E-Book, Deutsch, Band 2, 344 Seiten
Reihe: Milena-Proháska-Krimi
Gercke Beringers Auftrag
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7099-3756-3
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Milena-Proháska-Krimi
E-Book, Deutsch, Band 2, 344 Seiten
Reihe: Milena-Proháska-Krimi
ISBN: 978-3-7099-3756-3
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Russisches Roulette in Kaliningrad: Zerreißprobe für ein abgründiges Ermittlertrio.
Ermittlungen im babylonischen Moloch
Der Ex-Kommissar Beringer hat genug: Um seiner komplizierten Beziehung mit Geschäfts- und Lebenspartnerin Milena zu entfliehen, nimmt er ein Angebot in Kaliningrad an. Vor Ort soll er in Sicherheitsfragen für deutsche Investoren recherchieren. Doch eine kriminelle Liga aus Wirtschaft, Militär und Unterwelt hält die Stadt fest in ihrer Hand: Korruption und Verbrechen stehen an der Tagesordnung, ein Menschenleben ist hier nicht viel wert. Kann Beringer den hiesigen Behörden, mit denen er zusammenarbeiten soll, überhaupt vertrauen?
Dubiose Verstrickungen zwischen deutscher Hansemetropole und russischer Exklave
In Hamburg sucht die eigenwilligen Ermittlungsmethoden nicht abgeneigte Rechtsanwältin Milena bei einem anrüchigen Abenteuer der besonderen Art nach Ablenkung von Beringer. Doch die Liaison droht sich wie eine Schlinge um ihren Hals zu legen: Ist sie in eine Falle getappt? Und welche Rolle spielt der zwielichtige Dr. Usbeck dabei? Der scheint sowohl in Hamburg als auch in Kaliningrad zu operieren ... Das außergewöhnliche Ermittlertrio Milena, Beringer und Ronny wird in seinem zweiten Fall auf eine harte Bewährungsprobe gestellt: Können sie den Gefahren einer Welt rücksichtsloser Verbrecher entkommen?
Kritisch und mitreißend zugleich - Doris Gercke schafft das scheinbar Unmögliche
Ein schonungsloser Blick auf die Missstände der Gesellschaft und politische Intrigen, dazu eine Prise verhängnisvolle Erotik. Doris Gercke legt einen spannenden und anspruchsvollen Kriminalroman vor, der den Finger in die Wunden unserer Zeit legt und dabei wunderbar aufregend ist. Unwiderstehlich intelligente Unterhaltung!
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. Beringer * Milena
An dem Morgen, als Beringer beschloss, die Geschichte mit Milena zu beenden, geschahen ein paar Dinge, die ihn daran hinderten, seinen Entschluss sofort in die Tat umzusetzen. Ein Müllwagen beschädigte das Gartentor, für dessen Reparatur wohl die Stadtverwaltung aufkommen würde, das aber, weil es hundert Jahre alt und sehr schön gewesen war, in Wirklichkeit für immer zerstört sein würde. Und Milena, die sich angewöhnt hatte, vor der Öffnung ihres Büros zu ihm zu kommen, um mit ihm gemeinsam zu frühstücken und eine Arbeitsbesprechung abzuhalten, kam nicht. Erst später geschah die Sache mit Walter. Dem rückwärtsfahrenden Müllwagen hatte Beringer, noch in Schlafanzug und Morgenrock, von der verglasten Veranda aus zugesehen. Dort hatte die Zugehfrau am Abend zuvor den Frühstückstisch für Milena und ihn gedeckt. Er war im Begriff gewesen, Milenas Gedeck zu entfernen, als das Malheur geschah. Ihm war klar, dass er hinauslaufen und mit dem Fahrer sprechen musste, obwohl er nichts mehr ändern konnte. Und er ahnte, dass er, in Schlafanzug und Morgenrock und mit ledernen Pantoffeln an den Füßen, von dem Fahrer des Müllwagens nicht besonders ernst genommen werden würde. Er lief dann doch hinaus, das rechte Bein ein wenig nachziehend, das passierte stärker, wenn er in Eile war, notierte sich die Nummer des Müllwagens und ging wieder ins Haus. Der Fahrer war nicht einmal aus seiner Kabine geklettert. Voller Wut trug Beringer das für Milena bereitgestellte Frühstücksgeschirr zurück in die Küche und kam sich dabei lächerlich vor. Einen Augenblick lang gab er dem ungehörigen Benehmen des Fahrers die Schuld, aber schon, während er neben der Kaffeemaschine stand und zusah, wie der Kaffee durch den Filter lief, waren seine Gedanken wieder bei Milena. Ihm war klar, dass er sie nicht länger ertrug. Sie mussten sich trennen, je schneller, desto besser. Aber wenn er genauer überlegte, sich intensiv mit der kurzen Geschichte ihres Zusammenseins auseinandersetzte, war da immer so etwas wie Erstaunen. Wie war es möglich gewesen, nichts ahnend ein Verhältnis zu beginnen, das so schnell beendet werden sollte? Was war der wirkliche, der eigentliche Grund dafür, dass er bereits aggressiv wurde, wenn er Milenas Schritte hörte, er, der noch vor wenigen Monaten geglaubt hatte, durch sie aus einer unerträglichen Phase der Depression erlöst worden zu sein? Jawohl, erlöst. Er erinnerte sich gut, nur zu gut, an die ersten Male ihres körperlichen Zusammenseins, an Milenas Hemmungslosigkeit, ihre direkte Art, Lust hervorzurufen und Befriedigung zu finden. Er hatte es sich am Anfang nicht eingestehen wollen, aber sehr bald gespürt, wie sie ihn mitgerissen hatte. Gemeinsam hatten sie in Frankreich Keizer zur Strecke gebracht, den Mann, dem er sein steifes Knie und seinen vorzeitigen Abschied aus einer erstaunlichen Polizeikarriere verdankte. Mit Milena hatte er sich gesund und stark gefühlt. Er war es gewesen, der ihr vorgeschlagen hatte, ein gemeinsames Anwalts- und Detektivbüro aufzumachen. Er erinnerte sich genau, dass sie am Anfang von seiner Idee nicht nur begeistert gewesen war. Nach ein paar heißen und hemmungslosen Tagen in Frankreich waren sie gemeinsam nach Deutschland zurückgekehrt. Milena war mit ihrer Tochter in das inzwischen leer stehende Haus ihrer Eltern gezogen. Die waren nach Prag zurückgegangen und hatten sich von dort aus zufrieden geäußert, als sie erfuhren, dass Milena erneut ihre Zulassung als Anwältin beantragt und erhalten hatte. Er, Beringer, brauchte keine Zulassung. Er brauchte nur einen Gewerbeschein, den sich jeder für wenig Geld bei der dafür eingerichteten Stelle holen konnte. Er erinnerte sich gut daran, dass ihn die anstandslos erteilte Genehmigung, ein Gewerbe als Detektiv ausüben zu dürfen, eine Weile beschäftigt hatte. Würde denn seine Arbeit so wenig wert sein, dass sie jeder ausführen könnte? Natürlich war es Milena gewesen, ihre Zuversicht auf den Erfolg ihrer gemeinsamen Arbeit, ihre Bewunderung für seine Erfahrungen in der Polizeiarbeit, auch ihre Rücksichtslosigkeit auf seinen noch immer angeschlagenen gesundheitlichen Zustand, wenn sie mit ihm ins Bett wollte, die ihm über diese Grübeleien hinweggeholfen hatte. Milena, Milena, Milena. Sie hatten sich darauf geeinigt, ihr gemeinsames Büro in Beringers alter Villa einzurichten. Sein Haus lag zentraler als ihres. Für ihn würde die Arbeit so bequemer sein. Außerdem war die Beringer-Villa repräsentativ. Das alles hatte sich ziemlich schnell bezahlt gemacht. In dem Jahr, in dem sie zusammenarbeiteten, waren ihnen so viele interessante und lukrative Fälle angetragen worden, dass sie ihre Mandanten aussuchen konnten. Zweimal war Milena inzwischen als Verteidigerin in Aufsehen erregenden Strafprozessen aufgetreten. Sie hatte den Freispruch für eine Frau erreicht, die ihr Kind zu Tode misshandelt haben sollte. Die Vorverurteilung der Frau durch die Öffentlichkeit war umfassend gewesen. Seiner, Beringers, Ermittlungsarbeit hatte Milena ihren Prozesserfolg zu verdanken gehabt. Sie hatten gut zusammengearbeitet; jedenfalls war das Milenas Ansicht gewesen. Ihn selbst hatte sehr bald ein merkwürdiges Gefühl der Unzufriedenheit beschlichen, von dem er am Anfang nicht gewusst hatte, wodurch es begründet wurde. Das war ihm erst später klar geworden, bei der Arbeit an einem Fall, der mit Drogenkonsum zusammenhing. Ihr Mandant war angeklagt, im Rausch seine Freundin getötet zu haben. Natürlich war es selbstverständlich, dass Milena als Verteidigerin auf der Seite des Mannes stand und dass sie von ihm, Beringer, erwartete, entlastendes Material zu finden. Er war ja auch bereit dazu gewesen. Aber während er Recherchen anstellte, Nachbarn befragte, von ehemaligen Kollegen Informationen einholte, hatte sich bei ihm mehr und mehr das Gefühl eingestellt, als sei er ein Teil des unerfreulichen Milieus, in dem sich Milenas Mandant bis vor Kurzem bewegt hatte. Und nicht nur er, nein, auch Milena schien ihm plötzlich in seinen eigenen Augen an Ansehen zu verlieren. Wer waren sie denn? Kleine, von einem Verdächtigen mit viel Geld aus undurchsichtigen Quellen bezahlte Handlanger? Menschen, die ihre Fähigkeiten dazu benutzten, Mitgliedern der Gesellschaft zu helfen, die er, Beringer, lieber nicht kennengelernt hätte. Was taten sie anderes als jene sogenannten Star-Anwälte, die von aller Welt, jedenfalls von der Welt, der er bisher angehört hatte, als Teil des kriminellen Milieus angesehen wurden, das sie zu bekämpfen öffentlich und laut vorgaben? Von solchen Überlegungen, die ihn zu quälen begannen, bis dahin, Milenas hemmungslose Lust auf Sex, an der er am Anfang so deutlich Gefallen gefunden hatte, mit dem Milieu in Verbindung zu bringen, das er mehr und mehr zu verabscheuen meinte, war es nur noch ein kurzer Weg. Aber da war noch etwas anderes, das ihm, wenn er sich selbst gegenüber aufrichtig gewesen wäre, hätte bewusst werden müssen. Beringers Familie hatte, seit sie vor 250 Jahren aus Frankreich vertrieben worden war und sich in Preußen niedergelassen hatte, immer dem Staat gedient. Der Staat war den Hugenotten damals freundlich entgegengekommen. Und weder er noch seine Väter und Vorväter hatten später einen Grund gehabt, dem Staat gegenüber ablehnend zu sein. Im Gegenteil: Auch wenn Beringer sich, anders als vielleicht noch die Generationen vor ihm, nicht mehr als Teil des Staates begriff, so war doch das Gefühl, eine Macht im Rücken zu haben, auf die man sich im Notfall verlassen konnte, immer ein besonderes Gefühl gewesen, das ihn aus der Masse herausgehoben und vielleicht seiner Arbeit einen besonderen Sinn, seinem Leben eine besondere Festigkeit gegeben hatte. Ja, Festigkeit, das war durchaus das richtige Wort. Er aber hatte diesen Rückhalt freiwillig aufgegeben, als er seinen Dienst aufgekündigt hatte. Er hatte damals die Festigkeit, die er brauchte, in sich selbst gehabt; in seinem Hass gegen Keizer und in dem unbedingten Willen, ihn zur Strecke zu bringen. Dann, nachdem er sein Ziel erreicht hatte, war Milena über ihn gekommen. Und mit ihr alles Hemmungslose, Weiche, Uneingegrenzte, alles, was er in Wirklichkeit als kriminell empfand, unabhängig davon, ob es das war oder nicht. *** Auch als Waller Minister gewesen war, hatte er seine Wohnung in einem abseits liegenden Stadtteil beibehalten. Er blieb dort, wo er geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen war. Verwurzelt sein machte sich gut in der Politik. Und es war sicher nur ein Zufall, dass die wichtigen Leute der Partei, denen Waller sein Ministeramt verdankte, aus demselben Stadtteil gekommen waren. Waller war nie ein Mensch für Empfänge und Partys gewesen. Deshalb war die Vierzimmerwohnung, die er von der Baugesellschaft gemietet hatte, deren Häuser seit hundert Jahren zum Stadtbild von Wallers Wohngegend gehörten, wie die alte Fachwerkkirche und das Schloss, für ihn immer groß genug gewesen. Dass die Chefs der Baugesellschaft derselben Partei angehörten wie Waller, war nur ein Zufall. Dass Wallers Wohnung an diesem Morgen einen, sagen wir vorsichtig, ein wenig heruntergekommenen Eindruck machte, war keiner; jedenfalls dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass Wohnungen so etwas sein können wie ein Spiegelbild derer, die darin wohnen. Waller war heruntergekommen. Daran hatte zumindest er selbst keinen Zweifel. Der strenge Geruch, der, aus welchen Gründen auch immer, vielen Junggesellenwohnungen anhaftet, war auch in Wallers Wohnung vorhanden. Seine Putzfrau kam einmal in der Woche. Sie hatte es bisher nicht fertiggebracht, den Geruch länger als zwei Tage nach der Beendigung ihrer Arbeit aus den Räumen fern zu halten. Waller schien gegenüber Gerüchen unempfindlich zu sein. Ein kluger Kopf, aber unempfindlich...