E-Book, Deutsch, 388 Seiten
Gaw Schlimmer geht immer
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-384-20906-1
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Krimi mit action und Humor - die perfekte Mischung
E-Book, Deutsch, 388 Seiten
ISBN: 978-3-384-20906-1
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Lars ist Journalist und leidet unter Depressionen. Seine Frau hat ihn betrogen und verlassen, seinen Job ist er auch los, und überhaupt: Es ist alles ätzend. In einer Esoterik-Gemeinschaft, die sich 'Töchter des Mondes' nennt, sucht er Hilfe für seine seelische Krise. Anfangs scheint die Gruppe ihm gutzutun, doch bald merkt Lars, dass er in eine gefährliche Sekte geraten ist. Außerdem sind die Mondtöchter in diverse illegale Geschäfte verstrickt. Als Lars den Machenschaften auf den Grund geht, gerät er zwischen die Fronten von Drogenhändlern, arabischen Clans, gewaltbereiten Amazonen und schließlich auch noch der Polizei. Sein Leben ist in Gefahr. Einzige Hilfe ist Sara, die ihre Mutter sucht, welche von den 'Töchtern des Mondes' verschleppt wurde. Doch jedes Mal, wenn es scheint, als würde sich alles aufklären, müssen die beiden feststellen: 'Schlimmer geht immer!'
Andreas Gaw kommt aus dem beschaulichen Dörfchen Münchehof am Harzrand und schreibt Drehbücher, Sketche, Moderationen, Bücher, Gags, E-Mails, Briefe und Tagebuch. Er war unter anderem Headwriter der Sat1 'Wochenshow' und der Comedy Show 'Mensch Markus', Gagwriter für Harald Schmidt, Chefautor von Marco Rima und entwickelte Anke Engelkes Erfolgsshow 'Ladykracher'. Andreas Gaw lebt die meiste Zeit im elchigen Schweden und "weiß bescheid".
Autoren/Hrsg.
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Erstes Kapitel „Herr Schubert…“, sagte die vollbusige Krankenschwester und weckte mich aus meinem Dämmerschlaf. Ihr hübscher Busen weitete den weißen Kittel und ich wünschte mir in Zukunft immer mit einem derartigen Anblick aus den Träumen geholt zu werden. Im selben Moment fragte ich mich, warum sich eine Krankenschwester in meiner Wohnung aufhielt. Und ich fragte mich, ob eine männliche Krankenschwester wohl „kranker Bruder“ heißt. Egal. Vorsichtig versuchte ich, mich umzuschauen. Es war fast unmöglich den Kopf zu bewegen, denn ich trug eine Halskrause. Jeder Versuch, mich zu drehen, wurde mit starken Schmerzen quittiert. Aber zumindest stellte ich fest, dass ich nicht in meinen eigenen vier Wänden, sondern augenscheinlich im Krankenhaus war. „Herr Schubert? Hören sie mich?“, fragte die Schwester leise. Ich wollte „ja“ sagen, doch brachte nur ein „griggelgrrr“ heraus, was wohl auch daran lag, dass ich einen Schlauch im Mund hatte. Also blinzelte ich nachdrücklich, um zu bestätigen, dass die pralle Dame meine ganze Aufmerksamkeit hätte. „Gut“, antwortete sie. „Frau Doktor kommt gleich.“ Wenn diese Schmerzen nicht wären, dachte ich, wäre das ein schöner Traum. Gleich würde eine Ärztin ins Zimmer kommen, ihren Kittel ablegen und in Strapsen für mich tanzen. Mit diesem Bild vor Augen musste ich wohl kurz eingenickt sein, denn ein erneutes „Herr Schubert“ holte mich zurück ins Krankenzimmer. Eine ältere Frau mit schiefer Nase, kurzen grauen Haaren und Stethoskop um den Hals, anscheinend die Ärztin, beugte sich über mich. „Wissen sie, warum sie hier sind?“, wollte Frau Doktor wissen. Meinen gequirlten Laut interpretierte sie richtig als „nein“ und begann mit einer Erklärung für meinen Zustand. „Sie haben Glück gehabt. Oder Pech, ganz wie man will. Ein Busch hat ihren Sprung vom Dach ihres Hauses abgefangen. Wenn man sich schon das Leben nehmen will, dann sollte man vorher ein wenig genauer hinsehen. Naja, jedenfalls sind sie mit Knochenbrüchen und einer Gehirnerschütterung davongekommen. Innere Organe sind nicht schwerwiegend verletzt. Sobald die Frakturen zu heilen beginnen, werden wir sie in eine andere Abteilung verlegen. Da treffen sie auch eine sehr kompetente Kollegin von mir, die sich um die Gründe für ihren Suizidversuch kümmern wird. Parallel dazu bekommen sie eine Reha.“ Die Dame tätschelte kurz meine Wange, lächelte beruhigend und sagte: „Das wird schon wieder.“ Dann flog sie davon und ich döste mit dem Gedanken „Ich habe keinen Suizidversuch unternommen, echt nicht“ ein. Mein Körper heilte gut. Nach wenigen Wochen war ich in der Reha und in einer Therapie bei Frau Doktor Himmel. Es fiel mir schwer, die Ereignisse des Abends, als ich vom Haus gesprungen sein soll, zu rekonstruieren. An die letzten 24 Stunden vor dem vermeintlichen Sprung konnte ich mich gar nicht mehr erinnern. Dennoch war ich mir sicher, dass ich nicht vorhatte, Selbstmord zu begehen. „Es kann passieren, dass das Unterbewusstsein die Stunden um einen solchen traumatischen Punkt herum ausblendet“, beruhige mich die Psychologin. Sie saß mir gegenüber, auf einem alten Jugendstilstuhl, während ich mich in einen bequemen Sessel fläzte. Ich mochte es, wenn sie ihre Beine übereinander schlug und der Stoff ihrer Nylons dabei ein leises „bsss“ von sich gab. Ich schätze die Ärztin auf Anfang 50, also älter als ich. Frau Himmel hatte ein gewinnendes Lächeln und ich hatte das Gefühl, dass ich in ihren Händen gut aufgehoben wäre. Hier, dachte ich, bin ich der Himmel näher als der Hölle. Gerne hätte ich ihr erzählt, was genau passiert war, aber wann immer ein Fragment der fraglichen Nacht in meinem Kopf auftauchte, und ich versuchte, es zu fassen, war es sogleich wieder verschwunden. Also blieb mir nichts anderes übrig, als darauf zu beharren: „Ich wollte mich nicht umbringen. Ich bin nicht vom Dach gesprungen.“ Frau Himmel nickte und machte sich ein paar Notizen. Dann sah sie mich eine Weile schweigend an, bis sie das wiederholte, was sie mir in den Tagen zuvor auch schon einige Male gesagt hatte: „Die Polizei hat einen Abschiedsbrief in ihrer Wohnung gefunden. Sie waren alkoholisiert und hatten Drogen im Blut. Sie haben die Telefonseelsorge angerufen. Dreimal. Und immer wieder aufgelegt, als sie jemanden in der Leitung hatten. In ihrem Zimmer lagen überall alte Fotos von ihrer Ex-Frau und von einer blonden Studentin…“ „Anne. Meine Jugendliebe“, erklärte ich. „Sie haben eine Geschichte von Depressionen und Panikattacken“, fuhr die Ärztin fort, „und die Polizei hat auf ihrem Computer entdeckt, dass sie Mitglied in zwei Online-Suizid-Chatgruppen waren. Herr Schubert, Lars, unter diesen Umständen fällt es wirklich schwer zu glauben, dass sie nicht vom Dach springen wollten.“ „Aber ich weiß, dass ich das nicht vorhatte. Ich weiß es!“, gab ich vielleicht etwas zu laut zurück. Doktor Himmel schenkte mir ein mitleidiges Lächeln. „Und genau daran will ich mit ihnen arbeiten. Was ist denn das Letzte, woran sie sich vor dem… sagen wir „Unfall“… erinnern können?“ „Das habe ich doch gestern schon gesagt.“ Entgegnete ich ungeduldig: „Diese beiden Frauen haben mich verfolgt.“ Frau Himmel schaute auf ihre Notizen. „Die beiden…“, sie zögerte, „Hexen, wie sie sagten. Also „Hexen“ im Sinne von „bösartigen Frauen, oder?“ „Nein, ja…“, ich stammelte, „es waren keine guten Menschen, aber sie waren – es klingt vielleicht merkwürdig, aber sie waren so was wie Hexen.“ In dem Moment wurde mir klar, wie verrückt sich das anhören musste, was ich gerade gesagt hatte. „Naja, Hexen hört sich jetzt vielleicht verrückt an“, versuchte ich zu relativieren, „aber sie hatten so eine Art magischen Zirkel…“ Je mehr ich versuchte, mich klar auszudrücken, desto weiter manövrierte ich mich in ein Geschwafel, welches nur aus dem Mund eines Geisteskranken kommen konnte. Würde ich so weiter schwadronieren, käme ich direkt in die Klapsmühle, das war mir klar. Also bat ich die Sitzung abzubrechen, da ich Kopfschmerzen hätte. Sicher auch nicht die schlauste Ausrede, denn in Filmen haben die Idioten, die Wahnvorstellungen von sich geben, auch immer Kopfschmerzen. Gerne hätte ich in klaren und kurzen Sätzen beschrieben, was genau ich meinte, aber leider wollte mein Gehirn keine brauchbaren Formulierungen zulassen. Ich gab mich für diesen Tag geschlagen. „Schon okay“, sagte die Ärztin, „wir machen morgen Vormittag weiter. Sie haben ja jetzt erstmal Reha-Schwimmen und dann schlafen sie sich schön aus. Es wird schon. Sie brauchen einfach etwas mehr Geduld.“ Wir verabschiedeten uns freundlich und ich marschierte zum Schwimmbad. Ein Physiotherapeut machte einige Übungen im warmen Wasser mit mir. Ich musste zwar pinkeln, konnte aber noch aufhalten. Außerdem hatte ich die Befürchtung, dass im Wasser ein Indikatorstoff gelöst sein könnte, der das ganze Becken pink färbt, wenn mein Urin die entsprechende chemische Reaktion in Gang setzt. Nach der Gymnastik durfte ich noch etwa 15 Minuten allein schwimmen, verkürzte aber auf fünf, da die Blase kurz davor war, den Struggle mit mir für sich zu entscheiden. Nach der Wassernummer gab es Abendessen. Zwei Scheiben Graubrot mit Käse, eine Tomate und ein Glas Tee. Diesmal rötlich gefärbt, aber vom selben Geschmack wie der gelbe und der grüne an den vergangenen Tagen. Als ich gegen halb 9 in meinem Zimmer im Bett lag, wollte ich versuchen, zumindest für mich selbst im Kopf die Sache mit den Hexen so zu formulieren, dass sie nicht völlig bescheuert klang. Ich begann mit: „Ich weiß, dass es keine Hexen im eigentlichen Sinne gibt. Aber es gibt Menschen, die sind Anhänger von bestimmten okkulten…“ Meine Müdigkeit nahm zu. Ich musste mich konzentrieren. Also nochmal: „Es gibt Menschen, die sind Anhänger von bestimmten okkulten Riten und Gebräuchen. Ich bin an eine Gruppe geraten, in der…“ Kurz nickte ich weg. Verdammt. Ich hatte doch gerade eine gute Formulierung. Also: „Ich bin an eine Gruppe geraten, die mit Drogen… die mit Drogen… an eine Gruppe von Hexen… die Riten und Anhänger mit Menschen und… mit Menschen und… und… und…“ Das war's. Die Müdigkeit hatte gewonnen. Am nächsten Morgen erinnerte ich mich nicht mal mehr an den Anfang des Satzes. Aber wenigstens wusste ich noch, dass ich mit viel Konzentration in der Lage war, meine Situation verständlich zu beschreiben. Und genau das wollte ich in...