachkraft Katharina und den beiden 5-jährigen Rafi und Alisia entspinnt sich eine Unterhaltung: »Rafi, welches Brot magst du am liebsten?« – »Das mit den Körnern drin, das ist so weich.« – »Stimmt, das mag ich auch gerne. Und du Alisia?« – »Ich mag lieber das Brot, das es zuhause gibt. Das ist ganz schön weiß und man kann sich einfach ein Stück abbrechen.« – »Aber man kann es nicht zusammenklappen«, sagt Rafi. »Kann man doch«, ruft Alisia empört. Katharina schlägt vor, dass Alisia mal ein Brot von zuhause mitbringt: »Und dann probieren wir, was man damit machen kann!«. An den nächsten Tagen bringen auch andere Kinder das Brot mit, das es bei ihnen zuhause gibt. Ein Kind bringt auch Kuchen mit, weil in der Familie gar kein Brot gegessen wird. So entstehen viele kleine Gespräche darüber, welche Brotsorten es gibt, wie man sie am besten isst und was Brot eigentlich ist. Die Kinder machen Fotos von den verschiedenen Arten von Brot und ihren Zubereitungsformen. Alisia erzählt, dass man »ihr« Brot ganz leicht selber backen kann; zusammen mit Katharina und zwei anderen Kindern probieren sie das aus. Sie gehen gemeinsam einkaufen, um die Zutaten für Alisias Rezept zu besorgen, wiegen ab, setzen den Teig an. Am Ende duftet es in der ganzen Kita verführerisch nach frisch gebackenem Brot, von dem nun viele Kinder kosten möchten.

Die Szene aus dem Kita-Alltag zeigt, auf welchen Pfaden sich Bildungsprozesse in den ersten sechs Lebensjahren vollziehen: In Gesprächen unter den Kindern und zwischen Kindern und Erwachsenen, durch Ausprobieren und Entdecken, durch Erfahrungen mit allen Sinnen. Vor allem knüpfen sie an den Alltagserfahrungen der Kinder an. Diese enge Verbindung zu den Alltagserfahrungen der Kinder führt auch dazu, dass in einzelnen Bildungssituationen unterschiedlichste Lebensbereiche angesprochen werden. In der oben beschriebenen Szene spielen sozio-kulturelle Erfahrungen und Zusammenhänge eine wichtige Rolle, wenn die Kinder die Arten und Verwendungsweisen von Brot in ihrer Familie einbringen. Auch geht es um Ernährung, um die Dokumentation mit Fotos (Medienbildung), um mathematische Bildung, wenn Zutaten eingekauft, bezahlt und abgemessen werden. Beim Backvorgang können chemische Prozesse beobachtet und erfahren werden (naturwissenschaftliche Bildung). Sicher würden sich hier noch weitere Anschlussmöglichkeiten finden, wie etwa Gesundheitsfragen, die Bedeutung von Brot in religiösen Zusammenhängen oder Darstellungen von Brot in Kinderbüchern. Das Zulassen und Fördern dieser vielfältigen Anschlüsse in Form von Bildungsbereichen sind typische Kennzeichen der kindheitspädagogischen Praxis. Deshalb sind sie im »Gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen« (KMK & JMFK, 2004/2022) verankert und in der Folge in den Bildungsplänen der 16 Bundesländer. Der »Gemeinsame Rahmen« gibt in seiner Fassung von 2022 sieben Bildungsbereiche vor:

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    Alltagsintegrierte sprachliche Bildung und Kommunikation

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    Personale, sozial-emotionale Entwicklung, Wertevermittlung, Religiosität, kultursensitive Kompetenzen

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    MINT: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik

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    Medien und digitale Bildung

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    Ästhetische Bildung

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    Körper, Bewegung, Gesundheit, Prävention

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    Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung

Die Bundesländer definieren zwar auf dieser Grundlage eigene Bildungsbereiche; das Prinzip der Bildungsbereiche wird dabei jedoch durchgängig umgesetzt: Ausgangspunkt ist eine ganzheitliche und inklusive Bildungsunterstützung aller Kinder (KMK & JMFK, 2004/2022, S. 8). Bildungsbereiche sollen ausgehend von den Erfahrungen der Kinder beschrieben werden, um so die Bildungs- und Erziehungsarbeit in Kindertageseinrichtungen konkretisieren, dokumentieren und analysieren zu können, ohne das Kind und seine individuellen Bildungsprozesse aus dem Blick zu verlieren. Vergleicht man die einzelnen Papiere der Bundesländer zur frühkindlichen Bildung untereinander und diese auch mit dem »Gemeinsamen Rahmen« wird deutlich, dass durch den »Gemeinsamen Rahmen« die wesentlichen Eckpunkte definiert sind. Ob die individuellen Ausbuchstabierungen auf Landesebene (und die hierfür aufgewendeten Ressourcen) einen tatsächlichen entsprechenden Mehrwert für die frühkindliche Bildung bedeuten, sei dahingestellt – insbesondere, da sich die Länder mit zwei Ausnahmen inhaltlich und strukturell sehr dicht am Rahmenpapier orientieren: Mecklenburg-Vorpommern übernimmt die Bildungsbereiche des »Gemeinsamen Rahmens« komplett und individualisiert sein Papier nur in den Einzelheiten der inhaltlichen Ausgestaltung, Baden-Württemberg wiederum orientiert sich an bestimmten kindlichen Entwicklungsfeldern und nicht zuvorderst an Sachbereichen.

Deutlich wird auch, dass sich zwei unterschiedliche Zieldimensionen in den Bildungsbereichen abbilden. Zum einen gibt es die Dimension des inhaltlichen Lerngegenstands, in der die Kinder fachspezifisches Wissen und entsprechende Kompetenzen erwerben. Zum anderen gibt es die Dimension eines indirekten Erziehungsziels, in der die Kinder sich mit bestimmten Werten und Normen auseinandersetzen. Prinzipiell sind beide Dimensionen in allen Bildungsbereichen erkennbar, sie sind jedoch nicht immer gleichermaßen präsent. So liegt der Fokus im Bildungsbereich MINT deutlich auf dem Erwerb von Wissen und Kompetenzen, im Bildungsbereich Personale, sozial-emotionale Entwicklung, Wertevermittlung, Religiosität, kultursensitive Kompetenzen steht eher die Auseinandersetzung mit Werten und Normen sowie die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit im Vordergrund. In anderen Bildungsbereichen, beispielsweise Ästhetische Bildung oder Medien und digitale Bildung, wirken die beiden Dimensionen in einem dynamischen Wechselspiel zusammen, abhängig von der jeweiligen Situation und den beteiligten Akteur*innen.

Im Zuge der Entwicklung von Curricula für die frühe Bildung in den 1990er und 2000er Jahren haben viele Länder nach Möglichkeiten gesucht, die Bildungsinhalte sinnvoll und dem Alter der Kinder entsprechend zu strukturieren. In Neuseeland entstand mit dem »Te Whariki« das erste Curriculum für die Zeit vor der Schule (May & Carr, 2016). Es diente als Impulsgeber und Vorbild für ähnliche Vorhaben weltweit. Dort jedoch hat man sich gegen eine inhaltliche bzw. domänenspezifische Struktur entschieden. Stattdessen charakterisieren insgesamt vier Prinzipien das »Te Whariki«, nämlich eine ganzheitliche Entwicklung, Stärkung, Beziehungen sowie Familie und Gemeinschaft (Ministry of Education, 2017). Außerdem werden fünf Stränge als wesentlich angesehen: Wohlergehen, Zugehörigkeit, Beitragen, Kommunikation und Exploration (Ministry of Education, 2017). Auch das schwedische Vorschul-Curriculum orientiert sich an Prinzipien, die das pädagogische Handeln prägen sollen, nämlich einer ganzheitlichen Sichtweise, dem Spiel als Grundlage von Entwicklung, an Lernen und Wohlbefinden, Kommunikation und Gestaltung sowie Nachhaltiger Entwicklung, Gesundheit und Wohlbefinden (Skolverket, 2019).

Andere Länder hingegen formulieren, ähnlich wie Deutschland, Bildungsbereiche. In Finnland beispielsweise werden die folgenden Lernbereiche (»learning areas«) definiert: Die reiche Welt der Sprachen, vielfältige Formen des Ausdrucks, Ich und unsere Gemeinschaft, Entdecken und Interagieren mit meiner Umgebung sowie Ich wachse, bewege und entwickle mich (Finish National Agency for Education, 2018). Außerdem werden im »National Core Curriculum for Early Childhood Education and Care«...


Dr. Juliane Gerland ist Professorin für Musikpädagogik mit dem Schwerpunkt sonderpädagogische Förderung & Inklusion an der Universität Münster. Dr. Helen Knauf ist Professorin für Kindheitspädagogik an der Hochschule Bielefeld.



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