Galsworthy | Zu vermieten | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: Classics To Go

Galsworthy Zu vermieten


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-98744-586-6
Verlag: OTB eBook publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: Classics To Go

ISBN: 978-3-98744-586-6
Verlag: OTB eBook publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Geprägt von konfliktreichen, dramatischen Ereignissen, die den Kampf zwischen Familientradition und Befreiung von gesellschaftlichen Fesseln zum Gegenstand hat, gestaltet sich eine unterhaltsame Familiengeschichte über vier Generationen hinweg.

Galsworthy Zu vermieten jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Erster Teil
Erstes Kapitel
Begegnung In Gedanken über die Zukunft versunken, trat Soames Forsyte am Nachmittag des 12. Mai 1920 aus dem Knightsbridge-Hotel, wo er wohnte, um die Bildersammlung in einer Galerie nahe der Cork Street zu besuchen. Er ging zu Fuß. Seit dem Kriege nahm er nie eine Droschke, wenn es sich vermeiden ließ. Die Kutscher waren seiner Ansicht nach eine unhöfliche Gesellschaft, wenn sie auch jetzt, wo der Krieg vorüber war und das Angebot die Nachfrage wieder zu übersteigen begann, gewohnheitsmäßig höflicher wurden. Dennoch hatte er ihnen nicht verziehen, da er sie mit düsteren Erinnerungen und, wie alle Angehörigen ihrer Klasse, jetzt dunkel mit der Revolution identifizierte. Die große Angst, die er während des Krieges ausgestanden hatte, und die noch größere Angst, der er seither im Frieden ausgesetzt gewesen, war nicht ohne psychische Folgen für seine zähe Natur geblieben. Er hatte im Geiste so oft den Ruin erlebt, daß er aufgehört hatte, an dessen greifbare Wahrscheinlichkeit zu glauben. Zahlte man viertausend Pfund im Jahr an Einkommen- und anderen Steuern, was konnte einem da noch Ärgeres widerfahren! Ein Vermögen von einer Viertelmillion, wenn man nur für seine Frau und seine Tochter zu sorgen hatte, bot, da es auf sehr verschiedene Art angelegt war, selbst der »Kateridee« der Kapitalsabgabe gegenüber eine feste Garantie. Und was die Einziehung der Kriegsgewinne anbetraf, war er vollständig damit einverstanden, denn er hatte keine, und der »Bande« geschah ganz recht! Der Preis der Bilder überdies war mehr gestiegen als irgend etwas, und mit seiner Sammlung war es ihm seit dem Kriege besser gegangen denn je zuvor. Luftangriffe hatten ebenfalls günstig auf einen Geist gewirkt, der von Natur vorsichtig war, und einen an sich eigensinnigen Charakter gestählt. Ist man in Gefahr, völlig zerstückelt zu werden, so verringert sich die Furcht vor der teilweisen Zerstückelung, die Abgaben und Steuern mit sich bringen, während die Gewohnheit, die Unverschämtheit der Deutschen zu verurteilen, natürlich dazu geführt hatte, die der Arbeiter, wenn nicht offen, so doch im Grunde seines Herzens zu verurteilen. Er ging zu Fuß. Übrigens hatte er noch keine Eile, denn Fleur sollte ihn um vier Uhr in der Galerie treffen, und es war erst halb drei. Das Gehen tat ihm gut – seine Leber beengte ihn ein wenig, und seine Nerven waren ziemlich angegriffen. Seine Frau war immer unterwegs, wenn sie in der Stadt waren, und seine Tochter hatte, wie die meisten jungen Mädchen seit dem Kriege, nichts anderes im Sinn, als rastlos, wie ein Irrwisch, umherzuschwärmen. Aber er mußte dankbar sein, daß sie zu jung gewesen, im Kriege selbst etwas zu unternehmen. Natürlich hatte er den Krieg von Anbeginn mit ganzer Seele unterstützt, aber zwischen dieser Unterstützung und der körperlichen seiner Frau und seiner Tochter war ein himmelweiter Unterschied gewesen, und bei seinen etwas altmodischen Anschauungen verabscheute er jede extravagante Regung. Er war zum Beispiel streng dagegen gewesen, daß Annette, die so anziehend und 1914 erst vierunddreißig Jahre alt war, nach ihrer Heimat Frankreich, ihrer » chère patrie«, ging, wie sie es, durch den Krieg angeregt, zu nennen begonnen hatte, um ihre » braves poilus« zu pflegen! Das fehlte gerade, ihre Gesundheit und ihr Aussehen aufs Spiel zu setzen! Als ob sie wirklich Pflegerin wäre! Er hatte nichts davon hören wollen. Mochte sie zu Haus Handarbeiten machen oder stricken für sie! Sie war daher nicht gegangen und seitdem nie wieder ganz dieselbe gewesen. Eine böse Gewohnheit, ihn nicht offen, aber fortgesetzt auf allerlei Art zu verspotten, hatte sich verstärkt. Und für Fleur war durch den Krieg das schwierige Problem entstanden, ob sie in eine Pension kommen sollte oder nicht. Er hielt es für besser, wenn sie fern von der Mutter in ihrer Kriegsstimmung war, fern von dem Zufall der Luftangriffe und dem Bestreben, extravagante Dinge zu unternehmen; er hatte sie in einem Seminar so weit weg untergebracht, wie es ihm mit Vortrefflichkeit vereinbar schien, und hatte sie furchtbar vermißt. Fleur! Er hatte diesen etwas ausländischen Namen, für den er sich bei ihrer Geburt so plötzlich entschieden hatte – wenn es auch eine Konzession an die Franzosen gewesen war –, nie bereut. Fleur! Ein hübscher Name – ein hübsches Kind! Aber unstet – zu unstet, und eigenwillig! Sie kannte auch ihre Macht über ihren Vater! Soames dachte oft darüber nach, welch ein Fehler es war, in seine Tochter vernarrt zu sein. Alt zu werden und vernarrt zu sein! Fünfundsechzig! Er wurde älter, aber er fühlte es nicht, denn glücklicherweise vielleicht, wenn man Annettens Jugend und gutes Aussehen in Betracht zog, hatte seine zweite Ehe sich als eine kühle Angelegenheit herausgestellt. Er hatte in seinem Leben nur eine wahre Leidenschaft gekannt – für seine erste Frau – für Irene. Ja, und sein Vetter Jolyon, der mit ihr auf und davon gegangen war, sähe sehr klapprig aus, sagten sie. Kein Wunder mit zweiundsiebzig, nach zwanzig Jahren einer dritten Ehe! Soames hielt einen Augenblick im Gehen inne, um sich über das Parkgitter zu lehnen. Ein passender Ort für Erinnerungen auf halbem Wege zwischen dem Haus in Park Lane, das seine Geburt und den Tod seiner Eltern gesehen, und dem kleinen Haus in Montpellier Square, wo er vor fünfunddreißig Jahren die erste Ausgabe seiner Ehe genossen hatte. Jetzt, nach zwanzig Jahren der zweiten Ausgabe, kam ihm die alte Tragödie vor wie ein Dasein, das er früher geführt – und das geendet hatte, als Fleur anstatt des Sohnes geboren war, auf den er gehofft. Seit vielen Jahren hatte er aufgehört, es auch nur vage zu bedauern, daß ihm kein Sohn geboren war; Fleur füllte sein Herz völlig aus. Schließlich trug sie ja seinen Namen, und er sehnte sich durchaus nicht nach der Zeit, wo sie ihn ändern würde. Dachte er jemals an solch eine Kalamität, so war sie durch das unbestimmte Gefühl gemildert, daß er sie reich genug machen könnte, um den Namen des jungen Mannes, der sie heiratete, vielleicht zu kaufen und auszulöschen – weshalb auch nicht, da Frauen doch heutzutage den Männern gleich waren, wie es den Anschein hatte? Und in der heimlichen Überzeugung, daß sie es nicht waren, strich sich Soames mit der gebogenen Hand kräftig über das Gesicht, bis sie gemächlich bis zum Kinn hinunterglitt. Dank seiner enthaltsamen Lebensweise war er nicht fett und schwammig geworden, seine Nase war blaß und dünn und der graue Schnurrbart kurz gestutzt, seine Sehkraft ungeschmälert. Ein leichtes Vorbeugen machte das Höherwerden der Stirn unter dem zurückweichenden Haar weniger sichtbar. Die Zeit hatte den »begütertsten« der jungen Forsytes, wie der letzte der alten Forsytes – Timothy – jetzt, in seinem hundertsten Jahr, es ausgedrückt hätte, wenig verändert. Der Schatten der Platanen fiel auf seinen feinen Filzhut, er hatte die Zylinderhüte aufgegeben – es hatte keinen Zweck, in Zeiten wie diesen die Aufmerksamkeit auf Reichtum zu lenken. Platanen! Seine Gedanken wandelten lebhaft nach Madrid – Ostern vorm Kriege, als er jenes Goyabildes wegen einen Entschluß fassen mußte und eine Entdeckungsreise unternommen hatte, um den Maler an Ort und Stelle zu studieren. Der Mann hatte Eindruck auf ihn gemacht – ein sehr vielseitiger Maler, ein wahres Genie! Doch einen so hohen Rang er auch einnahm, er würde einen höheren einnehmen, bevor sie mit ihm fertig waren. Der zweite Goyarummel würde größer sein, als der erste gewesen, o ja! Und er hatte gekauft. Auf dieser Reise hatte er – was er nie zuvor getan – die Kopie eines Freskogemäldes, »La Vendimia« genannt, bestellt, auf dem die Gestalt eines Mädchens, einen Arm in die Seite gestemmt, ihn an seine Tochter erinnert hatte. Es hing jetzt in seiner Galerie in Mapledurham, und zwar ziemlich schlecht – man konnte Goya nicht kopieren. Wenn aber seine Tochter nicht mehr da war, würde er es um der Erinnerung willen, um des Unwiderstehlichen in der Beleuchtung, des straffen Gleichgewichts der Gestalt, der Weite zwischen den gewölbten Brauen, der glühenden verträumten Augen willen immer gern anschauen. Merkwürdig, daß Fleur dunkle Augen hatte, wo seine eigenen grau waren – kein echter Forsyte hatte braune Augen, und die ihrer Mutter waren blau! Aber natürlich, die Augen Madame Lamottes, ihrer Großmutter, waren dunkel wie Sirup! Er ging weiter bis zur Hydepark Corner. In ganz England gab es keine größere Veränderung als auf dem Reitweg in diesem Park. Beinah in Schußweite davon geboren, konnte er sich dessen seit 1860 erinnern. Als Kind hatte man ihn hingebracht, um zwischen Krinolinen die Dandys in engen Hosen mit Backenbärten anzustaunen, die in steifer Haltung vorüberritten, zu beobachten, wie die krausrandigen und die steifen weißen Hüte aus der Mode kamen und der kleine krummbeinige Mann in langer roter Weste, der mit Hunden an etlichen Leinen: King-Charles-Wachtelhunden und italienischen Windspielen, die in die Krinoline seiner Mutter verliebt waren, unter die modischen Leute zu kommen pflegte und versuchte, einen an sie verkaufen – jetzt war so etwas nie mehr zu sehen. Man sah niemand mehr von Rang, nur noch Arbeitervolk, das dumpf in Reihen saß und nichts zum Anstarren hatte als ein paar rittlings in den Sätteln sitzende kecke junge Reiterinnen mit Topfhüten oder Leute aus den Kolonien, die planlos auf elenden Mietsgäulen auf und nieder ritten, ab und zu hier und dort kleine Mädchen auf Ponys oder alte Herren, die sich Bewegung machten, zuweilen auch eine Ordonnanz auf einem großen Kavalleriepferd; kein Vollblut, keine Grooms, keine Verbeugung, kein Scharren, keine Unterhaltung – nichts, nur die Bäume waren dieselben – die Bäume, die...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.