E-Book, Deutsch, Band 5, 130 Seiten
Reihe: Linguistik und Schule
Geilfuß-Wolfgang / Ponitka Der einfache Satz
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-8233-0247-6
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 5, 130 Seiten
Reihe: Linguistik und Schule
ISBN: 978-3-8233-0247-6
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jochen Geilfuß-Wolfgang lehrt Sprachwissenschaft des Deutschen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sandra Ponitka ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Fachdidaktik Deutsch an der Universität Leipzig.
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2.3 Eigenschaften syntaktischer Wörter
Machen wir ein kleines Experiment, das aus einem Grammatik-Kurs für Klasse 4 stammt (Kluge und Sennlaub 1996, 3). Die Aufgabe besteht darin, den folgenden Text in normaler Schreibschrift mit der richtigen Groß- und Kleinschreibung abzuschreiben; lesen Sie bitte erst weiter, wenn Sie das getan haben.
Wir gehen davon aus, dass Sie die Wörter , und kleingeschrieben haben, doch warum? Für die Groß- und Kleinschreibung gilt es, die syntaktische Wortart eines Wortes zu bestimmen. Dafür kann man verschiedene Arten von Erkennungsmerkmalen nutzen. Bei Fantasiewörtern kann die Bedeutung für die Bestimmung der Wortart nicht genutzt werden, aber stattdessen kann man zwei andere Arten von Erkennungsmerkmalen nutzen, und zwar die morphologischen Eigenschaften der Wörter und ihr syntaktisches Verhalten. Bei den morphologischen Eigenschaften ist zwischen Wortbildung und Flexion zu unterscheiden; typische Wortbildungssuffixe sind und bei Nomen (, ), - und bei Adjektiven (, ), bei Verben () und bei Adverbien (). In den drei Wörtern , und können die drei Verbflexionsendungen -, - und - identifiziert werden. Das heißt, die drei Wörter , und werden wie finite Verben flektiert und sie kongruieren auch, wie es im Deutschen erforderlich ist, mit den drei Subjekten , und . Sie werden aber nicht nur wie finite Verben flektiert, sondern sie stehen auch dort, wo finite Verben in solchen Sätzen zu stehen haben, und zwar in der zweiten Satzposition; die erste Satzposition, das Vorfeld (dazu mehr in Kap. 4), wird von den Wortfolgen , und besetzt.1
2.3.1 Morphologische Eigenschaften
Oft ist es möglich, die syntaktischen Wörter mithilfe ihrer Flexionsmerkmale zu bestimmen. Nomen, Pronomen, Artikelwörter und Verben treten in Sätzen immer flektiert auf, wobei es zu beachten gilt, dass auch infinite Verben wie , oder als flektiert zählen. Nomen, Pronomen und Artikelwörter sind nach Kasus, Numerus und Genus flektiert (wobei das Genus bei Nomen kein Flexionsmerkmal ist, sondern fest), finite Verben nach Person, Numerus, Tempus und Modus (wobei Imperativformen kein Tempusmerkmal haben) und infinite Verben zeichnen sich durch eine Art verbalen Kasus aus, den man Bech (1983) folgend als Status bezeichnen kann.
Kasus — Nominativ (Nom), Genitiv (Gen), Dativ (Dat), Akkusativ (Akk)
Numerus — Singular (Sg), Plural (Pl)
Genus — Femininum (Fem), Maskulinum (Mask), Neutrum (Neut)
Person — 1, 2, 3
Tempus — Präsens (Präs), Präteritum (Prät)
Modus — Indikativ (Ind), Konjunktiv (Konj), Imperativ (Imp)
Status — Infinitiv (Inf), zu-Infinitiv (zu-Inf), Partizip 2 (Pt2)1
Adjektive sind im Deutschen hinsichtlich ihrer Flexion ein etwas schwierigerer Fall. Sie treten in Sätzen oft flektiert auf wie in (9a), aber auch unflektiert wie in (9b–c). Deshalb ist es bei Adjektiven wichtig, zwischen flektiert und flektierbar und zwischen syntaktischem und lexikalischem Wort zu unterscheiden: Das syntaktische Wort in (9b–c) ist nicht flektiert, das dazugehörige lexikalische Wort LANGSAM ist aber flektierbar. Die drei Verwendungsweisen der Adjektive in (9) werden nach der syntaktischen Funktion unterschieden (Genaueres dazu in Kap. 5).
Die Adjektive werden im Deutschen nur flektiert, wenn sie als Attribute fungieren, als Prädikative und Adverbiale werden sie nicht flektiert. Von den drei Flexionsmerkmalen Kasus, Genus und Numerus zu unterscheiden ist zum einen die Komparation der Adjektive, da die Adjektive auch bei prädikativem und adverbialem Gebrauch immer ein Komparationsmerkmal haben (Positiv als Grundform, Komparativ oder Superlativ)2, und zum anderen die Eigenschaft, dass die Flexion der attributiven Adjektive von der syntaktischen Umgebung abhängt. Geht dem attributiven Adjektiv ein Artikelwort mit einer Flexionsendung voran wie oder , wird es schwach flektiert, sonst stark.
Dass die Adjektive beim adverbialen Gebrauch nicht flektiert sind, führt bei der Wortartbestimmung zu Unsicherheiten, da schwer zu erkennen ist, ob es sich um ein Adjektiv handelt oder um ein Adverb. Denn in derselben syntaktischen Position können auch Adverbien wie stehen: . Ein Argument dafür, in (9c) als Adjektiv zu kategorisieren, ist die Komparation, das Adjektiv könnte auch im Komparativ oder Superlativ stehen: Große Probleme wirft stets auch die Unterscheidung zwischen Nomen, Pronomen und Artikelwörtern auf. Der Unterschied zwischen Artikelwörtern und Pronomen wird traditionell so beschrieben, dass Artikelwörter Begleiter von Nomen sind und Pronomen Stellvertreter von Nomen, doch es wird nur selten genauer gesagt, was darunter zu verstehen sein soll. Begleiter verstehen wir so, dass das Artikelwort immer mit einem Nomen auftritt, mit dem es in Kasus, Numerus und Genus übereinstimmt; solche Merkmalsübereinstimmungen nennt man Kongruenz. In (11a) kongruiert mit , doch im ungrammatischen Satz (11b) kongruiert nicht mit , weil das Genus Femininum hat, aber das Genus Neutrum. Das Wort kann im grammatischen Satz (11c) daher auch kein Artikelwort sein, sondern ist ein Pronomen, es steht im Genitiv und nicht wie das Nomen im Nominativ.
Diese enge Verbindung zwischen dem Artikelwort und dem zugehörigen Nomen führt dazu, dass sie eine größere syntaktische Einheit bilden, eine Phrase, und die Artikelwörter bilden den linken Rand dieser Phrasen (auf die Phrasen kommen wir noch ausführlicher in Kap. 3 zu sprechen). Aufgrund ihrer Position am linken Rand stehen sie oft nicht direkt vor dem zugehörigen Nomen, sondern sind durch Attribute von ihm getrennt. So stehen in (12a–b) zwischen den kursiv markierten Artikelwörtern und Nomen die Attribute und .
Beispiele wie (13a), in denen ein Artikelwort scheinbar ohne Nomen auftritt, lassen sich so beschreiben, dass syntaktisch gesehen durchaus ein Nomen vorhanden ist, dieses Nomen aber bei der Äußerung des Satzes weggelassen wird; diese Ellipsen kann man wie in (13b) markieren.3
Wir fassen hier die Klasse der Artikelwörter sehr weit und zählen nicht nur Artikel wie und , sondern auch Wörter wie , , , , , und dazu, wenn sie denn mit einem Nomen kombiniert sind. Anders als bei den Adjektiven gibt es bei ihnen keinen Unterschied zwischen starker und schwacher Flexion und es kann, von gewissen Ausnahmen abgesehen, nur ein Artikelwort pro Nominalphrase auftreten (, , , aber *).
Die Pronomen klassifizieren wir wie viele andere Grammatiken auch als eigene Wortart. Pronomen können aber wie Nomen den Kopf einer Nominalphrase bilden. Deshalb können sie anstelle von Nomen auftreten und sie gewissermaßen vertreten.
Wenn man zwischen Artikelwörtern als Begleiter von Nomen und Pronomen als Vertreter von Nomen unterscheidet, muss man prüfen, ob das betreffende Wort mit einem Nomen kombiniert ist oder nicht. In (14a–b) sind und nicht mit einem Nomen kombiniert und als Pronomen zu klassifizieren. In (14c–d) hingegen ist mit dem Nomen und mit dem Nomen kombiniert, sie sind deshalb Artikelwörter.
2.3.2 Syntaktisches Verhalten
Lässt sich ein syntaktisches Wort nicht anhand morphosyntaktischer Merkmale wie Kasus, Numerus oder Tempus einer Wortart zuordnen, kann sein syntaktisches Verhalten untersucht werden. Die fundamentale Beobachtung für die syntaktische Bestimmung der Wörter ist, dass sich die Wörter darin unterscheiden, in welchen syntaktischen Umgebungen sie auftreten können und in welchen nicht, und dass die Wörter, die in den gleichen syntaktischen Umgebungen auftreten können, zusammen eine Klasse bilden, eine Wortart. Darin liegt der Nutzen jeder Klassifizierung: Man ordnet ein Objekt, egal ob Tier, Wort, Elementarteilchen oder etwas anderes, einer Klasse zu, um festzuhalten, dass es sich so verhält wie die anderen Objekte dieser Klasse. So lassen sich in den syntaktischen Rahmen nur Nomen einsetzen, in den syntaktischen Rahmen … nur Adjektive und in den syntaktischen Rahmen nur Verben (s. Fuß und Geipel 2018, 41f.). Und von den nicht-flektierbaren Wörtern können nur die Adverbien alleine die erste Satzposition vor dem finiten Verb, das Vorfeld besetzen, also in dem syntaktischen Rahmen …