Gerl | Die Spur des Terroristen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Gerl Die Spur des Terroristen

Kriminalroman
14001. Auflage 2014
ISBN: 978-3-95819-004-7
Verlag: Ullstein Midnight
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

ISBN: 978-3-95819-004-7
Verlag: Ullstein Midnight
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Deutschland wird von einer Anschlagserie heimgesucht. Alle Welt hält den konvertierten Muslim Karl Hausner, der sich zu den Taten bekennt, für den Schuldigen. Nur nicht Marc Bourée, ein Detektiv, der sich darauf spezialisiert hat, Menschen verschwinden zu lassen, und dessen letzter Klient eben jener Hausner war. Bourée glaubt, dass der biedere Familienvater nur als Strohmann dient und etwas ganz anderes hinter der Geschichte steckt. Bei der Suche nach dem wirklichen Attentäter gerät der Detektiv zwischen alle Fronten - und nur seine Exfreundin, die geradlinige Polizistin Julia Wehdau kann ihm helfen. Doch die will mit Bourée nichts mehr zu tun haben ...

Werner Gerl, geboren 1966 im niederbayerischen Mainburg, studierte Germanistik und Geschichte in Regensburg und lebt mit seiner Frau als Lehrer, Autor und Kabarettist in München. Er veröffentlichte als freier Journalist und Buchautor bereits zahlreiche Texte, hat sich in den letzten Jahren aber mehr auf Krimis verlegt und satirische bayerische Kurzkrimis ('Mordsgaudi') sowie die Roman-Reihe um die Münchner Kommissarin Tischler geschrieben ('Eine Art Serienmörder', 'Der Goldvogel'). Ferner ist er mit Kurzkrimis in diversen Anthologien vertreten und schreibt Theaterstücke. Werner Gerl ist Mitglied im Syndikat und Mitorganisator des Münchner Krimitags.
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1


Karl Hausner würde heute verschwinden. Für immer. Verschwinden wie der blaue Dunst einer handgerollten Zigarre und nicht einmal die Asche und der abgeleckte, zerbissene Stummel würden übrig bleiben, nur noch der kalte Rauch, der zäh in den alten Möbeln hängt. Ein letztes Mal würde er seine Frau sehen, seinem achtjährigen Sohn übers dichte schwarze Haar streichen und ihm eine Gutenacht-Geschichte erzählen. Ein letztes Mal würde er aus seinem geleasten 3-er BMW steigen, den er jeden Samstag auf Hochglanz polierte. Ein letztes Mal würde er Red Neck, seinen geliebten Golden Retriever, kraulen, ihm Bälle zuwerfen und ihn mit saftigen Fleischstücken füttern. Denn Karl Hausner würde sein bisheriges Leben ablegen wie einen alten Mantel und verschwinden. Er hatte es so gewollt. Und deshalb den richtigen Mann aufgesucht.

Dieser war jedoch an diesem so wichtigen Tag noch gezeichnet von der letzten Nacht. Der Alkohol brannte in seinen Adern und pulsierte in seinem Kopf, brodelte in seinen Gedärmen und vergiftete seinen Atem. Aber Marc Bourée brauchte diese Abstürze, zumindest hin und wieder. Sie kamen jäh und er konnte sich nicht dagegen wehren. Seit dem Entzug hatte er dem regelmäßigen Trinken abgeschworen, doch gelegentlich meldete sich die Sucht und verlangte Befriedigung.

Das Schlimmste an diesem Absturz waren aber nicht die Schmerzen, das Gefühl, im falschen Körper zu stecken. Das Schlimmste war, dass der Detektiv wieder einmal nach einer ausschweifenden, nachgerade dionysischen Nacht in einem fremden Bett aufgewacht war. Sibylle war wesentlich älter als er und alles andere als eine Heidi Klum, aber sie war kommunikativ und vor allem eindeutig nur auf ein Abenteuer aus, keine also, die ihn mit Anrufen terrorisieren oder ihm vorheulen würde, wie sehr sie in ihn verliebt sei. Die richtige Frau am richtigen Ort, einer einschlägigen Cocktail-Bar, die ausschließlich von Menschen aufgesucht wurde, die auf schnellen, unverbindlichen Sex aus waren, denen Swinger Clubs aber zu beliebig und prollig waren.

Bourée wachte also nach einem Auswärtsspiel auf und hatte keine Zeit, sich umzuziehen, schließlich hatte Hausner angekündigt, er würde um Punkt 8 Uhr bei ihm aufkreuzen. Und den besten Klienten konnte man nicht warten lassen, zumal er derzeit auch der einzige war. Mit zerzausten Haaren, unrasiert und vor allem mit verschwitzten Klamotten, in denen sich der Alkoholdunst hing, schlich sich Bourée in sein Büro.

Der Gang war noch finster. Erst in seinem Büro sah man, wie eine zaghafte Januarsonne die Nacht vertrieb und den Horizont in winterliches Grau tauchte. Marc atmete tief durch, um klarer im Kopf zu werden und das Gift aus dem Leib zu vertreiben. Dann ging er zu dem Wandschrank, nahm ein Aspirin, das zweite an diesem Morgen, warf es in ein Glas und löste es in frischem Leitungswasser auf.

Das Büro war angenehm still. Nur von der Straße drang etwas Motorenlärm herein. Susi Rebner war noch nicht da, was freilich ihren Gepflogenheiten entsprach, schließlich tauchte sie selten vor zehn Uhr auf. Sie und Marc teilten sich aus Kostengründen das Büro in der Nähe des Hohenzollernplatzes. Allerdings bedienten sie nicht dieselbe Klientel. Susi war Graphikerin und Illustratorin. Sie hatte sich auf Fantasy- und Gothic-Motive spezialisiert, was man ihr auch ansah. Ihre Businesskleidung bestand aus fingerlosen Spitzenhandschuhen und schwarzen Tüllröcken. Es gab auch Tage, an denen man glaubte, sie sei direkt einem Twilight-Film entstiegen.

Marc schaltete die Espresso-Maschine an. Sie würde sein bester Verbündeter an diesem Vormittag sein. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch, fuhr den Computer hoch und öffnete den Ordner »Hausner«. Bourée versuchte, die Stecknadeln aus seinem Kopf zu bekommen und sich auf das Treffen vorzubereiten. Also überflog er noch einmal alle Details, alle Absprachen und den bisherigen Verlauf der Geschäftsbeziehung.

Er erinnerte sich an das erste Mal, als Hausner in Marcs Detektei gekommen war. Die Plätze und Fußgängerzonen Münchens begannen gerade, nach Glühwein und heißen Maronen zu duften. Weihnachtsmusik verpestete die vollgestopften Kaufhäuser. An jenem Tag bestäubten die ersten Schneeflocken die Dächer Münchens, ohne liegen zu bleiben.

So kam auch Hausner mit einem Mantel in die Detektei, an dem zäh Wassertropfen in den Fasern hingen. Auf den ersten Blick war er kein außergewöhnlicher Klient. Sein Kopfhaar war bereits etwas licht, das saftige Schwarz wurde unweigerlich vom Grau des Alters überrollt. Seine Oberlippe zierte ein kurzgeschnittener, gepflegter Schnurrbart, wie man ihn heute nicht mehr allzu oft sieht. Er trug einen dicken Wintermantel und darunter einen Anzug von der Stange für maximal 200 Euro. Sein Hemd war um den Nabel herum straff gespannt von einem Wohlstandsbäuchlein. Sport schien Hausners Sache nicht zu sein, denn er schnaufte vom Treppensteigen wie ein Walross. Er wirkte blass und kränklich. Der Eindruck verflog auch nicht, als sich Hausner von der Strapaze des Treppensteigens erholt hatte.

»Das haben Sie inseriert, oder?« Der neue Klient legte ihm die Wochenendausgabe der Süddeutschen auf den Schreibtisch und deutete auf eine gelb markierte Anzeige. »Sie wollen verschwinden? Ein neues Leben beginnen? Weil Sie ein Stalker verfolgt oder die Mafia oder der Ex-Mann? Detektei Vanish.« Marc hatte lange über einen Namen für seine besondere Detektei nachgedacht und schon an lateinische Begriffe wie »Evanescunt« gedacht, was ihm dann aber zu behäbig und bildungsbürgerlich erschien. Modern klingendes, werbewirksames Englisch, das so ziemlich jeder verstand, der nicht die Schule nach der achten Klasse abgebrochen hatte, fand er passender, zumal das Vorbild für seine Dienstleistung aus Amerika stammte.

»Das habe ich inseriert«, bejahte Marc. »Sie wollen verschwinden?«

»Ja. Das heißt, ich will eigentlich nicht, aber ich muss«, sagte Hausner und wischte sich die schweißglänzende Stirn. »Ich halte es nicht mehr aus.«

»Was halten Sie nicht mehr aus? Oder wen?«

»Meine Frau.« Hausner hielt inne und blickte Bourée zögerlich an. Die Worte kamen ihm nur schwer über die Lippen. »Ich bitte Sie, nicht zu lachen und mich ernst zu nehmen.«

»Versprochen. Diskretion und Ernst sind mein zweiter und dritter Vorname.«

»Meine Frau«, Hausner zierte sich immer noch, »meine Frau schlägt mich.« Beschämt blickte er zu Boden, nachdem er endlich sein Problem gebeichtet hatte.

»Das ist in keiner Weise ehrenrührig«, sagte Bourée mit unbewegter Miene. Übertriebenes Verständnis oder gar Mitleid hielt er nicht für angebracht. Das brauchte sein Klient genauso wenig wie Spott, dachte er. »Sie sind keine Ausnahme. Auch wenn bei häuslicher Gewalt meist Männer die Täter sind, so gibt es ebenfalls rabiate Ehefrauen und Freundinnen. Einen ähnlichen Fall hatte ich letztes Jahr. Ich kann Ihnen aber versichern: Dem Mann konnte geholfen werden. Er führt jetzt ein neues Leben in Freiheit. Und niemand weiß, wo er sich befindet, nicht einmal ich.«

Das war zwar bestenfalls die halbe Wahrheit, doch Marc wollte gleich den Eindruck erwecken, er könne alle Probleme Hausners lösen. Tatsächlich hatte er im Jahr zuvor einem Mann beim Verschwinden geholfen, der von seiner verschwenderischen Frau die Nase voll hatte, eine Scheidung jedoch ablehnte, weil ihn die berechtigte Angst plagte, diese würde ihn ruinieren. Aber es gab keine Kinder, keine Schulden, keine Verpflichtungen, eine saubere Angelegenheit und absolut legal.

»Wieso lassen Sie sich nicht scheiden?«, fragte Bourée nach. »Das wäre doch die einfachere Lösung.«

»Meine Frau, sie heißt Seda, würde nicht zustimmen.«

»Das muss sie nicht unbedingt, vor allem wenn häusliche Gewalt nachweisbar ist.«

»Sie ist ja auch nicht das eigentliche Problem. Wissen Sie, Seda ist Kurdin. Und ihre Brüder jagen mir Angst ein. Gökhan und Mustafa sind gewalttätig. Richtig gewalttätig. Ich habe sie einmal erlebt, als sie einen Mann krankenhausreif geprügelt haben, nur weil sich der über das Kopftuch einer Türkin lustig gemacht hatte.«

Marc Bourée nickte. Viele seiner Klienten wollten verschwinden, weil sie Angst vor Gewalt hatten. Die brutalen Brüder waren allerdings eine Variante, die er noch nicht kennengelernt hatte.

»Und sie haben diesen steinzeitlichen Ehrbegriff!«, fuhr Hausner fort. »Familienehre! Würde ich mich scheiden lassen, würde ich die Ehre der Schwester beschmutzen. Und das könnte nur durch Blut abgewaschen werden.«

»Das klingt ein wenig überzogen, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf«, wandte Bourée ein.

»Es ist aber die Wahrheit!«, beschwor Hausner und beugte sich weiter nach vorne. »Sie müssen mir glauben!«

Der Detektiv stand auf und ging zu seinem kleinen Kühlschrank. Er entnahm eine Flasche stilles Wasser, holte zwei frische Gläser und setzte sich wieder. Dann schenkte er schweigend ein, ohne Hausner zu fragen, ob er durstig sei.

»Ich muss vieles, aber genau das nicht: Ihnen glauben!« Dann nahm er sein Glas und prostete Hausner zu, obwohl es nur Wasser war.

»Ich verstehe nicht«, stammelte Hausner und trank sein Glas in einem Zug leer. »Sie müssen doch auf der Seite Ihres Klienten stehen.«

»Das tue ich, aber ich muss mir sicher sein, dass ich ihm vertrauen kann. Und da werde ich bei Ihnen keine Ausnahme machen. Ich muss sowieso in Ihrem Privatleben stöbern, wenn ich Ihnen helfen soll, also werde ich auch einige Angaben nachprüfen. Das steht außer Diskussion.«

»Auf keinen Fall«, empörte sich Hausner.

...


Gerl, Werner
Werner Gerl, geboren 1966 im niederbayerischen Mainburg, studierte Germanistik und Geschichte in Regensburg und lebt mit seiner Frau als Lehrer, Autor und Kabarettist in München. Er veröffentlichte als freier Journalist und Buchautor bereits zahlreiche Texte, hat sich in den letzten Jahren aber mehr auf Krimis verlegt und satirische bayerische Kurzkrimis („Mordsgaudi“) sowie die Roman-Reihe um die Münchner Kommissarin Tischler geschrieben („Eine Art Serienmörder“, „Der Goldvogel“). Ferner ist er mit Kurzkrimis in diversen Anthologien vertreten und schreibt Theaterstücke. Werner Gerl ist Mitglied im Syndikat und Mitorganisator des Münchner Krimitags.



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