E-Book, Deutsch, Band 27, 108 Seiten
Reihe: edition pace
Gerhards / Bürger Pazifismus und Kriegsdienstverweigerung in der frühen Kirche
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7693-7287-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Eine Quellensammlung. Mit einer Einleitung von Konrad Lübbert
E-Book, Deutsch, Band 27, 108 Seiten
Reihe: edition pace
ISBN: 978-3-7693-7287-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die hier ohne Änderungen erneut edierte Quellensammlung "Pazifismus und Kriegsdienstverweigerung in der frühen Kirche" kursierte 1984 als Geheimtipp unter friedensbewegten Christenmenschen und wurde dann aufgrund der starken Nachfrage bis 1991 vom deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes in sechs Auflagen verbreitet, versehen mit einem Vorwort von Konrad Lübbert. Im einleitenden Teil erläuterte der Bearbeiter Thomas Gerhards vor vier Jahrzehnten seine Intention: "Eine der großen Fragen, mit denen ich mein Studium der Theologie begann, lautete: Wie kommt es, dass Christen, denen Jesus die völlige Gewaltlosigkeit vorlebte ..., nicht klarer gegen das immer erschreckendere Wettrüsten Stellung beziehen? Müsste seine Kirche die Haltung Jesu nicht deutlicher herausstellen? Ist, angesichts der heutigen Situation, die Kriegsdienstverweigerung für eine/n Christin/en nicht die notwendige Konsequenz? Ich entdeckte, dass die frühe Kirche viel entschlossener die gewaltlose Botschaft Jesu zu leben suchte. Aus zweijähriger Beschäftigung mit dem Thema erwuchs diese Quellensammlung, da ich immer wieder feststellte, wie ... unzureichend das Wissen um die Haltung der frühen Christen zu Krieg und Kriegsdienst war. - Die Dokumente aus den ersten drei Jahrhunderten des Christentums sind zu bedeutsam, als dass man sie - wie die herrschende Kirchenhistorie - mit wenigen Sätzen abtun und dann zum 'Gerechten Krieg' übergehen kann." edition pace. Regal: Pazifismus der frühen Kirche 2. Herausgegeben von Peter Bürger, in Kooperation mit: Internationaler Versöhnungsbund (deutscher Zweig), Lebenshaus Schwäbische Alb, Ökumenisches Institut für Friedenstheologie, Solidarische Kirche im Rheinland.
Thomas Gerhards (geboren 1959), Schreiner, Dipl.-Theologe und Sozialwissenschaftler. Studium in Bonn und Würzburg. Langjährige berufliche Tätigkeiten u.a. in der Erwachsenenbildung und der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit. - Seine kompakte Quellensammlung "Pazifismus und Kriegsdienstverweigerung in der frühen Kirche" erschien 1984-1991 wegen der großen Nachfrage in sechs Auflagen. Gegenwärtig ist er insbesondere bei Protesten und dem regelmäßigen Friedensgebet am Atomwaffenstandort Büchel engagiert.
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EINLEITUNG | 1984
„Wenn alle es machen würden wie die Christen“, so schrieb der Platoniker Celsus im dritten Jahrhundert kritisch über die Kriegsdienstverweigerung der Christen, „so wäre der Kaiser bald allein und vereinsamt, und die Dinge auf Erden würden in kurzem in die Hände der wildesten und abscheulichsten Barbaren geraten; darum sollten die Christen dem Kaiser den möglichsten Beistand gewähren, ihn in der Erfüllung der Obliegenheiten seines Amtes unterstützen, für ihn die Waffen tragen und, wenn die Not es fordert, für ihn zu Felde ziehen und seine Truppen anführen“. Auf diese sehr aktuell anmutende und oft in der Geschichte so oder leicht abgewandelt vorgetragene Argumentation für den Kriegsdienst antwortete derzeit der Christ Origenes im Blick auf sich und seine Glaubensbrüder: „Wir sind gekommen, den Ermahnungen Jesu gehorsam, die Schwerter zu zerbrechen, mit denen wir unsere Meinungen verfochten und unsere Gegner angriffen, und wir verwandeln die Speere, deren wird uns früher im Kampf bedient haben, in Pflugscharen; wir lernen nicht mehr, den Krieg zu führen, nachdem wir Kinder des Friedens geworden sind durch Jesus, der unser Führer anstelle der heimischen geworden ist.“ Die Argumente des Nicht-Christen Celsus haben sich über viele Jahrhunderte hinweg bei der Mehrheit der Christenheit durchgesetzt, nicht die Haltung des Christen Origenes. Wie kam es dazu? Origenes ruft die prophetische Verheißung des Alten Testamentes in Erinnerung, wie sie von Jesaja und Micha ausgesprochen wurde: „Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg.“ Heute stehen diese Worte auf dem Denkmal vor dem UNO-Gebäude in New York, und der Philosoph Ernst Bloch schreibt dazu: „Hier ist das Urmodell der pazifistischen Internationale“. In Jesus ist die Verheißung des alten Bundes zur Erfüllung gekommen, und Gott wird im Neuen Testament der „Gott des Friedens“ genannt. Jesus lehnte die Anwendung von Gewalt oder die Beteiligung daran ab und nahm, als er als Verbrecher am Kreuz hingerichtet wurde, lieber das eigene Leiden hin, als daß er es anderen zugefügt hätte. Die Aussagen der Bergpredigt, die er seinen Jüngern als Orientierung gegeben hatte, hatten eine nachhaltige Wirkung auf die frühe Kirche der ersten Jahrhunderte. Von den Christen der frühen Zeit ist keinerlei Beteiligung an gewaltsamen Handlungen überliefert; sie waren dagegen oft das Opfer von Gewalt, sie waren Verfolgung, Gefängnis, Folter und Tod ausgesetzt. Die Preisung der „Friedensmacher“ als Kinder Gottes durch Jesus prägte deutlich das Bewußtsein der Christen in den ersten Jahrhunderten der Kirche. Nicht nur der Beruf des Gladiators, des Astrologen oder der Prostituierten zählte damals zu den für Christen verbotenen Berufen, sondern ebenfalls der Beruf des Soldaten. Wer Christ ist, durfte nicht mehr Soldat werden – dies betonen eine Reihe von Kirchenvätern der damaligen Zeit. Das christliche Tötungsverbot spielte eine entscheidende Rolle bei der Verweigerung des Kriegsdienstes. Der Wandel trat ein, als sich die Machtverhältnisse im römischen Imperium änderten, als aus Diskriminierung und Verfolgung der Christen ihre Duldung und schließlich sogar ihre besondere Förderung wurde. Die erste große abendländische Synode der neuen Zeit, der konstantinischen Ära, die in Anwesenheit von Kaiser Konstantin 314 in Arles tagte, machte das Umschwenken der Kirche deutlich. Die Synode dekretierte zwar noch – „Mücken seihend und Kamele verschluckend“, wie man später feststellte, – in althergebrachter Weise, daß Wagenlenker und Schauspieler, solange sie ihre Beschäftigung nicht aufgäben, nicht Mitglieder der Kirche sein könnten; sie belegte jedoch plötzlich die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der höchsten Kirchenstrafe, nämlich der Exkommunikation. Die Kirche sah sich dem Imperium Caesaris verpflichtet. Rund hundert Jahre später schließlich, im Jahr 416 stellte eine Verordnung des Kaisers Theodosius II fest, daß Nichtchristen nicht nur vom höheren Verwaltungsdienst, sondern auch vom Kriegsdienst auszuschließen seien. Staat und Kirche hatten sich im engen Bündnis miteinander vereint. Die Christen galten als die sicheren Stützen der bestehenden Lebensordnung, und der christliche Glaube sollte zum Garanten für die Einheit des Reiches werden. Die Kirche andererseits delegierte die Verantwortung über Krieg und Frieden an die inzwischen „christlich“ gewordene Obrigkeit und suchte einen Ausgleich zwischen der bestehenden Lebensordnung des weltlichen Imperiums und dem unmittelbaren Anspruch der Bibel, indem sie die Lehre vom „gerechten Krieg“ aufnahm, von den Zwei Reichen oder von anderen Symbiose-Modellen zwischen geistlichem Anspruch und politischer Wirklichkeit. (Nur im Ausschluß der Priester vom Waffendienst und in einigen kirchlichen Subkulturen sowie später bei den Friedenskirchen blieb die Erinnerung an die ursprüngliche christliche Haltung bewahrt.) Im frühchristlichen und friedenskirchlichen Modell wird von den Christen die Teilnahme an den Strukturen der Macht und der Gewaltausübung verweigert und eine alternative Gemeinschaft aufgebaut, die unmittelbar von der Orientierung auf die Nachfolge Jesu lebt. Eine solche Gemeinschaft hat die Funktion des Salzes in der Gesellschaft, ihre politische Wirkung ist indirekter Art; sie wirkt nicht unmittelbar durch die gesellschaftlichen Institutionen oder ihre politischen Träger. Das großkirchliche Modell dagegen, das man auch das konstantinische nennen kann, sieht die Christen an den Hebeln der Macht. Es ist nicht das Modell der Verweigerung, sondern das der Teilnahme. Es wird dabei der Versuch gemacht, die Macht zu zähmen, damit sie in verantwortbarer Weise dem Willen Gottes gerecht wird. Auch innerhalb dieses Modelles werden zwar Grenzen für die Mitarbeit an der Macht gezogen, jenseits derer dem Christen der Widerstand geboten ist. Doch in der Praxis ist es weithin zur bloßen Anerkennung bestehender Machtverhältnisse und zu einer nachträglichen Rechtfertigung von Gewaltausübung geworden. Die bestehenden Herrschaftsverhältnisse und die exekutierende Gewalt, als Sonderbereich mit eigenen Gesetzen gegenüber dem unmittelbaren Herrschaftsbereich Gottes anerkannt, entwickelten ihre Eigengesetzlichkeiten. Im 19. Jahrhundert wurde statt vom Reich Gottes nur noch vom Reich gesprochen, anstatt von Kirchen und Christenheit sprach man von Volk und Nation, statt für die Ehre Gottes meinte man, für die Ehre der Nation kämpfen zu müssen, aus dem Heiligen wurde das Heilige Vaterland, und anstelle Gottes, des Vaters Jesu Christi, sprach man von dem Gott, der Eisen wachsen läßt. Die Aussagen christlichen Glaubens wurden voll absorbiert von säkularen Begriffen weltlicher Herrschaftsausübung. So endete das konstantinische Modell. Zwei Geschehen bilden den Schlußpunkt, der den Beginn des neuen Abschnittes dringend gemacht hat: Auschwitz und Hiroshima. Das eine Ausdruck eines menschverachtenden und brutalen Nationalismus, der sich auch zeitweilig noch eine christliche Verbrämung umhängte, das andere Ausdruck einer menschenverachtenden und massenvernichtenden Waffentechnik, die ebenfalls dem Namen „christlich“ verbunden war. (Manche Japaner nennen noch heute die Atombombe die „christliche Bombe“, weil sie von Christen entwickelt, von Christen gutgeheißen und von Christen eingesetzt wurde.) Das eine verdeutlicht, daß wir als Christen unsere politische Verantwortung nicht einfach zur Obrigkeit hin delegieren können, sondern daß die Gewissensentscheidung des einzelnen auch im politischen Raum unmittelbar gefordert ist. Das andere macht deutlich, daß die Theorien des „gerechten Krieges“ in sich selbst zerbrochen sind und daß kein Bereich mehr, auch nicht der von Waffenentwicklung und Krieg, von Christen als eigenständiger Sonderbereich neben oder außerhalb der Herrschaft Gottes anerkannt werden kann. 1948 auf der ersten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Amsterdam erklärten daher die versammelten Kirchen zum ersten Mal nach so vielen Jahrhunderten des Schweigens in dieser Sache, daß Krieg nach dem Willen Gottes nicht sein darf. Auch vom Vatikan wurden eindeutige Verdikte gegen den Krieg formuliert. Die Frage der Gewalt, der über lange Zeit nur wenig theologisches Interesse gegolten hatte, wurde – wohl aufgrund der immer bedrohlicheren Entwicklung der Gewalt in unserer Zeit – immer stärker als einer der nachhaltig und an zentralen Stellen der Bibel aufgeführten Begriffe entdeckt. Gewalt – so stellte man fest – wird vielfach in der Bibel geradezu als Synonym für Sünde genannt. Die Theologie entdeckte ebenso neu, daß der Friede, der so lange Zeit überhaupt nicht als besonderer „topos“ der theologischen Lehre vorgekommen war, einen zentralen Stellenwert in der biblischen Aussage hat. Diese neuen Einsichten in die biblischen Aussagen spiegeln ein anderes Bewußtsein heute wieder und wirken zugleich wieder prägend auf das Bewußtsein der Christen. Neue Herausforderungen an die persönliche Haltung...