E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Reihe: Fischer Schatzinsel
Funke Kein Keks für Kobolde
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-10-402645-9
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Lustiger Abenteuerroman für Kinder ab 8 Jahren von Cornelia Funke
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Reihe: Fischer Schatzinsel
ISBN: 978-3-10-402645-9
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Cornelia Funke, geboren 1958, zählt zu den international erfolgreichsten und bekanntesten deutschen Kinder- und Jugendbuchautoren. Das US-Magazin »Time« wählte sie zu einem der 100 einflussreichsten Menschen des Jahres 2005, das ZDF kürte sie 2007 zu einer der 50 »Besten Deutschen Frauen«. Für ihre Bücher wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2020 für ihr Gesamtwerk. Cornelia Funke lebt in der Toskana, Italien.
Weitere Infos & Material
5. Kapitel
das von Nudeln in Tomatensoße handelt und von Schritten in der Dunkelheit
Bei Sonnenuntergang machten sie sich wieder auf den Weg. Immer noch war der Himmel wolkenverhangen, und kein Stern und kein Mond machte die aufziehende Dunkelheit etwas freundlicher. Stumm tappten die drei kleinen Gestalten durch das hohe Gras, zwischen verwelkten Kräutern und düsteren Brombeerdickichten hindurch. Die vielen abgefallenen Blätter machten das Gehen anstrengend. Zum Glück gab es so dicht bei der Lichtung kaum größere Tiere, vor denen sie sich in Acht nehmen mussten.
Es war stockdunkel, als sie wieder am Rand der Lichtung standen. Selbst ihre Koboldaugen durchdrangen die Schwärze der Nacht nur mühsam. Das Auto des Braunen stand vor dem Tor, und aus seiner Hütte drang ein matter Lichtschein. Der Hund war mit in der Hütte, das wussten sie. Der Braune nahm ihn immer mit hinein. Die drei Wohnwagen waren dunkel und standen wie dunkle Riesenbauklötze zwischen den Bäumen.
»Los!«, flüsterte Neunauge, und sie huschten zu der großen Buche und von da unter den verlassenen Wohnwagen.
»Welche Seite ist es?«, fragte Feuerkopf.
»Die linke«, flüsterte Siebenpunkt und schlich voran. »Da oben ist es«, zischte er und schob sich vorsichtig unter dem Wohnwagen hervor. Eine gute Koboldlänge über ihnen klaffte ein schwarzes Loch in der dunklen Wand.
»Du stellst dich hierhin!« Neunauge schob Feuerkopf mit dem Rücken gegen die Wohnwagenwand. »Ich bin die Leichteste und Kleinste von uns. Ich klettere auf deine Schultern und versuche hineinzukommen.«
»Okay.« Feuerkopf nickte. »Und was dann?«
»Na, dann kletterst du auf Siebenpunkts Schultern, und dann ziehen wir zusammen Siebenpunkt hoch.«
»Und wer steht Wache?«
»Also, ich auf keinen Fall«, flüsterte Siebenpunkt, »das ist mir zu unheimlich.«
»Dann Feuerkopf.«
»Kommt gar nicht in Frage«, zischte Feuerkopf, »meinst du, ich langweile mich hier unten rum, während ihr euer Abenteuer habt? Nichts da!«
»Na gut, dann gibt’s eben keine Wache.« Neunauge trat vor Feuerkopf. »Leg deine Hände zusammen, damit ich draufsteigen kann.«
Im Nu stand sie auf Feuerkopfs Schultern und griff von dort in das Rostloch, das vor ihr in der glatten Metallwand klaffte. »Verdammt!«, fluchte sie. »Die Kanten sind scharf!«
Ein paar feine Rostsplitter regneten auf Siebenpunkt und Feuerkopf herab, und dann war Neunauge plötzlich verschwunden. Ein paar Atemzüge später hörten sie sie leise kichern.
»Gar kein Problem«, zischte sie von oben herunter, »kommt rauf!«
Es war etwas schwierig, den struppigen, runden Siebenpunkt durch das enge Loch zu ziehen, aber schließlich standen sie alle drei im Inneren des Wohnwagens. Das Loch war zu ihrem Glück nur wenige Zentimeter über dem Fußboden des Wohnwagens, und sie hatten sich nur durchplumpsen lassen müssen. Direkt über ihnen waren ein paar Rohre, und fast direkt vor ihrer Nase ragte die Rückwand eines Schrankes in die Höhe.
Sie tasteten sich bis zu einer Ecke vor und traten ins Freie. Vor ihnen lag der Innenraum des Wohnwagens. Sie erkannten eine Bank und einen Tisch, ein Ding, wie es die Menschen zum Kochen benutzen, einen kleinen Schrank und ein Regal.
»Also, an die Arbeit!«, sagte Feuerkopf.
»Puh, das riecht vielleicht muffig hier«, sagte Neunauge und zog die Nase kraus. »Ich glaube, ich bin froh, wenn wir hier wieder raus sind.«
Gleich der kleine Schrank war ein Volltreffer. Die Besitzer des Wohnwagens hatten scheinbar die Absicht, vor dem Winter noch einmal zurückzukehren. Da standen Konservendosen mit Bohnen und Erbsen und Nudeln in Tomatensoße und eine Büchse Dosenmilch. Ein Beutel mit Äpfeln lag im Regal, und auf dem Tisch stand eine Schale mit Nüssen.
»Also, die Äpfel«, meinte Neunauge, »die können wir einzeln aus dem Loch werfen, die Nüsse auch, sogar die Dosenmilch. Aber kann mir einer von euch sagen, wie wir die verdammten Konservendosen rauskriegen sollen?«
»Die kleinen Erbsendosen müssten so gerade noch durchpassen«, sagte Feuerkopf, »aber die anderen«, er kratzte sich den Kopf, »die müssen wir wohl hier lassen.«
»O nein!« Siebenpunkt stöhnte vor Enttäuschung. »Die Nudeln in Tomatensoße hierlassen?«
»Wir können sie aus dem Fenster schmeißen«, Feuerkopf grinste, »dann haben wir aber mit Sicherheit den Braunen auf dem Hals. Sind die Dinger dir das wert?«
»Schon gut, schon gut!« Siebenpunkt seufzte. »Aber wir könnten doch wenigstens eine Dose hier essen, oder?« Er warf den anderen beiden einen flehenden Blick zu.
»Ich weiß nicht«, sagte Neunauge zögernd, »ich fühle mich nicht sonderlich wohl hier!«
»Ach, was soll schon passieren?«, meinte Feuerkopf lässig. »Schließlich haben wir dann für die nächsten Tage erst mal einen vollen Magen. Das ist doch was, oder?«
»In dem kleinen Schrank hab’ ich einen Dosenöffner gesehen!«, sagte Siebenpunkt eifrig und flitzte hin. »Seht ihr?«
»Na, so ein Glück, das ist keins von den ganz einfachen Modellen«, stellte Feuerkopf fest.
»Stimmt.« Siebenpunkt lächelte und leckte sich voller Vorfreude die Lippen. »Wir müssen nur diesen Griff hier drehen und – schwups – haben wir die Dose auf.«
Feuerkopf zerrte den Dosenöffner aus dem Schrank, und Neunauge sprang flink ins Schrankinnere.
»Ravioli«, murmelte sie und betrachtete mit gerunzelter Stirn die Bilder auf den Dosen. »Die hier müsste richtig sein«, sagte sie schließlich und stemmte ihre pelzige Schulter dagegen. »Passt auf, sonst rollt das verdammte Ding einmal quer durch den Wohnwagen.«
Polternd fiel die Dose herunter, und Feuerkopf bremste sie geschickt mit dem Dosenöffner.
»Eine verflixte Schinderei ist das immer!«, stöhnte Siebenpunkt, während er half, die Konservendose aufzurichten.
»Na, du wolltest ja unbedingt Ravioli essen«, sagte Neunauge ärgerlich.
Endlich stand das schwere Ding. Siebenpunkt hielt den Dosenöffner hoch, und Feuerkopf drehte. Knackend bissen sich die Metallzähne in den Dosendeckel. Aus dem Spalt, den sie hinterließen, drang ein köstlicher Geruch.
Siebenpunkt schnupperte genüsslich daran und griff dann hastig nach dem Deckel. »Au!«, jammerte er und betrachtete besorgt seine Hand.
»Es ist immer dasselbe«, Neunauge kicherte, »an jeder Dose muss er sich erst mal die Finger schneiden. Du bist zu gierig, Siebenpunkt!«
Der dicke Kobold warf ihr einen beleidigten Blick zu und fasste den Deckel vorsichtiger an. »Schraubgläser sind viel netter als diese verflixten Dosen«, brummte er, während sie den gezackten Deckel zurückbogen.
»Diesen Dosenöffner sollten wir mitnehmen«, sagte Feuerkopf, griff in die Dose und fischte eine soßentriefende Nudel heraus. »Mein Dosenöffner bekommt nicht die kleinste Dose mehr auf.«
»Meiner auch nicht.« Siebenpunkt schmatzte und wischte sich die Tomatensoße vom Kinn.
»Wenn ihr euch noch mehr mit der verdammten Soße bekleckert«, schimpfte Neunauge, »findet euch jeder Hund durch die Soßenspur, die ihr hinterlasst!«
Zerknirscht sahen die beiden an sich hinunter. Ihr Fell war über und über mit fettiger Tomatensoße besprenkelt.
»Wälzt euch auf dem Teppich da«, brummte Neunauge, »und dann lasst uns hier verschwinden!«
Gehorsam rollten Feuerkopf und Siebenpunkt sich auf dem harten, muffigen Teppich herum, bis sie wenigstens halbwegs sauber waren. Dann schoben sie die fast leere Dose ganz hinten unter die Sitzbank und schleppten alles, was sie mitnehmen wollten, zu dem Rostloch.
»Ich spring’ schon mal runter«, sagte Feuerkopf und schob ein schwarzes Bein aus dem Loch. »Ihr werft mir dann die Sachen zu, und ich roll’ sie unter den Wagen. Abgemacht?«
»Abgemacht.«
Feuerkopf verschwand. Sie hörten einen dumpfen Plumps, und kurze Zeit später drang seine Stimme hinauf: »Es kann losgehen!«
Sie hatten bereits drei kleine Dosen Erbsen, die Dosenmilch, den Dosenöffner, zwei Äpfel und mehrere Nüsse durch das Loch befördert und wollten gerade den letzten Apfel hindurchzwängen, als Siebenpunkt einen spitzen Schrei ausstieß. »Die Tür«, stotterte er und rüttelte dabei verzweifelt an Neunauges Arm herum, »da, Neunauge, die Tür!«
Neunauge begriff sofort. »Feuerkopf, verschwinde!«, zischte sie hinunter. »Lauf, der Braune kommt!«
Aber Feuerkopf hörte sie nicht. Er war gerade dabei, die Dosen unter den Wohnwagen zu rollen, und fluchte höllisch, weil ihm eine über den Fuß gerollt war.
In der Dunkelheit war eine Taschenlampe aufgeflammt. Entsetzt starrte Neunauge auf den schmalen Lichtkegel, der sich über die düstere Lichtung tastete, und auf den riesigen Schatten, der mit schweren Schritten auf den Wohnwagen zukam.
»Feuerkopf!« Verzweifelt versuchte sie, den schwarzen Kobold irgendwo da unten zu entdecken.
Feuerkopf kam, immer noch fluchend, unter dem Wohnwagen hervor und wollte gerade einen Apfel wegrollen, als er die Schritte hörte. Entsetzt fuhr er herum, und im selben Moment fiel das Licht einer Taschenlampe auf ihn. Geblendet stand er da, während Siebenpunkt und Neunauge vor Angst und Verzweiflung fast das Herz stehen blieb. Aber ehe der Braune ganz begriff, was das da vorne bei dem alten Wohnwagen eigentlich war, und gerade, als sein Hund einen Satz auf Feuerkopf zu machte, nahm der die Beine in die Hand und rannte um sein Leben. Er flitzte unter den Wohnwagen, wohin ihm der Hund zum Glück nicht folgen konnte, weil er viel zu groß war. Feuerkopf raste darunter hindurch, auf die große Buche zu, krallte sich in ihre Rinde und kletterte schneller an ihrem Stamm hinauf als ein Eichkater. Der Braune ging misstrauisch um den Wohnwagen herum, leuchtete in die...




