Geiges | Das Geheimnis der Medica | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 512 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Geiges Das Geheimnis der Medica

Historischer Roman
12001. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8437-0262-1
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Historischer Roman

E-Book, Deutsch, 512 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-0262-1
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine Heilerin in dunkler Zeit    Deutschland zur Stauferzeit: Die junge Anna hat eine ganz besondere Gabe. Sie kann Menschen heilen. Der jüdische Medicus Aaron erkennt ihr Talent und wird ihr Lehrmeister. Die Heilverfahren sind ihrer Zeit weit voraus und schon bald steht Anna im Ruf, eine Wunderheilerin zu sein. Doch ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten und die Liebe zu einem jungen Grafen, bringen die Medica in höchste Gefahr: Der Erzbischof von Köln brandmarkt sie als Hexe. Anna weigert sich, ihre Kunst aufzugeben und stellt sich dem Kampf mit einem übermächtigen Feind.

Johanna Geiges hat jahrelang als Drehbuchautorin für große Fernsehproduktionen gearbeitet, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie lebt mit ihrer Familie in Memmingen.
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I

Der Weg, auf dem der vierrädrige Planwagen mit Anna und Aaron auf dem Kutschbock dahinholperte, führte durch einen düsteren Wald, der nicht enden wollte. Aber für Anna hätte es auch um die halbe Welt gehen können, so leicht war ihr auf einmal ums Herz. Die plötzliche Wendung, die ihr Schicksal genommen hatte, bestärkte sie in ihrem Wunsch, noch viel mehr über Entstehung, Bestimmung und Heilung von Krankheiten zu lernen. In ihrem jugendlichen Übermut hatte sie geglaubt, im Kloster ein umfangreiches Wissen über derlei Dinge erlangt zu haben. Aber dass der Adlatus des Erzbischofs, Pater Sixtus, sie mit seiner lapidaren Feststellung, sie sei unrettbar an Lepra erkrankt, so ins Bockshorn hatte jagen können, ärgerte sie maßlos. Zumal er sie ja nur oberflächlich in Augenschein genommen und nicht einmal richtig untersucht hatte. Nur weil sie sich beim Aufwachen so unbeschreiblich elend gefühlt und das Wort »Lepra« aus dem Mund eines Infirmarius sie so entsetzt hatte, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, hätte sie sich beinahe aufgegeben, anstatt der Sache auf den Grund zu gehen. Doch die vorschnelle Diagnose des Paters konnte natürlich auch damit zusammenhängen, dass er genau wusste, was sie wirklich hatte. Ob er ihr diesen böse aussehenden Ausschlag mit irgendeinem Mittel womöglich sogar selbst zugefügt hatte? Anna kannte so manche Wirkung von Kräutern und Heilpflanzen, die Durchfall, Brechreiz oder Schlimmeres auslösen konnten. Woher war ihre plötzlich aufgetretene Krankheit eigentlich gekommen?

Aus heiterem Himmel?

Ganz bestimmt nicht.

Lepra bekam man nicht einfach so, man musste sich schon bei einem anderen Menschen anstecken, der bereits daran erkrankt war.

Anna grübelte weiter. Sie konnte sich auf die Geschehnisse keinen Reim machen. Hatte man sie loswerden wollen? War der einzige Sinn dieses angeblichen Aussatzes, dass Anna das Kloster verließ? Oder wollte sie jemand, womöglich gar Seine Eminenz, der Erzbischof persönlich, aus dem Weg räumen? Aber warum hatte er sie dann nicht einfach umbringen lassen? Mit Gift, zum Beispiel. Das wäre doch für seine rechte Hand, Pater Sixtus, nicht weiter schwer zu bewerkstelligen gewesen. Oder hätte das vielleicht zu viel Verdacht erregt, so kurz nach dem unerwarteten und plötzlichen Tod von Pater Urban?

Sie zweifelte daran, dass sie dieses Rätsel würde lösen können. Zumal sie gar nicht daran denken durfte, das Kloster Heisterbach jemals wieder betreten zu können. Und was war mit ihren Eltern? Waren sie etwa in ihrem Haus verbrannt? Daran durfte Anna nicht einmal denken, so sehr zog sich dabei ihr Herz vor Kummer zusammen. Warum hatte ihre Mutter, als ihre Eltern am Tag vor den verhängnisvollen Ereignissen bei Pater Urban zu Besuch waren, angedeutet, dass es da etwas gab, irgendein Geheimnis, das sie, Anna, besser nicht wissen sollte? Hatte das etwas mit dem Erzbischof zu tun? Sie hoffte es nicht. Oder waren ihre Eltern im Besitz von Kenntnissen, die irgendwelchen hohen Herrschaften zum Verderben werden konnten? Fragen über Fragen, die sie nicht beantworten konnte. Anna schwirrte allmählich der Kopf vor lauter Mutmaßungen. Sie kaute nachdenklich an ihrem Brot und trank Wasser aus einer Wasserflasche, beides hatte sie aus den Vorräten von Medicus Aaron erhalten.

Ein gewaltiger Schlag gegen das rechte Vorderrad des Planwagens brachte sie wieder in die Gegenwart zurück. Ein dicker Stein am Wegesrand hatte ihr Gefährt beinahe ins Straucheln gebracht. Medicus Aaron sprang vom Kutschbock und untersuchte das Rad. Aber zum Glück war der eiserne Radreifen bis auf eine Delle unbeschädigt geblieben, und so setzten sie ihre Fahrt fort. Anna war dem Medicus dankbar, dass er seit ihrem hastigen Aufbruch kein Wort gesagt hatte. Auch er schien seinen Gedanken nachzuhängen und sah sich nur von Zeit zu Zeit um, ob die Verfolger nicht doch noch ihre Spur aufgenommen hatten. Aber weit und breit war keine Menschenseele unterwegs.

An einer Weggabelung hielt der Medicus den Wagen an und wandte sich zum ersten Mal Anna zu. Er holte seinen kleinen Dolch heraus und reichte ihn ihr mit dem Griff voran.

»Weißt du was? Tu mir und dir einen großen Gefallen und schneide endlich diese vermaledeiten Glöckchen ab. Sie treiben mich allmählich in den Wahnsinn.«

Anna nahm den Dolch, und während der Medicus die Pferde wieder antrieb und den Weg nach rechts nahm, der auf eine breitere Landstraße einmündete, schnitt Anna Glöckchen um Glöckchen ab und warf sie in hohem Bogen neben die Straße. Dann gab sie Aaron den Dolch zurück.

»Schon besser«, nickte Aaron und steckte den Dolch zufrieden weg. »Und jetzt könntest du mir eigentlich erzählen, was es mit dir auf sich hat.«

Anna zögerte. Sie hatte keinen Plan, keinen Ort, wohin sie gehen, niemanden, auf den sie zählen konnte. Oder vielleicht doch? Sie sah den Medicus von der Seite an. Sollte sie ihm vertrauen? Was hatte sie schon zu verlieren? Wenigstens ihre Klostergeschichte konnte sie ihm offenbaren.

»Ich bin wegen der Lepra aus meinem Kloster verstoßen worden und kann mich eigentlich nirgends mehr blicken lassen. Solange ich nicht eine Dispens von der Kirche bekomme, dass ich wieder ganz gesund bin und unter die Menschen darf, bin ich nach wie vor vogelfrei.«

»Du hast die Dispens ausdrücklich von mir!«, sagte Aaron entschieden.

»Ihr spottet, Herr!«, wagte Anna zu widersprechen.

»Das war nicht meine Absicht. Du kannst es dir ja überlegen, ob du dir, wenn du wieder ganz gesund bist, eine Dispens einholst. Aber dann werden sie dich genau überprüfen.«

Anna seufzte. »Ja, das befürchte ich auch.«

»Willst du das?«

Sie schluckte, dann schüttelte sie entschieden den Kopf. »Nein. Ich glaube nicht.«

»Das scheint mir sehr vernünftig. Denn egal, wie eine kirchliche Kommission entscheidet: Es würde einen ziemlichen Wirbel um deine Person geben. Entweder, sie bezeichnen es als Hexenwerk, dass du so plötzlich wieder gesund geworden bist, oder es ist ein Wunder, das wie ein Lauffeuer durch das ganze Land gehen wird. Du würdest zur lebendigen Reliquie werden, die alle sehen und berühren wollen.«

Anna blickte Aaron schreckensstarr an. Er hielt ihrem Blick stand, bis sie die Augen niederschlug und nickte. Sie musste seinen Schlussfolgerungen recht geben. Dieser Medicus hatte einen Verstand, der scharf war wie ein Badermesser. Und er ließ nicht locker.

»Wäre es nicht an der Zeit, Bruder Marian, dass du mir sagst, wer du bist, woher du kommst und was du vorhast?«

»Das sind viele Fragen auf einmal«, antwortete Anna schließlich nach langem Zögern.

»Es steht dir natürlich frei, sie zu beantworten«, sagte der Medicus. »Aber ich habe das Gefühl, du hast etwas auf dem Herzen, was du loswerden möchtest.«

Anna bekam es allmählich mit der Angst zu tun. Ihr neuer Begleiter schien in ihr lesen zu können wie in einem Buch.

»Steht mir das auf der Stirn geschrieben?«, fragte sie verunsichert.

Aaron sah sie von der Seite mit einem leichten Lächeln um die Mundwinkel an.

»Pass auf«, sagte er. »Mir kommt das wie eine seltsame Fügung vor, wenn mir ein junger Mönch mit Lepraglöckchen und unglücklichen Augen über den Weg läuft und mir das Leben rettet. Mit Augen übrigens, die mir gleich aufgefallen sind. Verschiedene Farben. Das habe ich noch nie gesehen. Eine außergewöhnliche Anomalie.«

»Ihr nennt es Anomalie. Die meisten sagen, es ist der böse Blick.«

Aaron kicherte in sich hinein. »Ja, weil die meisten Leute einfältig und dumm wie Bohnenstroh sind und alles glauben, was ihnen die Kirche sagt.«

Anna warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Ihr seid Jude, nicht wahr?«

»Von Geburt an und bis ich sterbe«, antwortete Aaron ernst, langte hinter sich und holte ein seltsames Gebilde hervor, das er nachdenklich betrachtete und in seiner Hand drehte. Es war ein konisch zulaufender breitkrempiger Hut mit einem Knauf auf dem Scheitel. »Du hast meinen Hut gesehen?«, fragte er.

Anna nickte.

»Vielleicht sollte ich ihn wieder aufsetzen. Wir kommen allmählich in die Nähe der Stadt«, seufzte Aaron.

»Welche Stadt?«

»Oppenheim.« Aaron setzte sich den Hut auf den Kopf. Anna sah, dass der Verband darunter wieder leicht blutig geworden war. Plötzlich nahm Aaron eine gespannte Haltung an und befahl ihr: »Zieh lieber deine Kapuze über. Ein alter Jude und ein junger Mönch mit Tonsur gemeinsam auf einem Kutschbock. Das scheint mir doch ein wenig gewagt zu sein.«

Sofort zog sich Anna die Kapuze tief in die Stirn, denn Aaron hatte dies nicht ohne Grund gesagt.

Es musste inzwischen Mittag sein, die Sonne stand hoch am Himmel. Am Horizont tauchte eine Staubwolke auf, aus der sich allmählich, je näher sie kam, ein halbes Dutzend bewaffneter Reiter mit ihrem Anführer, einem Ritter, herauslösten. Aaron zügelte seine Zugpferde und hielt an, während der Reitertrupp auf sie zusprengte und ihnen den Weg verstellte. Der Anführer, ein bärtiger Koloss, hob die Hand zum Gruß.

»Du sagst kein Wort. Lass mich reden!«, flüsterte Aaron Anna verstohlen zu, bevor er den Gruß erwiderte.

»Wer seid Ihr und wohin wollt Ihr?«, fragte der Anführer barsch.

»Mein Name ist Aaron. Ich bin Medicus und habe in Köln Arzneien eingekauft. Wir sind auf dem Weg nach Hause, nach Oppenheim. Das ist mein Famulus. Er ist...


Geiges, Johanna
Johanna Geiges hat jahrelang als Drehbuchautorin für große Fernsehproduktionen gearbeitet, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie lebt mit ihrer Familie in Memmingen.

Johanna Geiges hat jahrelang als Drehbuchautorin für große Fernsehproduktionen gearbeitet (z.B. den TV-Mehrteiler Störtebecker), bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie lebt mit ihrer Familie in Memmingen.



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