Gardemann | Grusel-Thriller 06: Die Seltsamen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 6, 222 Seiten

Reihe: Grusel Thriller

Gardemann Grusel-Thriller 06: Die Seltsamen


1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-95719-959-1
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, Band 6, 222 Seiten

Reihe: Grusel Thriller

ISBN: 978-3-95719-959-1
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Menschenähnliche Kreaturen mit übernatürlichen Fähigkeiten treiben in Russland seit Jahrhunderten verdeckt ihr Unwesen. Sie haben sich im Schutz der Intoleranz, die in der Zeit der Sowjetrepublik gegenüber Religion herrschte, im gesamten Land ausgebreitet. Über ihre Vergangenheit und Herkunft ist bisher nur wenig bekannt. Lesen Sie die unglaublichen Abenteuer des deutschen Europol-Ermittlers Felix Pechstein. Er kämpft unermüdlich gegen die Seltsamen Geschöpfe.

Gardemann Grusel-Thriller 06: Die Seltsamen jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Teil 1 – Madame Chikolewa

Manche Stadteile in Moskau wirkten so heruntergekommen und verwahrlost, dass man Lust bekam, die Häuser mit einer Planierraupe in Schutt und Asche zu legen, um Platz für Neubauten zu schaffen – so jedenfalls sah Boris Karmanow die Sache. Er selbst wohnte in einem Palast auf dem Kutusowski-Prospekt, nicht weit vom Kreml entfernt, und empfand eine tiefe Abscheu für alles, was mit Armut, Elend und Schwäche zu tun hatte.

All diese unnützen Attribute wurden nach seinem Dafürhalten in dem Stadtteil vereint, den aufzusuchen er sich in dieser Nacht auferlegt hatte.

Die Häuser im nördlichen Gebiet von Krasnosel’skyi waren über hundert Jahre alte Arbeiterbehausungen. Ihrem Äußeren nach zu urteilen hatte man sie das letzte Mal wohl vor fünfzig Jahren notdürftig saniert. Putz und Farbe blätterten von den Fassaden. Die einglasigen Fenster waren staubblind und wiesen nicht selten Risse und Sprünge auf. Wären die am Straßenrand parkenden Kleinwagen mit ihrer modernen Ausstattung nicht gewesen, man hätte sich leicht ins vergangene Jahrhundert zurückversetzt fühlen können, in eine Zeit, da Moskau noch die Hauptstadt der Sowjetunion gewesen war.

Boris hielt sich gern in der Gesellschaft der Reichen und Wohlhabenden auf, denn dort gehörte er seiner Meinung nach hin. Er liebte die pompösen Bälle, die in den Villen und Palästen Moskaus abgehalten wurden, und er redete bei diesen Anlässen mit Vorliebe über die Kultur seines Landes, über die Komponisten, die Russland hervorgebracht hatte, über russische Dichter und Philosophen und insbesondere über die Maler.

Umso unbehaglicher fühlte er sich jetzt, im Schatten eines baufälligen Erkers, der über ihm aus der bröckeligen Fassade einer Mietskaserne ragte.

Die Straße, in der er sich aufhielt, wurde auf beiden Seiten von Wohnblocks gesäumt. Sie sahen so schäbig und heruntergekommen aus, dass es Boris nicht gewundert hätte, wäre eines der Gebäude plötzlich unter lautem Getöse in sich zusammengestürzt, um all die armen Schlucker, die darin hausten, unter einem Berg aus Trümmern und Schutt gnädig zu begraben.

Boris schüttelte sich. Aber nicht etwa, weil er unter seinem langen Cashmermantel fror oder weil er sich wegen der Einsturzgefahr der baufälligen Häuser um die Bewohner sorgte. Vielmehr bereitete ihm die Vorstellung Unbehagen, durch einen dummen Zufall in dieser finsteren Gasse erkannt zu werden. Auf der nächsten Lustbarkeit würde man sich über ihn das Maul zerreißen, weil er in einem Stadtteil gesehen worden war, der hauptsächlich von Prostituierten, Drogenabhängigen und Asozialen bevölkert wurde.

„Was hat Karmanow dort wohl zu suchen gehabt?“, würden sich die Leute hinter vorgehaltener Hand zu Recht fragen. „Ob er über eines dieser billigen Mädchen gestiegen ist? Oder hat er sich Drogen beschafft?“

Boris schnaufte verächtlich, um den fiktiven Klang des Lachens aus seinem Kopf zu vertreiben, das die Kostgänger ihren idiotischen Lästereien folgen lassen würden. Natürlich wäre keiner dieser Dummschwätzer mit seinem beschränkten Vorstellungsvermögen in der Lage gewesen, sich auch nur annähernd auszumalen, was Boris wirklich in diesem Stadtteil wollte.

Das hätte er an deren Stelle auch nicht vermocht, musste er unumwunden zugeben. Der Grund seines Aufenthalts in der Srednayaya Pereyaslavskaya ulitsa war so haarsträubend, dass er selbst kaum glauben konnte, den Fuß unter diesen Voraussetzungen in den verhassten Stadtteil gesetzt zu haben.

Und doch war er hier.

Boris vergrub seine rechte Hand in der Manteltasche und zog einen Notizzettel hervor, stark verknittert, da er ihn schon oft mit der Faust umschlossen hatte.

Eine Adresse war darauf notiert. Obwohl Boris die Notiz auswendig kannte, verglich er die Zahl auf dem Zettel akribisch mit der Nummer auf dem Emailleschild, das auf der anderen Straßenseite an der Fassade eines Wohnhauses angebracht war. Das verwitterte Schild hing neben einer schmutzigschwarz lackierten Tür im Souterrain. Ein paar ausgetretene Stufen endeten direkt vor der Schwelle.

Die Nummer auf dem Zettel und die auf dem Schild stimmten überein. Auch der Straßenname war identisch.

Boris Karmanow schüttelte grimmig den Kopf und fragte sich zum wiederholten Mal, warum keiner seiner Männer dieses Haus hatte finden können. Stattdessen waren sie, Stunden nachdem Boris sie losgeschickt hatte, in seinem Büro erschienen und hatten ihm mit niedergeschlagener Miene mitgeteilt, sie könnten das Haus mit der angegebenen Nummer in der Srednayaya Pereyaslavskaya ulitsa nirgends entdecken.

Wütend presste Boris die Kiefer aufeinander und zerknüllte den Zettel abermals in seiner Faust.

Er hatte drei seiner besten Leute losgeschickt, und keiner hatte dieses verlotterte Haus angeblich entdecken können – vor dem er nun stand! Wenn es ihm, Boris Karmanow, auf Anhieb gelungen war, das Haus ausfindig zu machen, warum war es dann den dreien nicht geglückt?

Hatten sie sich etwa gegen ihn verschworen? Bahnte sich in seiner Organisation eine Revolte an, ein Machtwechsel an der Spitze des Kunstraub-Syndikats, das er vor fünfzehn Jahren von seinem inzwischen verstorbenen Vater übernommen hatte?

Boris hielt alles für möglich. Trotzdem würde er wohl auf eine Bestrafung der drei Männer verzichten, nicht, weil er ein Nachsehen mit ihnen hätte oder gar befürchtete, durch eine Strafaktion den Unmut seiner Leute hervorzurufen. Nein, es hing mit den Worten zusammen, die Thomas Lewkos während des letzten Arbeitstreffens geäußert hatte …

„Du musst Madame Chikolewa schon persönlich aufsuchen, wenn du ihre Dienste in Anspruch nehmen willst, Boris“, hatte er erklärt und geheimnisvoll dabei gegrinst. „Andernfalls wird ein Kontakt niemals zustande kommen. Sie gehört zu den Seltsamen Geschöpfen, die sich, im Schatten des von den Sowjets verordneten Atheismus, im Gebiet der ehemaligen Sowjetrepubliken ungestört haben ausbreiten können – und die nicht selten übernatürliche Kräfte besitzen.“

Boris hatte den Mann verständnislos angestarrt und sich gefragt, ob ihn dieser fette Kerl, dessen sündhaft teurer Anzug wie die Hülle einer kurz vor der Häutung stehenden Schlange über seinem Bauch und an den Oberarmen spannte, nur mal kräftig veralbern wollte.

Doch Boris kannte Thomas Lewkos seit vielen Jahren und wusste, dieser würde sich niemals über seine Geschäftspartner lustig machen. Lewkos musste tatsächlich von der Existenz der Seltsamen Geschöpfe überzeugt sein, von denen Boris auch schon aus anderem Munde erfahren hatte. Bisher hatte er das Gerede über die übernatürlichen Wesen, die sich zu Sowjetzeiten angeblich in den Republiken etablieren konnten, allerdings für baren Unsinn gehalten.

Dass nun ausgerechnet Thomas Lewkos von diesen mystischen Wesen sprach, gab Boris zu denken. Und der Dicke hatte nicht nur über diese Kreaturen geredet – er hatte ihm, Boris, sogar empfohlen, eines dieser Seltsamen aufzusuchen und anzuheuern!

Thomas Lewkos war ein Mann, an den man sich wandte, wenn man mit bestimmten Leuten bestimmte Probleme hatte. Diese Probleme lösten sich dann ziemlich rasch, weil derjenige, der sie heraufbeschworen hatte, zumeist plötzlich spurlos verschwand.

Manchmal, wenn der Kunde dies so wünschte, wurde die Leiche des Querulanten aber auch irgendwo in Moskau entdeckt, zugerichtet auf eine Art und Weise, die unmissverständlich darauf hindeutete, dass der Tote vor seinem Ableben höllische Qualen durchlitten hatte – damit alle, die sich mit diesem Burschen eingelassen hatten, die Warnung verstanden.

Von einem soliden zuverlässigen Geschäftsmann wie Thomas Lewkos, das wusste Boris mit unumstößlicher Sicherheit, waren keine halbgaren Behauptungen oder Scherze zu erwarten. Wenn Lewkos sagte, Boris solle wegen seines Problems Madame Chikolewa persönlich aufsuchen, war es, wie er jetzt erkennen musste, sinnlos, seine engsten Vertrauten loszuschicken anstatt selbst mit der Frau Kontakt aufzunehmen.

Boris’ Widerwille, diesen schäbigen Stadtteil zu betreten, war so groß gewesen, dass er sie lieber zu sich in den Palast bestellt hätte – mochte sie nun ein Geschöpf sein oder nicht. Doch das hatte sich als unmöglich herausgestellt. Dass seine Leute in der Srednayaya Pereyaslavskaya ulitsa nicht hatten fündig werden können, und dass Madame Chikolewa keinen Telefonanschluss besaß und auch im Internet nicht erwähnt wurde, hätte jeden anderen von ihrer Nichtexistenz überzeugt. Nicht aber Boris Karmanow, denn für ihn war eine Falschinformation aus Lewkos’ Mund undenkbar. Wenn dieser Berufsmörder behauptete, bei Madame Chikolewa würde es sich um ein Seltsames Geschöpf handeln, das man persönlich aufsuchen müsse, um ihre Dienste in Anspruch zu nehmen – dann entsprach das auch der Wahrheit! Basta!

Oder es zeugte davon, dass dieser Fettsack langsam anfing, den Verstand zu verlieren.

Wie sich nun herausstellte, gab es die von dem Killer erwähnte Adresse tatsächlich.

Die Seltsamen Geschöpfe verstanden es offenbar, sich vor den Sowjets zu verbergen. Und anscheinend bereitete es ihnen auch keine Schwierigkeiten, die Handlanger eines Gangsterbosses an der Nase herumzuführen. Dass seine Leute versagt hatten, war demnach sein Entscheidungsfehler gewesen, und darum durfte er sie nicht bestrafen. Das verbot ihm seine Ganovenehre.

In der Gasse gab es nur wenige funktionierende Straßenlaternen; ihre Lichtinseln waren weit gestreut und sorgten kaum für Helligkeit. Von oben sickerte ein fahles Schimmern in die Straßenzeile. Es rührte von der tief hängenden...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.