Gauthier | Wir sehen uns wieder am Ende der Seine | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Reihe: Piper Schicksalsvoll

Gauthier Wir sehen uns wieder am Ende der Seine

Ein Frankreich-Roman
19001. Auflage 2019
ISBN: 978-3-492-98533-8
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Frankreich-Roman

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Reihe: Piper Schicksalsvoll

ISBN: 978-3-492-98533-8
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Mann, eine Frauund ihre Suche nach den Geheimnissen der Vergangenheit - ein romantischer Liebesroman zwischen der Normandie und Paris. Für alle Fans von Nicolas Barreau und Nicholas SparksHonfleur – ein kleines normannisches Hafenstädtchen: Im Nachlass seines Vaters findet Claude Liebesbriefe einer gewissen Marguerite. Wer ist diese Marguerite? Lebt sie noch?Würde sie ihm mehr über seinen Vater, der allem Anschein nach sein ganzes Leben lang ein Geheimnis mit sich trug, erzählen können? Er beschließt Marguerite, von der er allerdings nur den Vornamen und die Ortsangabe auf den Briefen »Paris, den 2. September 1958« kennt, zu finden. Claude fährt nach Paris und beginnt seine Suche. Dochzunächst findet er jemand ganz anderen zufällig wieder: Seine Jugendliebe Susanne...
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6. Kapitel
Noch am selben Abend hatte er bei Lehrer Demoulin angerufen. Er wollte den älteren Herrn nicht einfach so mit seinem Besuch überfallen. Sie verabredeten sich für den kommenden Tag gegen elf. Es war das gleiche Häuschen, das er noch von Kindestagen her kannte. Einstöckig, rote Dachziegel, die Fassade aus wildgemauerten Sandkalksteinen. Die grünen Fensterläden, die nicht nur einen neuen Anstrich vertragen hätten, ließen darauf schließen, dass das kleine Häuschen wohl schon lange keinen Handwerker mehr gesehen hatte. Auch der kleine Vorgarten, der zur Straßenseite hin durch eine kleine Mauer begrenzt wurde, hatte definitiv schon bessere Zeiten gesehen. Hatte er Lehrer Demoulin überhaupt jemals bei der Gartenarbeit gesehen? Er konnte sich nicht erinnern. Allem Anschein nach hatte dies wohl zu den Aufgaben seiner Mutter gehört. Die einst hier liebevoll gepflanzten Blumen waren Madames ganzer Stolz. Er schloss das kleine verrostete Törchen hinter sich und ging die wenigen Meter zur Haustür – gespannt, seinen alten Lehrer wiederzusehen. Würde er sich noch an ihn erinnern? Gestern beim Telefonat hatte es auf jeden Fall den Anschein. Es dauerte einige Zeit, bis er hinter der verwitterten Haustür langsame Schritte vernehmen konnte. Sein Blick fiel auf das kleine Schild, das unter der Türglocke angebracht war. Mme. Leonie Demoulin – Mr. Georges Demoulin   Der Name der Mutter stand immer noch auf dem Türschild. Der Lehrer hatte es wohl nie gewechselt, oder – nein, sie konnte unmöglich noch leben! Dann öffnete sich die Tür. Zuerst nur einen Spalt weit, dann ganz. Es war eigenartig. Als Claude seinen alten Lehrer sah, war die Zeit wie zurückgedreht. All das Vergängliche, das sich ihm beim Anblick des Hauses und des Gartens offenbarte, war auf einmal wie weggezaubert. Es waren noch immer die gleichen Augen, in die er blickte. Diese vertrauten klaren Augen, die ihn freundlich anstrahlten. Da war das gleiche fürsorgliche Lächeln, das er aus seiner Kindheit kannte und an das er sich nun erinnerte. Mit einem Mal schien die Zeit stehen geblieben, hier in der Rue de la Chapelle Nummer 7. »Guten Morgen, Claude! Schön, dich noch einmal zu sehen. Komm rein!«, begrüßte ihn der Lehrer. Seine Stimme klang zerbrechlich. Sein Jackett schien ein paar Nummern zu groß geworden. Die Tribute, die das Alter fordert, hatten ihn also auch nicht verschont. Sie gingen den engen Flur – hier rechts musste wohl die Küche sein – gerade durch zum Salon. Im Hausflur türmten sich Kisten, Bücher und Stapel alter Zeitungen, unter denen sich eine Kommode vermuten ließ. An der Wand hingen unzählige Schwarz-Weiß-Fotografien, einige eingerahmte Urkunden und ein altes verstaubtes hölzernes Kruzifix. Richtig, Monsieur Demoulin war sehr religiös, und wenn er sich richtig erinnerte, hatte er seinerzeit sogar ein verantwortungsvolles Amt in der örtlichen Kirchengemeinde inne. »Entschuldige bitte, ich mache gerade etwas Ordnung.« »Aber das macht doch nichts! Es freut mich, dass Sie ein wenig Zeit für mich haben, Monsieur Demoulin«, beschwichtigte Claude den alten Mann. »Oh, sehr gern. Ehrlich gesagt, ich bekomme nur noch selten Besuch. Es freut mich, es freut mich wirklich. Aber bitte, setz dich doch!« Claude entschied sich für den Sessel direkt neben dem Kamin. Wenn er die aufgetürmten Zeitschriften beiseiteschieben würde, würde er dort wohl am ehesten Platz finden. »Kann ich dir ein Glas Wasser anbieten?«, fragte Monsieur Demoulin. »Ja, gern, wenn es keine Umstände macht.« Der alte Herr setzte sich wieder in Bewegung Richtung Diele. Claude nutzte die Gelegenheit, seine Blicke schweifen zu lassen. Hier im Wohnzimmer sah es noch um einiges schlimmer aus als im Flur. Die Wände hingen voll mit Fotografien. Hier und da waren alte Ölgemälde, die die Küste darstellten. Sicher ein Maler hier aus der Gegend. Claude meinte, einige Orte auf den Bildern wiederzuerkennen. Das Sofa und der daneben stehende Sessel waren unter dem darauf Angesammelten kaum noch auszumachen. An der ihm gegenüberliegenden Wand stand das alte Piano. So ein ähnliches stand auch im Klassenzimmer. Monsieur Demoulin spielte oft in der Schule Klavier, nicht nur im Musikunterricht. Zwischen zwei Schulstunden setzte er sich einfach ans Piano und sang mit den Kindern ein paar Lieder. Ja, der beliebte Lehrer wusste, wie man die Aufmerksamkeit der Kinder immer wieder aufs Neue gewinnen konnte, und so eine kleine Pause bewirkte wahre Wunder bei den Kleinen. Nach kurzer Zeit kam Monsieur Demoulin wieder zurück ins Wohnzimmer, in seiner hageren Hand ein Glas Wasser. Er reichte es Claude, nahm aus irgendeiner Ecke einen Stuhl und setzte sich. »Alors, was führt dich zu mir?«, kam Monsieur Demoulin gleich zur Sache. »Nun, ich hoffe, Sie können mir helfen!«, fing Claude etwas zögernd an. »Ich weiß ja, dass Sie sich mit der Geschichte unserer Region und unseres Dorfes gut auskennen. Ich hätte eine Frage, die das Jahr 1958 betrifft – speziell den Sommer 1958 …« »Oh, mon Dieu, du möchtest etwas über den Sommer 1958 wissen! Ich habe mich in der Tat sehr für die Geschichte unseres Dorfes und die unserer Region interessiert. Wir schauen hier ja auf eine sehr ereignisreiche Geschichte zurück. Die Sturmflut von 1525, die Engländer, der Siebenjährige Krieg, die Besetzung der Deutschen und nicht zu vergessen die Résistance und die Landung der Alliierten 1944. Tja, darüber könnte ich viele interessante Geschichten erzählen. Aber der Sommer 1958 – was soll denn da passiert sein?« Monsieur Demoulin zog die Stirn in Falten und schien nachzudenken. »Es mag vielleicht verrückt klingen«, antwortete Claude. »Und womöglich ist es wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, aber ich suche eine gewisse Marguerite aus Paris, die im Sommer 1958 hier einige Wochen am Meer verbracht hat. Mehr weiß ich leider nicht. Ich weiß nur, dass sie meinen Vater kannte.« »Na, das ist in der Tat nicht viel«, erwiderte Monsieur Demoulin fast ein bisschen enttäuscht. »Und über diesen Besuch wird auch sicher nichts in meinen schlauen Geschichtsbüchern stehen. Und dein Vater?« »Der ist leider vor zehn Tagen gestorben!« »Oh ja, ich habe davon gehört, aber nicht mehr daran gedacht. Entschuldige, wie taktlos von mir, mein aufrichtiges Beileid, Claude. Hast du sonst noch irgendwelche Anhaltspunkte?«, wollte der Lehrer wissen. »Nein, nur dass sie Marguerite heißt, ungefähr das Alter meines Vaters gehabt haben muss, und für ein paar Wochen hier war. Vater und sie wollten nach ihrem Urlaub in Kontakt bleiben, was aber, aus welchen Gründen auch immer, irgendwann aufhörte.« »Lieber Claude, die Zeit damals war zwar nicht so schnelllebig wie heute, aber dass Urlaubsbekanntschaften nach einer Zeit den Kontakt abbrechen, war auch damals nichts Ungewöhnliches.« »Ich glaube nicht, dass es nur eine flüchtige Urlaubsbekanntschaft war«, unterbrach Claude seinen Lehrer. »Ich glaube, diese Marguerite war für Vater etwas Besonderes.« »Nun, auch dir scheint diese Marguerite ja sehr wichtig zu sein. Lass mich mal überlegen. 1958 war ich selbst erst drei Jahre hier. Ursprünglich komme ich ja aus dem Burgund. Meine Mutter ist damals hier hochgezogen, weil sie eine Anstellung als Lehrerin in der alten Schule annehmen konnte.« »Ihre Mutter war auch Lehrerin?«, fragte Claude erstaunt. »Ja, und als alleinerziehende Mutter – mein Vater ist nicht mehr aus dem Krieg zurückgekehrt – war es nicht leicht. Also sind wir hier hoch. Ich war fasziniert von dieser Landschaft, vom Meer, und war damals schon ein leidenschaftlicher Fotograf.« Monsieur Demoulin zeigte auf einige Bilder an der Wand. »Die Fischer, die Möwen, die immer neuen Reflexionen in der Brandung; ich habe alles fotografiert, was mir vor die Linse kam. Alles war mir so neu, und alles wollte ich erkunden und festhalten.« »Haben Sie noch andere Fotografien aus dieser Zeit?« »Ja sicher. In irgendeiner Kiste müssten sie sein.« Monsieur Demoulin lachte. Er schien sich seinem Hang zum Sammeln und Horten also doch bewusst und nahm es offenbar mit Humor. »Ich gebe zu, du hast mich mit deinen Fragen auch ein wenig neugierig gemacht. Ich werde mal in meinen Kisten stöbern, dafür brauche ich aber etwas Zeit. Vielleicht finde ich ja zufällig ein Bild, das uns einen weiteren Hinweis gibt. Gib mir doch bitte deine Telefonnummer. Ich rufe dich an, sobald ich etwas gefunden habe.« Er zog ein Stück Papier unter einem Stapel hervor und notierte sich Claudes Mobilnummer. »Bitte verlieren Sie die Nummer nicht. Die Angelegenheit ist mir wirklich wichtig!«, fügte Claude noch eindringlich hinzu. »Nein, keine Angst. Ich lege den Zettel gleich hier zum Telefon. Dann habe ich ihn sofort zur Hand«, beschwichtigte ihn Demoulin. Claude nutzte die Gelegenheit, als sich sein alter Lehrer zum kleinen Beistelltisch mit dem Telefon umdrehte, um sein Glas Wasser in dem Blumentopf des ohnehin nach Wasser lechzenden Ficus zu entleeren. Das bereits milchige Glas sah nicht wirklich appetitlich aus, und der Ficus würde es ihm danken. »So, Monsieur Demoulin«, sagte Claude und stand auf. »Dann werde ich sie auch nicht weiter stören. Sie melden sich, wenn Sie etwas gefunden haben?«   Claude beschloss, wieder ins Haus seiner Eltern zu fahren. Mit seinen Recherchen war er noch nicht wirklich weitergekommen. Alle seine Hoffnungen lagen nun auf seinem alten Lehrer. Auch wenn er wusste, dass die Chancen, auf dessen Fotografien einen Hinweis zu finden, sehr gering waren. Das Haus musste leer geräumt werden, das war nun mal Fakt,...


Gauthier, Lucas
Lucas Gauthier – Jahrgang 1967 – ist ein in Belgien wohnender Schriftsteller, der unter seinem bürgerlichen Namen, Walter Strom, auch als Komponist, Texter und Produzent tätig ist.Privat zieht es ihn immer wieder nach Frankreich. Paris wurde dabei für ihn zur zweiten Heimat.Kein Zufall also, dass sein erster Roman, „Wir sehen uns wieder am Ende der Seine“, zum größten Teil in dieser Metropole spielt.



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