Gercke | Im Angesicht der Lüge | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 9, 263 Seiten

Reihe: Ein Fall für Bella Block

Gercke Im Angesicht der Lüge

Ein Fall für Bella Block 9 | Ein neuer Fall für Deutschlands bekannteste Ermittlerin
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98952-830-7
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ein Fall für Bella Block 9 | Ein neuer Fall für Deutschlands bekannteste Ermittlerin

E-Book, Deutsch, Band 9, 263 Seiten

Reihe: Ein Fall für Bella Block

ISBN: 978-3-98952-830-7
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Der neunte Fall der Kultermittlerin Bella Block jetzt neu im eBook! Von Hamburg bis Odessa: Ein Wettlauf gegen die Zeit ... Die hartgesottene Hamburger Privatdetektivin Bella Block braucht nach Jahren im Job einen Tapetenwechsel - da kommt ihr das Angebot einer taffen Modeunternehmerin gerade recht, sie als Dolmetscherin nach Odessa zu begleiten. Doch kaum dort angekommen, wird Charlotte entführt: Bella gerät in einen Sog aus Intrigen und Machtkämpfen zwischen rivalisierenden Modedynastien und der russischen Mafia. Während Bella in dem brutalen Ringen um Einfluss versucht Oberwasser zu behalten, erhält sie Hilfe von unerwarteter Seite: der Turkmenin Tolgonai, die Rache geschworen hat für all die Entwürdigungen von Frauen in der Region. Gemeinsam mit ihrer ungewöhnlichen Mitstreiterin muss Bella alles riskieren, um die Wahrheit ans Licht zu bringen - und die Entführte zu retten ... Der neunte Fall der legendären Kommissarin Bella Block, der unabhängig gelesen werden kann - ein bitterböser Kriminalroman für die Fans von Simone Buchholz. In Band 10 ermittelt Bella Block in einem entsetzlichen Kindermord, bei dem nichts ist, wie es scheint ...

Doris Gercke, 1937 in Greifswald geboren, ist eine der bekanntesten Krimi-Autorinnen Deutschlands. Berühmt wurde sie durch ihre Reihe um die Kultermittlerin Bella Block, im ZDF verfilmt mit Hannelore Hoger in der Titelrolle. Auf der Criminale 2000 erhielt sie den »Ehrenglauser« für ihr Gesamtwerk. Doris Gercke lebt in Hamburg. Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre 17-teilige Reihe »Ein Fall für Bella Block«. Folgende Fälle sind als Hörbücher bei Saga Egmont erschienen: »Du musst hängen«, »Das lange Schweigen«, »Schlaf, Kindchen, schlaf« und »Das zweite Gesicht«.
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Kapitel 1


Unter dem Äussersten der weißen Sonnenschirme des Eiscafés, nur durch die Straße vom Platz vor der Odessaer Oper getrennt, sitzt ein Mann. Er trägt einen grauen Anzug, ein offenes Hemd und braune Schuhe ohne Strümpfe. Der Mann hat ein blasses Gesicht. Zwischen Nase und Mund wächst ein dünner, schwarzer Bart. Die Ärmel des Jacketts sind an den Handgelenken durchgescheuert. Der Mann ist der einzige Gast in dem Eiscafé. Die Kellnerin kommt heran. Er sieht ihr entgegen. Sie wendet sich um und geht zurück an das Büfett im Hintergrund. Sie wird ihn nicht nach seinen Wünschen fragen.

Der Mann sieht ruhig auf die Straße. Er beobachtet ein Auto, schwarzglänzend, mit silbernen Beschlägen. Das Auto rollt langsam heran und hält auf dem leeren, unteren Ende der Straße, in Höhe der weißen Schirme des Eiscafés. Der Fahrer steigt aus, öffnet die Tür hinter der Fahrertür und bleibt daneben stehen. Er nimmt die Mütze vom Kopf, hält sie sich vor die Brust und lächelt. Seine Mütze ist blau wie sein Anzug. Eine schmale, rot-goldene Litze blinkt über dem Mützenschirm und an den Ärmeln seiner Jacke. Es ist Mittag, Herbstmittag in Odessa, die Sonne wärmt den Mann unter den weißen Sonnenschirmen des Eiscafés, den glitzernden Chauffeur und das wunderschöne Mädchen, das zuerst langsam, zögernd ein schlankes, weißbestrumpftes Bein aus der geöffneten Autotür gestreckt hat und nun, schmal, in glänzender, weißer Seide, die eng am Körper liegt, neben dem Chauffeur steht, groß wie der Mann in der Livree, nur eben viel zarter, viel schöner. Beide, der Chauffeur und das Mädchen, sehen über das Dach des Wagens auf die andere Seite. Die Autotür ist von innen geöffnet worden. Schnell und ohne zu zögern steigt der junge Mann im schwarzen Anzug aus. Jetzt geht er um die Kühlerhaube des Wagens herum, der Chauffeur tritt zur Seite, lächelnd nimmt der Junge das weißseidene Mädchen am Arm, legt die Hand unter dessen rechten Ellenbogen und führt es über den leeren Bürgersteig. Am Rand, vor den weißen Schirmen, bleiben beide stehen, wenden sich um und sehen zurück auf die Straße. Auf dem Bürgersteig, in respektvollem Abstand, sammeln sich Männer, Frauen und Kinder, die die beiden betrachten. Die Menschen sprechen nicht, rufen nur manchmal ein Kind zurück, das der weißen Seide zu nahe gekommen ist.

So, in respektvollem Abstand umringt, von Stille umringt, steht das Paar und sieht den Wagen entgegen, die nun, einer nach dem anderen, heranrollen, auf der eben noch fast leeren Straße anhalten, im Rücken die prachtvolle Fassade des Operngebäudes. Männer in teuren Anzügen mit glitzernden Westen und schwarz-weißen Schuhen, dicke Männer mit roten Nacken und schwarzen Haaren, die ihre Zigarren auch im Auto nicht ausgehen ließen, steigen aus und kommen lachend heran. Frauen folgen ihnen, deren Kleider so kostbar sind, so leuchtende Farben, so raffinierte Schnitte haben, dass manche unter den Gaffern sich fragen mögen, wo gibt es diese Stoffe zu kaufen? Welches Schuhgeschäft bietet Schuhe an aus feinstem Schlangenleder, mit hohen Absätzen und Spangen über dem Spann? Wo kauft man solche Handtaschen, passend zu Kleid und Schuhen, an goldenen Ketten über den Schultern hängend, unter dem Arm zu tragen, mit passenden Puderdosen in ledergefütterten Klappen? Die werden jetzt aufgeschlagen, und in dem fröhlichen Kreis, der sich um das junge Paar gebildet hat, werden Nasen gepudert, zarte, junge und fleischige, alte, mit kostbaren, federleichten Quasten. Acht, neun Autos halten nun auf der Straße. Die Chauffeure stehen in einer Gruppe neben dem ersten Wagen, zünden sich Zigaretten an, stehen, die Arme über der Brust gekreuzt, beisammen und unterhalten sich.

In die Gruppe der Gaffer auf dem Bürgersteig ist Bewegung gekommen. Ein Fotograf ist aufgetaucht. Laut, mit rudernden Armbewegungen versucht er, die feine Gesellschaft zur Tür und auf die Stufen des weißen Gebäudes am Bürgersteig zu drängen. Da soll die Gesellschaft sich aufstellen; das junge Paar unten, neben ihm und auf der Treppe seine Gäste. Es dauert eine Weile, bis alle so stehen, dass sie ein hübsches Bild abgeben. Die Gaffer rücken näher heran.

Weg, ruft der Fotograf, zur Seite da!

Sie weichen ein wenig zur Seite. Der Fotograf dirigiert die Gruppe mit den Händen. Der Mann unter dem Sonnenschirm nimmt seine Aktentasche vom Boden und steht auf. Er wird näher herangehen müssen. Die vielen Gaffer verstellen seinen Blick. Er kann die Gruppe auf den Stufen von seinem Platz aus nicht mehr sehen. Auch die Kellnerin kommt aus dem Hintergrund nach vorn an den Rand der Straße. Sie sieht die vielen Menschen und den Mann im grauen Anzug, der sich langsam der Gruppe nähert. Sie sieht, dass er seine Tasche öffnet, seine Hand hineinsteckt und wieder herauszieht.

Ich weiß nicht, warum ich gerufen habe, wird sie später sagen. Sie beginnt zu schreien in demselben Augenblick, in dem der Mann im grauen Anzug über die Köpfe der Menge hinweg die Bombe in die glitzernde Gruppe auf den Treppenstufen wirft. Die Detonation ist so stark, dass in dem Haus, auf dessen Treppe die Gruppe stand, alle Scheiben bersten. Auch in den anderen Häusern in der Nähe splittert das Glas in den Fenstern. Es klirrt und scheppert, aber niemand hört darauf in diesem Augenblick. Wer noch etwas wahrnimmt, hört die Schreie der Verletzten. Wer noch etwas sieht, sieht die Glieder der Zerfetzten. Wer noch etwas will, will Hilfe.

Der Anblick eines zerfetzten, abgerissenen Beins, an dessen Fuß ein eleganter, unzerstörter Schuh merkwürdig obszön wirkte, und der Kommentar des Sprechers, der irgendetwas über »Mode« quasselte, waren der endgültige Anlass für Bella, das Fernsehgerät auszuschalten. Ihr Bedarf an Fetzen, gleich welcher Art, war nicht groß; genaugenommen war er gar nicht vorhanden.

Du bist harmoniesüchtig, Bella, dachte sie, während sie überlegte, ob sie in die Küche gehen und das Tablett mit Wodka und Orangensaft holen sollte, das Willi dorthin gestellt hatte, bevor sie gegangen war. Willi war gegangen und würde nicht wiederkommen.

Es war Nachmittag, Herbst, die Sonne schien ungewöhnlich warm. Es war unsinnig, so zu tun, als sei nichts geschehen. Willi hatte es vorgezogen, sich in die Arme eines verliebten Studenten zu stürzen. Obwohl das Leben mit Bella durchaus erotische Augenblicke gehabt hatte, war Willi die Liebe zu einem Jüngling am Ende verlockender erschienen. Genaugenommen hatte Bella sie zu dieser Entscheidung gezwungen. Ein paarmal war sie gemeinsam mit dem Jungen, der sinnigerweise Willi hieß, bei Bella erschienen. Bella hatte »Wilhelmina« sagen müssen, nur um zu vermeiden, dass sich zwei Köpfe gleichzeitig bewegten, vier Augen mit den gleichen erwartungsvollen Blicken ihr entgegensahen. Der Junge, Jurastudent, war ein freundlicher, sanfter Typ, Wilhelmina intellektuell hoffnungslos unterlegen, aber im Bett wahrscheinlich hemmungslos vor Lust, mit der ganzen Rücksichtslosigkeit des jungen Liebhabers. Wie und unter welchen Umständen die erste Begegnung zwischen den beiden stattgefunden hatte, erzählte Wilhelmina an einem Morgen, während Bella bald nicht mehr zuhörte, nur die im ersten Herbstnebel auf der Elbe laut werdenden Nebelhörner wahrnahm und zu verstehen begann, dass die Zeit mit Willi vorüber war. Zwei Wochen hatte sie gewartet mit dem letzten Gespräch. Ein wenig in der Hoffnung, Willi würde zur Besinnung kommen, hatte sie deren Versuch zugesehen, das Leben mit Bella in der gewohnten Form aufrechtzuerhalten und den Ansprüchen ihres Liebhabers und ihres Körpers gerecht zu werden. Dann hatte sie die Sache beendet. Während der junge Mann vor einer Kommission von ausgewachsenen Männern saß, die ihn mit Fragen einfachster Qualität (»Ist der Verteidiger als Organ der Rechtspflege anzusehen?«) in Verlegenheit zu bringen suchten, um ihn anschließend zu sich in die Gemeinschaft der Volljuristen zu erheben, saßen Bella und Willi sich zum letzten Mal in Bellas Arbeitszimmer gegenüber.

Wir werden unser Arbeitsverhältnis beenden, sagte Bella. Willi sah sie an. Ihrem Gesicht war anzusehen, dass sie verstanden hatte, worum es ging.

Besser, wir behalten uns in guter Erinnerung, sagte Bella.

Willi wäre nicht Willi gewesen, wenn sie kampflos aufgegeben hätte.

Ich hätte gern mit Ihnen geschlafen, sagte sie.

Einen Augenblick war Bella hilflos. Wie selbstverständlich sich jetzt dieser Satz anhörte, der so lange Zeit zwischen ihnen nicht gesagt worden war.

Ich weiß, sagte sie. Ich auch, wahrscheinlich.

Willi schwieg und sah vor sich auf den Boden.

Ich geh dann, sagte sie nach einer kleinen Pause.

Sie stand auf und ging in die Küche. Ihre abgetretenen Absätze knallten hart auf den Boden, während Bella sie hin und her gehen hörte. Sie wusste plötzlich, dass sie gerade dieses Knallen der Absätze vermissen würde.

Ich habe die Sachen auf das Tablett gestellt, sagte Willi. Sie stand in der Tür mit traurigem Gesicht, hielt den Kopf ein wenig schief, fragend, ein Bild des Jammers.

Danke, sagte Bella, auch für alles andere. Und viel Glück.

Ohne zu antworten, wandte Willi sich ab und verließ das Haus. Bella blieb im Sessel sitzen.

Später, als ihr klargeworden war, dass es wenig Sinn hatte, über Versäumnisse nachzudenken, die sich nicht mehr beheben ließen, hatte sie das Fernsehgerät eingeschaltet. Vielleicht hätte sie sich gezwungen, den Bildern aus Odessa mehr Aufmerksamkeit zu schenken, wenn sie gewusst hätte, dass sie selbst in ein paar Tagen dort sein würde. Aber sie wusste es nicht. Sie ging in die Küche, trug das Tablett mit Wodka und Orangensaft zum Sessel am Fenster und fing an, sich langsam und systematisch zu betrinken. Gegen Abend begann das Telefon zu läuten. Sie nahm den Hörer nicht ab. Irgendjemand...



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