Gallico | Mrs. Harris geht ins Parlament | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 122 Seiten

Reihe: Die Abenteuer von Mrs. Harris

Gallico Mrs. Harris geht ins Parlament

Roman
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-8412-1707-3
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, Band 3, 122 Seiten

Reihe: Die Abenteuer von Mrs. Harris

ISBN: 978-3-8412-1707-3
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mrs. Harris geht in die Politik.

Nicht jeden Tag wird eine Reinemachfrau Abgeordnete im britischen Unterhaus, aber Mrs. Ada Harris schon! Tapfer stellt sie sich vor die Mikros und Kameras und erobert mit ihrer fröhlichen Art schnell die Herzen ihrer Mitmenschen. Aber der Ausflug auf das spiegelglatte politische Parkett bringt auch so manche Stolperfalle mit sich. Doch da taucht Adas bester Freund, der charmante Chauffeur John Bayswater als Retter in der Not auf ...



Paul Gallico wurde in New York als Sohn der österreichischen Violinistin Hortense Erlich und des italienischen Komponisten, Musiklehrers und Pianisten Paolo Gallico geboren, die 1895 in die Neue Welt ausgewandert waren. 1916 begann Gallico ein Studium an der Columbia University, das er 1921 mit dem akademischen Grad eines Bachelor of Science abschloss. Danach arbeitete er als Sportjournalist bei den New York Daily News, wo er ab 1923 auch eine eigene Kolumne hatte.

In den 30er Jahren wandte er sich zunehmend vom Sport ab und verfasste Kurzgeschichten, von denen viele in der Saturday Evening Post erschienen. Viele seiner Erzählungen und Romane wurden später für Kino und TV verfilmt.

Paul Gallico war viermal verheiratet und hinterließ mehrere Kinder. Er starb am 15. Juli 1976 in Antibes im Alter von 78 Jahren.

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2


Am nächsten Morgen erhob sich Mrs. Harris beizeiten, um wie so viele Tausende ihrer Putzfrauenkolleginnen sich in die verschiedenen Wohnungen oder Büros zu begeben, die sie blitzsauber verlassen würden, damit die, die in ihnen arbeiteten oder wohnten, sie dann wieder versauen konnten. Sie dachte immer noch über die Diskussion am Abend zuvor und über ihren Traum nach.

Ein seltsames Gefühl von Unerfülltsein war in ihr, so wie sie es oft an sich erlebte, wenn sie sich an etwas erinnerte, das sie hatte tun wollen, aber nicht getan hatte. Es war ein recht schöner Traum gewesen. So manchen schönen Traum hatte Ada Harris im Laufe ihres Lebens geträumt, und einige davon hatte sie erstaunlicherweise erfüllen können.

Aber nachdem sie die Büros der Firma für elektrische Geräte am Sloane Square geputzt hatte, ging sie zu einer ihrer ältesten Kundinnen, Lady Dant, deren Garderobe einst der Anlass dafür gewesen war, dass Mrs. Harris nach Paris fuhr, um dort ausgerechnet ein Kleid von Dior zu erstehen, räumte dann bei Major Tiverton auf, der jeden Morgen eine erstaunliche Unordnung hinterließ – aber er war nun einmal Junggeselle –, machte schließlich im Laboratorium Alexander Heros sauber und hatte darüber das alles vergessen.

Es fiel ihr erst durch die ungewöhnlichen Umstände wieder ein, die sie in dem Haus Eaton Mews North 88 vorfand. Als sie nämlich die Schlüssel aus ihrer Plastiktasche herausgefischt und sich selber hereingelassen hatte, rief eine heisere Stimme aus dem Schlafzimmer oben: »Hallo! Sind Sie’s, Mrs. Harris? Erschrecken Sie nicht. Ich liege hier im Bett.«

Es waren wirklich äußerst ungewöhnliche Umstände und zu einer äußerst ungewöhnlichen Zeit. Denn wenn er in der Stadt blieb, war Sir Wilmot um neun Uhr morgens immer in seinem Büro, und jetzt war es schon nach elf.

»Sie sind doch nicht etwa krank?« rief Mrs. Harris.

»Nur ein bisschen erkältet«, krächzte Sir Wilmot von oben. »Es wird sicher bald wieder besser.«

Mrs. Harris stellte ihre Tasche ab und rief: »Bleiben Sie hübsch liegen, ich setze schnell Wasser für eine Tasse Tee auf. Ich komme dann gleich hinauf, um nach Ihnen zu sehen.«

Eine Tasse Tee war Mrs. Harris’ Allheilmittel oder zumindest der richtige Anfang jeder Kur. Sie füllte den Kessel, stellte ihn auf den Herd, streifte ihren Kittel über und band sich ein Tuch um den Kopf, ging in Sir Wilmots Schlafzimmer hinauf und sagte: »Da bin ich.«

Wenn Sir Wilmot offensichtlich auch nicht besorgniserregend krank war, so wirkte er doch leidend. Er hatte in der Nacht stark geschwitzt, denn sein schon schütteres Haar war ganz zerzaust und sein Pyjama zerknittert. Auch die Bettlaken waren zerknittert, und auf dem Nachttisch stand ein ganzes Sortiment von Pastillen und Medizinen, während auf der Bettdecke eine offene Aktentasche und verschiedene Papiere lagen und andere auf dem Fußboden verstreut waren. Die vielen Zigarettenstummel im Aschenbecher deuteten darauf hin, dass er die ganze Nacht die Wirkung der Heilmittel, die er eingenommen, durch Zigarettenrauch und Nikotin wieder zunichte gemacht hatte.

»Nein, so was!« sagte Mrs. Harris. »Sie unvernünftiger Mann! Sie haben ja alles nur noch schlimmer gemacht.«

»Ach, ich hab’s nur ein bisschen im Hals«, krächzte Sir Wilmot. »Aber mir war nicht danach, ins Büro zu gehen. Ich habe Bayswater aufs Land geschickt, um meine Frau zu holen. Mir fehlt weiter nichts. Das geht schnell vorüber.«

»Ja, bestimmt, sobald ich das Nötige getan habe«, sagte Mrs. Harris. »Zunächst einmal muss das Bett frisch bezogen werden, und Sie müssen einen sauberen Pyjama anziehen.« Sie war schon an seiner Kommode und reichte ihm den Pyjama. »So, und jetzt gehen Sie ins Badezimmer und waschen sich, während ich das Bett mache und hier ein wenig Ordnung schaffe. Ich werde Ihnen sagen, wann Sie wieder herauskommen können.«

In Wirklichkeit war Sir Wilmot froh, dass sie da war, denn seine Frau würde erst in mehreren Stunden eintreffen können. Er war ein großer, gut genährter Mann, der angenehm und attraktiv ausgesehen hätte, hätte nicht sein Gesicht ein wenig »unfertig« gewirkt. Alles darin war im Verhältnis zu dem übrigen etwas zu klein: die spitze Nase, der leicht verkniffene Mund, die ein bisschen zu eng aneinander stehenden Augen und die kleinen Ohren, als ob der Schöpfer hier mit dem Material geknausert hätte. Aber er war als ein recht netter Mann bekannt, besonders bei denen, die zufriedenstellend für ihn arbeiteten, und ebenso als ein gerissener, rücksichtsloser Antreiber hinter den Kulissen der Mittelpartei, die er bei den bevorstehenden Wahlen auf Vordermann zu bringen versuchte.

Jetzt trottete er gehorsam ins Badezimmer, seinen sauberen Pyjama in der Hand, und wirkte ein wenig wie ein altes Baby. Sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, machte sich Mrs. Harris ebenso eifrig wie geschickt an die Arbeit.

Zwanzig Minuten später lag Sir Wilmot behaglich in dem sauberen Bett, mit mehreren Kissen im Rücken und einem Tablett mit Tee, warmem, mit Butter bestrichenem Toast, Marmelade und Orangensaft auf dem Schoß. Die Aschenbecher waren geleert, die Vorhänge aufgezogen und das Zimmer frisch gelüftet. Er fühlte sich schon sehr viel besser. Das Gurgeln und das Waschen hatten ihm wohlgetan.

»Mrs. Harris, Sie sind ein Engel«, sagte er.

»Meinen Sie? Nun, es ist sehr nett von Ihnen, das zu sagen. Ich sorge gern für andere. Aber heute vormittag werden keine Zigaretten mehr geraucht, und Sie werden frühstücken, während ich unten putze. Dann komme ich wieder, um zu sehen, wie’s Ihnen geht, und vielleicht um ein bisschen mit Ihnen zu plaudern.«

An diesen Worten beunruhigte Sir Wilmot nichts, denn er war immer noch in so gehobener Stimmung, dass er vergessen hatte, was jeder Politiker weiß, dass nämlich nichts, absolut nichts im Leben umsonst ist und dass man für jeden Dienst, der einem erwiesen wird, zahlen muss.

Denn während Mrs. Harris unten den Teppich saugte, die Bilder und Nippes abstaubte und die antiken Möbel polierte, wurde in ihrem Inneren all das wieder lebendig, was sie am Abend zuvor gesehen, gehört und worüber sie nachgedacht hatte, und sie bereitete die Rede vor, die sie zwar nicht vorm Parlament, aber vor dem Macher von Parlamentariern, Sir Wilmot Corrison, halten würde. Wenn er auch selber kein Abgeordneter war, so wusste sie doch, dass er in der Politik eine große Rolle spielte.

Um ihrem gesunden Menschenverstand und ihrer Intelligenz gerecht zu werden, muss man sagen, dass Mrs. Harris sich an diesem Vormittag einfach nur darüber freute, dass sie einen ans Bett gefesselten unfreiwilligen Zuhörer hatte, der ihrem Redestrom nicht entrinnen konnte. Es war eine zu gute Gelegenheit, um sie ungenutzt vorübergehen zu lassen. Denn während Mrs. Harris eine unverbesserliche Plaudertasche war, waren ihre Kunden es meistens nicht, und sie war nicht dumm genug, um ihre Ausflüchte nicht zu durchschauen: »Liebe Mrs. Harris, ich würde ja gern noch bleiben und mit Ihnen plaudern, aber ich habe ein Taxi bestellt.« – »Wie ungeheuer interessant, Mrs. Harris. Ich wünschte, ich könnte noch das Ende Ihrer Geschichte hören, aber ich komme schon zu spät zu meinem Zahnarzt.« – »Ach, wie schade, Mrs. Harris. Hat es da nicht geklingelt?« – »Nächste Woche, wenn ich mehr Zeit habe, müssen wir uns ausführlich unterhalten.«

Aber dort oben lag, an Händen und Füßen ebenso durch Fesseln der Dankbarkeit wie der Unpässlichkeit gebunden, jemand, der nicht nur würde zuhören müssen, sondern von dem man sogar erwarten konnte, dass er verstand, wovon sie sprach.

Und so erschien, gerade als Sir Wilmot mit Genuss sein Frühstück verzehrt und sein Verlangen nach einer Zigarette unterdrückt hatte und nun dabei war, in ein seliges Dösen zu versinken, der »Geldeintreiber« in der Tür des Schlafzimmers in Gestalt einer kleinen alten Dame mit Bäckchen, so verschrumpelt wie Winteräpfel, dunklen Augen und einem schadenfrohen Zug um den Mund. Eine zarte, schmächtige Frau mit einem Tuch um den Kopf, unter dem graue Locken hervorlugten. Nicht ohne Anmut lehnte sie sich an ihre Waffe, den Besen.

Mrs. Harris begann: »Haben Sie gestern abend ferngesehen?«

»Was?«

»Ich meine das Programm mit dem Titel: ›Was meinen Sie?‹«

»Was? Ach ja. Das habe ich gesehen. Ich hatte nichts Besseres zu tun. Saudumm, nicht wahr?«

»Ich möchte gern Ihre Meinung über den – wie heißt er doch? hören. Den, der das Gespräch immer wieder an sich riss. Den mit den Fischaugen und den falschen Zähnen.«

Sir Wilmot war leicht amüsiert, ohne recht zu wissen warum. Im Bett zu liegen und mit seiner Putzfrau über Politik zu sprechen, gefiel dem Snob in ihm. »Meinen Sie den Ehrenwerten Ronald Puckle, M. P.? Das ist ein Esel!«

»Was tut er dann in unserem Parlament?« fragte Mrs. Harris.

»Man wählt ihn eben. Er redet einen Haufen anderer Esel unter den Tisch, die dann für ihn stimmen.«

»So was«, sagte Mrs. Harris. »Solch ein Gewäsch habe ich noch nie in meinem Leben gehört. Wenn man alles zusammenzählt, was er, wie er sagte, für das Land tun will, was hätte man dann zum Schluss? Nichts.«

Sir Wilmot grinste über Mrs. Harris’ schlaue Rechnung. Jedem Plus, das der Ehrenwerte Abgeordnete aus Marley Vale bot, folgte ein Minus, und die Endsumme war null. »So muss man’s machen, wenn man seinen Sitz im Parlament behalten will.«

»Nun, wenn ich das Land regieren würde, ich wüsste...



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