E-Book, Deutsch, 408 Seiten, eBook
E-Book, Deutsch, 408 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-540-31705-0
Verlag: Springer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Zielgruppe
Professional/practitioner
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Grundlagen der psychiatrischen Pflege.- Zur Geschichte der Psychiatrie und der psychiatrischen Krankenpflege im deutschsprachigen Raum.- Pflege in der Psychiatrie: Konzepte und Modelle.- Gesundheitsförderung in der Psychiatrie: Konzepte und Modelle.- Die Rolle der Pflegenden in der Psychiatrie.- Organisationsstruktur der psychiatrischen Pflege.- Organisation und Mitarbeiter — führung.- Methoden der Pflegepraxis.- Kommunikation und Gesprächsführung.- Interkulturelle Kompetenz in der psychiatrischen Pflege.- Psychiatrische Pflege.- Psychologische Grundlagen psychiatrischer Pflege.- Pflegeinterventionen.- Pharmakologie in der psychiatrischen Pflege.- Allgemeine psychiatrische Pflege.- Anatomie und Physiologie des zentralen Nervensystems (ZNS).- Theorien zur Krankheitsentstehung.- Verlauf psychischer Erkrankungen.- Psychopathologie.- Einteilungsmodelle psychischer Störungen.- Spezielle psychiatrische Krankheitslehre: Pflege, Behandlung, Prävention.- Pflege bei organisch-psychischen Störungen.- Pflege bei Schizophrenie und wahnhaften Störungen.- Pflege bei neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen.- Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen.- Affektive Störungen.- Pflege bei posttraumatischen Störungen.- Pflege bei Abhängigkeitserkrankungen.- Gerontopsychiatrie.- Kinder- und Jugendpsychiatrie.- Forensische Psychiatrie.- Rechtliche Grundlagen und Rehabilitation.- Rechtliche Grundlagen in der Versorgung und Behandlung.- Netzwerke und Modelle der Behandlung und Versorgung.
23 Pflege bei Abhängigkeitserkrankungen (S. 309-311)
Rosemarie Heger
In Kürze
Substanzabhängigkeit ist im Pflegealltag ein verbreitetes Phänomen. Wir sehen Konsumenten legaler Drogen, wie Alkohol und Tabak, und Konsumenten illegaler Drogen, wie Heroin, Kokain, Cannabis etc., aber auch z. B. Menschen, die spiel- oder essbrechsüchtig sind. Zentrales Merkmal aller Abhängigkeitserkrankungen ist die psychische Abhängigkeit. In der Pflege begegnet man vorwiegend der Droge Nr. 1, dem Alkohol und den alkoholbezogenen Störungen. Daher werden in diesem Kapitel exemplarisch die Alkoholproblematik und der pflegerische Umgang damit behandelt. Jährlich sterben in Deutschland etwa 42 000 Menschen an den direkten oder indirekten Folgen des Alkoholmissbrauchs (DHS, 2004).
Diese Zahl deutet auf ein erhebliches gesundheitspolitisches Problem hin. Während das Hilfesystem bzw. die Hilfeangebote für Suchtkranke relativ gut ausgebaut sind, besteht nach wie vor Handlungsbedarf in der Kooperation der Träger der Hilfeangebote untereinander. Den Pflegekräften in den verschiedenen Versorgungsfeldern (stationär, ambulant, ambulantkomplementär etc.) kann hier eine besondere Rolle zukommen, nämlich die, eine systemübergreifende Hilfeplanung mit zu initiieren bzw. zu begleiten. Nach der Definition der Welt-Gesundheits- Or ganisation (WHO) ist diejenige Person substanzabhängig, die ohne die Droge nicht mehr leben kann bzw. die Kontrolle über die Menge der konsumierten Substanz verloren hat (Kontrollverlust).
Beeinflusst wird der Umgang mit Alkoholabhängigen auch durch die negative soziale Bewertung, die dieser Personenkreis in der Gesellschaft erfährt. Auch im Pflegealltag zeigen Alkoholabhängige nicht selten ein widerständiges, wenig krankheitsein sichtiges und behandlungsbereites sowie mitunter »unzuverlässiges« Verhalten. Diese krankheitsbedingten Verhaltensweisen stellen das Pflegepersonal vor eine große Herausforderung, der es mit geeigneten Methoden zu begegnen gilt. Der angemessene Umgang mit diesen, der Abhängigkeitserkrankung inhärenten Störungen ermöglicht nicht nur einen ressourcenorientierten Pflegeprozess, sondern fördert die Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft des betroffenen Patienten.
Die Kenntnis des Verlaufs und des Charakters der Alkoholkrankheit ist eine wesentliche Voraussetzung des Verstehens dieser Patienten und der professionellen Einordnung der Verhaltensauffälligkeiten. Ressourcen- und lösungsorientierte Kurzintervention sowie Regeln der motivierenden Gesprächsführung werden ebenso Thema sein wie der Blick auf co-abhängiges Verhalten. Am Kapitelende wird auf die Frage »Was kommt danach?« eingegangen.
Wissensinhalte
Nach dem Studium dieses Kapitels wissen Sie:
* was mögliche Indikatoren einer Alkoholabhängigkeit sind
* wie sich ein typischer Verlauf des Gamma-Alkoholismus gestaltet
* welche körperlichen Schäden durch Alkoholmissbrauch verursacht werden
* welche Behandlungsschritte denkbar sind
* wie man im Pflegealltag Abwehrmechanismen des Patienten begegnen kann
* welche pflegerische Kommunikation die Krankheitseinsicht fördert
* wie co-abhängigem Verhalten im Pflegealltag begegnet werden kann
* wohin Abhängigkeitskranke entlassen werden können
23.1 Entstehungsbedingungen
Zur Erklärung des Phänomens Suchtmittelabhängigkeit wurden zahlreiche Modelle entwickelt. Das derzeit gängige Modell beschreibt ein multifaktorielles bio-psychosoziales Bedingungsgefüge. Dieses erklärt sich:
* aus der Droge selbst, ihrer psychotropen Wirkung und ihrem Abhängigkeitspotenzial,
* aus der sozialen Griffnähe, also auch der kulturellen bzw. gesellschaftlichen Akzeptanz der Droge,
* aus den spezifischen Persönlichkeitsmerkmalen des konsumierenden Individuums.
Diese drei Merkmale sind je nach Droge, gesellschaftlichen Bedingungen sowie der Persönlichkeit des Konsumenten unterschiedlich wirksam und bedingen sich gegenseitig. Das Abhängigkeitspotenzial einer Substanz wird bestimmt durch die psychotrope Wirkung und durch die Entwicklung einer Gewöhnung sowie einer Toleranzsteigerung bis hin zur körperlichen Abhängigkeit. Aufgrund seiner entspannenden und enthemmenden Wirkung hat Alkohol ein relativ hohes Suchtpotenzial.
Die Griffnähe beschreibt, wie gesellschaftlich akzeptiert die Droge ist und wie einfach oder auch kompliziert ihre Beschaffung und Finanzierung ist.