Gerhards Kulturelle Unterschiede in der Europäischen Union
2. Auflage 2006
ISBN: 978-3-531-90069-8
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Ein Vergleich zwischen Mitgliedsländern, Beitrittskandidaten und der Türkei
E-Book, Deutsch, 318 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-531-90069-8
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Die Europäische Union hat sich inneralb von wenigen Jahren von 15 auf 25 Mitgliedsländer erweitert und wird die Anzahl der Länder in den nächsten Jahren weiter ausdehnen.
Passen die neuen Länder kulturell zum Selbstverständnis der EU oder führt die Erweiterung zu einer kulturellen Überdehnung? Die Untersuchung beschreibt auf der Basis der Auswertung von Umfragedaten die kulturellen Unterschiede zwischen den Ländern und versucht, die Unterschiede in den Werteorientierungen der Bürger zu erklären.
Professor Dr. Jürgen Gerhards ist Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie am Institut für Soziologe der Freien Universität Berlin.
Michael Hölscher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig.
Zielgruppe
Professional/practitioner
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;6
2;1. Fragestellung und konzeptioneller Rahmen;8
2.1;1.1 Der Ausgangspunkt;8
2.2;1.2 Die Fragestellung;12
2.3;1.3 Der konzeptionelle Rahmen;17
2.4;1.4 Zur Methodik der Studie;44
2.5;1.5 Zusammenfassung;54
3;2. Religion im erweiterten Europa;55
3.1;2.1 Religionsvorstellungen der EU;57
3.2;2.2 Die Religionsorientierung der Burger;62
3.3;2.3 Klassifikation der Lander beziiglich ihres Religionsverstandnisses;81
3.4;2.4 Erklarung der Unterschiede im Religionsverstandnis;87
3.5;2.5 Zusammenfassung;97
4;3. Familien- und Geschlechtsrollenvorstellungen oder: Wer unterstiitzt die Emanzipation der Frauen;99
4.1;3.1 Familien- und GeschlechtsroUenvorstellungen der EU;101
4.2;3.2 Die Familien- und GeschlechtsroUenvorstellungen der Burger;107
4.3;3.3 Erklarung der Unterschiede in den Familien- und Geschlechtsrollenvorstellungen;114
4.4;3.4 Zusammenfassung;125
5;4. Wirtschaftsvorstellungen in der erweiterten EU;128
5.1;4.1 Die Wirtschaftsvorstellungen der EU;130
5.2;4.2 Die Einstellungen der Burger im Bereich der Okonomie;137
5.3;4.3 Klassifikation der Lander beziiglich ihrer Wirtschaftsvorstellungen;152
5.4;4.4 Erklarung der Unterschiede in den Wirtschaftseinstellungen;158
5.5;4.5 Zusammenfassung;169
6;5. Wohlf ahrtsstaatliche Ideen in der Europaischen Union;172
6.1;5.1 Wohlfahrtsstaatsvorstellungen der Europaischen Union;174
6.2;5.2 Die Einstellungen der Burger zum Wohlfahrtsstaat;180
6.3;5.4 Zusammenfassung;199
7;6. Demokratie und Zivilgesellschaft im erweiterten Europa;202
7.1;6.1 Demokratie als reprasentative Demokratie;203
7.2;6.2 Das Europa der Burger: Zivilgesellschaft;222
7.3;6.3 Ubereinstimmung der Lander mit den EU- Vorstellungen;239
8;7. Bilanz und Ausblick;247
9;8. Literatur;273
10;9. Verzeichnis der Tabellen und Grafiken;310
Fragestellung und konzeptioneller Rahmen.- Religion im erweiterten Europa.- Familien- und Geschlechtsrollenvorstellungen oder: Wer unterstützt die Emanzipation der Frauen.- Wirtschaftsvorstellungen in der erweiterten EU.- Wohlfahrtsstaatliche Ideen in der Europäischen Union.- Demokratie und Zivilgesellschaft im erweiterten Europa.- Bilanz und Ausblick.- Literatur.
5. Wohlfahrtsstaatliche Ideen in der Europäischen Union (S. 175-176)
Unter Wohlfahrtsstaat versteht man diejenigen staatlichen Interventionen und Maßnahmen, mit deren Hilfe zwei Ziele erreicht werden sollen: die Herstellung sozialer Sicherheit und die Verminderung von sozialer Ungleichheit. Wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen haben primär die Funktion, Dysfunktionen des Marktes zu kompensieren. In der sozialwissenschaftlichen Literatur besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass der „Sozialstaat eine institutionelle Anpassung an Modernisierungsprozesse darstellt, deren zentrale Elemente der demographische Wandel, die Industrialisierung und die Demokratisierung sind.
Sozialstaatliche Programme sind in dieser Perspektive Losungsversuche von im Modernisierungsprozess auftretenden Problemen" (Alber, Behrendt und Scholkopf 2001: 654f.). Durch die Trennung von Arbeit und Familie sind neue Risiken entstanden, deren Absicherung den Kern des Wohlfahrtsstaates ausmachen (Alber 1989: 30ff., Girvetz 1972). Hierzu zahlt insbesondere der Schutz vor den Folgen von Erwerbsunfähigkeit, etwa durch Alter oder Krankheit (Guillemard 2001:16418). Die Entwicklung des modernen Wohlfahrtsstaates beginnt am Ende des 19. Jahrhunderts mit der Einführung gesetzlicher Sozialversicherungssysteme in mehreren europäischen Ländern.
Der eigentliche Expansionsschub des Wohlfahrtsstaates findet in allen westlichen Ländern nach dem 2. Weltkrieg in den 50er und 60er Jahren statt, allerdings für die verschiedenen Länder auf einem unterschiedlichen Niveau. In der international vergleichenden Forschung gingen die ersten Ansatze von einer Konvergenzthese aus. Die zugrunde liegende Annahme war, dass sich mit der Steigerung der Wirtschaftskraft der Länder auch die Ausgaben für die soziale Sicherung erhöhen würden (Wilensky 1975). Weitere Forschungen haben aber gezeigt, dass sich sowohl die Intensität als auch die Extensität des Wohlfahrtsstaates (Roller 1992) in den verschiedenen Ländern, auch unabhängig von der Wirtschaftskraft, deutlich unterscheiden.
Um die Unterschiede der Wohlfahrtsstaaten zu beschreiben, sind verschiedene Typologien entwickelt worden. Am prominentesten ist in diesem Zusammenhang die Typologie von Gosta Esping-Andersen (1990), der drei verschiedene Wohlfahrtsstaatsmodelle unterscheidet. Er differenziert bekanntlich zwischen einem sozialdemokratischen (z. B. Schweden), einem konservativen (z. B. Deutschland oder Italien) und einem liberalen Regime (z. B. USA).2 Edeltraud Roller (2000a) knüpft in ihren Arbeiten an diese Modellvorstellungen an, entwickelt aber dann eine eigenständige Typologie, die sich für die Messung der Einstellungen der Burger zum Wohlfahrtsstaat bewahrt hat.
Roller unterscheidet vier verschiedene Modelle von Wohlfahrtsstaaten. Diese unterscheiden sich durch die Anzahl der Bereiche, die vom Staat per Interventionsmaßnahme geregelt werden, Dabei nimmt die Anzahl der Bereiche, die reguliert werden, von Modell zu Modell kontinuierlich zu: Das liberale Modell ist dadurch gekennzeichnet, dass der Staat allein die Verantwortung für die Sicherung des Einkommens in Risikofallen (Krankheit, Alter, Arbeitsunfähigkeit) übernimmt.