E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Reihe: POLYGLOTT Nice to meet you
Funk Nice to meet you, Tel Aviv!
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8464-1016-5
Verlag: Polyglott ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Auf Entdeckungstour ins Herz der Stadt
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Reihe: POLYGLOTT Nice to meet you
ISBN: 978-3-8464-1016-5
Verlag: Polyglott ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mirna Funk (*1981 in Berlin) ist SPIEGEL-Bestseller-Autorin, Schriftstellerin, Essayistin sowie Moderatorin und lebt in Tel Aviv. Neben Sachbüchern und Romanen schreibt sie Texte und Kolumnen für die FAZ, Die Zeit, SZ, Vogue Online und Cosmopolitan. In ihren literarischen Werken, essayistischen und journalistischen Arbeiten sowie kuratorischen Projekten geht Mirna Funk den Fragen nach der Präsenz jüdischer Kultur in Deutschland heute und einer gegenwartsorientierten Erinnerungskultur nach. Zuletzt erschien ihre Bücher 'Who Cares! Von der Freiheit, Frau zu sein' (2022) und 'Von Juden lernen' (2024).
Autoren/Hrsg.
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Impressum
Willkommen in Tel Aviv – in einer Stadt vieler Widersprüche
Meine Lieblingsorte in Tel Aviv
Mein Tel Aviv
Und noch mehr Tel Aviv
Mirna Funk
Geschmacksexplosionen sind garantiert!
Über 70 Nationen leben in Tel Aviv, kein Wunder, dass dieses Zusammenleben von so vielen Menschen aus aller Welt besonders in der Vielfalt von Gerichten zu spüren ist.
Der Himmel strahlt tiefblau. Die Sonne scheint stabil gelb. Vor mir steht ein Teller Feigen mit Ricotta und Olivenöl. Es ist Mittagszeit. Das Mirage, eines der vielen Restaurants des bekannten israelischen Kochs Eyal Shani, ist voll. Hier treffen sich zu jeder Tages- und Nachtzeit die Hipster, die Geschäftsleute und die Kreativen Tel Avivs. Lange gibt es das Restaurant noch nicht. Aber seit Eröffnung des Parks HaMesila, der die Stadtteile Florentin und Jaffa miteinander verbindet, ist es zum Hotspot geworden. Das Angebot konzentriert sich auf Fisch. Fleischgerichte findet man hier nicht auf der Karte, dafür aber Jerusalembohnen, die auch in den anderen Lokalen von Shani angeboten werden.
Mit zwei befreundeten Designern sitze ich beisammen und diskutiere Entwürfe für ein Buchcover. Zwischen Berlin und Tel Aviv zu leben, das ist die Verwirklichung eines Traums, der vor über 30 Jahren begann, als ich zum ersten Mal in den Flieger nach Israel stieg. Damals, 1991, war Israel noch ein anderes Land. Extrem von den USA beeinflusst, aber verortet in Nordafrika. Der Golfkrieg lag hinter dem Land, eine weitere Intifada vor ihm. Wer an Israel denkt, der hat Gewehre vor Augen, orthodoxe Siedler, Chaos. Befragen mich Personen zu meinen Tel-Aviv-Aufenthalten, dann immer mit dem Wunsch, die Stadt zu besuchen, und gleichzeitig der Sorge, dass ihnen etwas passiert. Aber Tel Aviv ist wie Barcelona oder Berlin am Meer und jederzeit einen Trip wert, denn die Lage ist weitaus sicherer, als es die Medien vermitteln. Die Stadt bietet nicht nur einen Strand, der zu den schönsten auf der Welt gehört, sondern eine der lebendigsten Ess- und Ausgehkulturen. Viel Gemüse und Hülsenfrüchte sind typisch für das Essen in Israel, dazu Gewürze wie Koriander, Kreuzkümmel, Kardamom und Petersilie. Fleisch wird eher wenig gegessen, eher mehr Fisch.
Viele Israelis erledigen ihre Einkäufe für den Schabbat auf dem Carmel Market.
Handeln nicht vergessen
Sowieso, das Essen. Das vergisst man nicht so leicht. Ich stopfe die letzte Feige in meinen Mund und beende unsere Besprechung. Anschließend mache ich mich auf den Weg zum Shuk HaCarmel, um Obst, Gemüse und Gewürze zu kaufen. Der Markt liegt in der Innenstadt, nur fünf Minuten vom Meer entfernt, mitten im alten jemenitischen Viertel Kerem HaTeimanim. Wieso jemenitisches Viertel? Weil hier im 19. Jahrhundert, lange vor der Staatsgründung Israels, jemenitische Juden ansiedelten – vielfach Flüchtlinge, die wegen ihrer jüdischen Identität verfolgt wurden. Die meisten von ihnen waren handwerklich geschickt, die traditionellen Steinhäuser in den engen Gassen spiegeln den architektonischen Stil wieder, den sie aus ihrer Heimat mitbrachten. Das Viertel ist berühmt für seine jemenitische Küche. Restaurants und kleine Läden bieten traditionelle Gerichte wie Malawach, Jachnun oder Zkhug an. Während Kerem HaTeimanim einst als bescheidene Wohngegend begann, hat es in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Veränderung durchgemacht. Heute ist es ein trendiger Ort mit vielen Bars, Restaurants und Kunstgalerien. Aufgrund seiner geschichtlichen Bedeutung und einzigartigen Architektur gibt es Bemühungen, die kulturelle und historische Integrität des Viertels zu bewahren, während es sich weiterhin entwickelt.
Ich quetsche mich durch den schmalen Pfad des Shuks. Es ist voll. Die meisten Stadtbewohner erledigen auf dem Markt ihre großen Einkäufe, weil die Waren gut, frisch und günstiger als im bekannten AM:PM sind. Die Supermarktkette mit dem blauen Logo und dem blauen Licht ist an fast jeder Ecke zu finden, die Filialen sind rund um die Uhr geöffnet. Auch an Schabbat, dem freien Tag, der am Freitag mit Sonnenuntergang beginnt und am Samstag mit Sonnenuntergang endet. Rechts und links von mir verkaufen Händlerinnen und Händler ihre Waren. Von T-Shirts über Unterhosen bis hin zu Spielzeug kann alles erworben werden. Abgesehen von den Lebensmitteln ist der Markt auch eine Touristenattraktion, weshalb entsprechende Sachen im Angebot sind.
Carmel Market
Der Carmel Market (Shuk HaCarmel) in Tel Aviv ist der größte und bekannteste Markt der Stadt. Er erstreckt sich entlang der Carmel Street und bietet eine lebendige Atmosphäre, die sowohl Einheimische als auch Touristen anzieht. Hier findet man eine große Auswahl an frischen Lebensmitteln, darunter Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch und Gewürze. Daneben gibt es Stände mit Kleidung, Schuhen, Haushaltswaren und handgefertigten Souvenirs. Der Markt spiegelt die Vielfalt Israels wider, von orientalischen Gewürzen bis hin zu internationalen Einflüssen. Die Nähe zum Strand und das pulsierende Umfeld machen ihn zu einem wichtigen Treffpunkt im Herzen Tel Avivs. Der Markt liegt an der HaCarmel Street und grenzt an die Allenby Street.
Wichtig ist: Auf dem Markt wird gehandelt. Kein Preis ist der Endpreis. Der Endpreis wird erst dann aufgerufen, wenn man sich schon im Gehen befindet. Feilschen muss gekonnt sein. Besonders in Israel. Ob man im Taxi sitzt, in einem Handyshop einkauft oder eben auf dem Markt. Wer die Preise bezahlt, die aufgerufen werden, ist selbst schuld. Denn die liegen meistens 50 Prozent über dem, was man eigentlich ausgeben müsste. Also, bloß nicht schüchtern sein, sondern selbstbewusst und durchsetzungsfähig. Handeln heißt, zu zeigen, dass man weiß, wie viel etwas kostet, selbstverständlich wird deshalb auch nur dieser Preis gezahlt. Allerhand lustige Situationen können so entstehen, bis hin zu gefakten Anrufen vonseiten der Verkäufer. Handeln ist in Israel ein Spiel, auf das man sich schamfrei einlassen kann. Wer nicht mitspielt, ist ein Spielverderber und wird dementsprechend bestraft. Gerade Deutsche können mit ihrem oftmals verklemmten Verhältnis zum Geld einiges lernen. Denn hier spricht man über Geld, hier diskutiert man über Geld und hier darf um Geld gestritten werden.
Äußerst beliebt: das buttrige Blätterteig-Fladenbrot Malawach.
Mit dem Corkinet an Strandlokalen vorbei Richtung Jaffa
Meine Plastiktüten sind nach einer Stunde gefüllt, und ich esse im Kerem, wie man das Viertel kurz bezeichnet, noch schnell ein bisschen Malawach. In einer der vielen Gassen, die vom Shuk abgehen, gibt es ein Restaurant, Der Jemenit, das meiner Einschätzung nach das beste Malawach hat. Aber was ist Malawach, dieses traditionelle jemenitische Gericht, das auch in Israel extrem populär ist? Die Blätterteigspeise ist eine Art Fladenbrot, das aus mehreren dünnen Teigschichten besteht und ordentlich fettig ist. Wie die meisten jemenitischen Gerichte im Übrigen. Der Teig enthält oft nur Mehl, Wasser und Salz und wird mit einer Menge Butter oder Margarine zubereitet. Das Fladenbrot selbst wird in einer Pfanne gebraten, bis es goldbraun und knusprig ist. Serviert wird es sowohl als süßes als auch als salziges Gericht. In Israel wird Malawach mit Tomatensauce, hart gekochten Eiern oder Labaneh (ein dicker, gesäuerter Joghurt) angeboten, für eine süße Variante mit Honig oder Marmelade. Und jetzt muss man nur noch die Aussprache üben. Am besten vor dem Spiegel. Ma-la-o-ach mit einem kratzigen »Krrrr« am Ende, nicht mit einem »Ch«, wie man es auf Deutsch normalerweise aussprechen würde, und einem verschluckten O. Los, noch mal: Ma-la-o-ach.
Mit vollem Magen und nicht minder vollen Tüten suche ich mir ein Corkinet, wie man E-Scooter in Tel Aviv nennt. Mein favorisiertes Fortbewegungsmittel in dieser Stadt. Denn in ihr gibt es viele Fahrradwege, und sie selbst ist gerade mal 70 Quadratkilometer groß. Man kann sich also relativ einfach und schnell von Nord nach Süd oder von Ost nach West bewegen. Ich schalte das Corkinet frei und hänge die Tüten an den Lenker. Dann geht es los Richtung Beachfront, die nur 300 Meter entfernt liegt. Dort verbindet ein Fahrradweg den Norden mit dem Süden. Ich muss nach Jaffa. Da ist meine Wohnung, die ich geswapt habe. Swappen, das ist Wohnungstausch. So habe ich es gemacht, während ich keine Wohnung in Tel Aviv hatte. Auch wegen der extrem hohen Mietpreise.
In den vielen Strandrestaurants lassen sich hervorragend Fisch und Meeresfrüchte essen.
Sundowner mit Meerblick
Am Strand befinden sich alle paar Meter Restaurants, in denen gängige Gerichte angeboten werden: Edamame (unreife Sojabohnen), Carpaccio, Chicken Wings oder Israeli Salad. Letzteres gibt es eigentlich in jedem Lokal, ein Salat aus Gurken, Tomaten und Lauchzwiebeln. Alles klein geschnitten, mit Olivenöl verfeinert, ein bisschen Salz und Pfeffer – und das war’s. Die Strandrestaurants heißen La Mer, Lala Land oder Manta Rei, jedes von ihnen liefert neben den Standardgerichten noch eine hervorragende Auswahl an Fischen. Tel Aviv ist eben eine Stadt am Meer. Also gibt es hier neben Fischen auch Schalentiere, die eigentlich nicht koscher sind. Koscher, das heißt essbar. Im Judentum existieren strenge Speiseregeln, die jedoch sehr viele im Land nicht befolgen. Aber manche schon. Schwein ist verboten, Scampi sind verboten und Fleisch mit Milchprodukten zu mischen ist auch nicht erlaubt. Bolognese mit Parmesan geht gar nicht.
Dass wir in Israel eine große Start-up-Szene haben, die sich auf Kunstfleisch konzentriert, kommt nicht von ungefähr. Im Labor hergestelltes Fleisch ist der Ausweg aus Tierleid, will man sich nicht nur vegetarisch oder vegan ernähren. Denn alles, was es dazu braucht, sind Stammzellen eines (koscheren) Tiers oder Fischs. Daraus werden dann in der Petrischale Schweinebeine...