Fuhlbrügge | Leichhof | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 411 Seiten

Fuhlbrügge Leichhof

Ein historischer Altheim-Krimi
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7541-9699-1
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein historischer Altheim-Krimi

E-Book, Deutsch, 411 Seiten

ISBN: 978-3-7541-9699-1
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der neue Roman im Coortext-Verlag: Altheim 1922. Auf einem abgelegenen Hof werden sechs Leichen entdeckt. Eine ganze Familie wurde erschlagen, samt Kindern und der Magd. Für die Polizei in Darmstadt steht schnell fest, dass Kriegsheimkehrer die Mörder waren. Doch Polizeidiener Adam Jost hat Zweifel an der Theorie. Denn es fehlt kein Geld. Außerdem haben die Täter noch tagelang das Vieh auf dem Hof versorgt. Und warum hat der Wachhund nicht angeschlagen? Jost geht diesen Fragen nach und merkt schnell, dass der Fall weit über die hessischen Grenzen hinausreicht. Doch seine Neugierde bringt ihn selbst in Lebensgefahr

Thomas Fuhlbrügge (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Katholische Religion, Politik & Wirtschaft, Ethik und Philosophie an der Bachgauschule in Babenhausen. Der Autor, Musiker und Liedermacher lebt mit seiner Frau und seinem Sohn im südhessischen Altheim
Fuhlbrügge Leichhof jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Kapitel 1 – Prolog


Für Jessica und Jannik.

Ich liebe euch –

zu jeder Zeit, an jedem Ort!

»Then the winged hussars arrived –

coming down they turned the tide …«

(Sabaton: Winged Hussars)

Thomas Fuhlbrügge

Leichhof

Ein historischer Altheim-Krimi

Bibliografische Information der Deutschen National-Bibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2022 -Verlag, Altheim

Buchcover: Germencreative

Lektor: Marc Mandel

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Donnerstag, 22.4 1915 – am Nachmittag

Ein sanfter Wind erhob sich aus dem Osten. Er wehte an den deutschen Linien vorbei. Über das Niemandsland. Kühlte die Gesichter der alliierten Soldaten, die in der Nähe von Ypern in Stellung lagen. Unerfahrene französische Reservisten, einige Briten, Kanadier und Algerier aus der nordafrikanischen Kolonie. Sie empfanden die Brise als angenehm und sahen sie als gutes Omen. Verstummten doch mit dem Wind wie auf einen Wink die deutschen Gewehre. Den ganzen Tag waren sie aufs Korn genommen worden. Die Soldaten atmeten durch. Ein vorsichtiger Blick zu den feindlichen Stellungen. Umgepflügte belgische, schwarze Erde umgab sie. Granattrichter und Stacheldrahtverhaue bis zum Horizont.

Der 18-jährige Frederic Maret sah eine große Karriere als Pianist vor sich. Erst gestern Abend unterhielt er seine Kameraden auf dem verstimmten Klavier mit Chopin. Maret wischte sich den Schweiß unter der Filzkappe mit dem Ärmel seiner blauen Uniformjacke weg. Eigentlich sollten sie Stahlhelme erhalten. Doch die waren mit dem Nachschub irgendwo stecken geblieben.

***

»Ist es so weit?« Flüsternd erkundigte sich Gefreiter Johannes Weidner bei Hauptfeldwebel von Bock. Dieser hockte direkt neben ihm und spähte zwischen zwei Sandsäcken hindurch. Vier Divisionen der 23. und 26. Deutschen Heeresgruppe kauerten in ihren Schützengräben. Bemüht, sich nicht zu rühren. Aus Angst, damit ihre Anwesenheit zu verraten. Fast schien der Tag verloren. Das Wetter musste passen. Ostwind mit 15 Stundenkilometern. Sonst konnten sie den heutigen Angriff nicht durchführen. Sollte er doch den Stellungskrieg mobil machen. Den Sieg beschleunigen. Jetzt war alles gegeben. Die Stofffetzen an einer Stange flatterten gleichmäßig. Windrichtung und -stärke stimmten.

Von Bock kurbelte am Feldtelefon. Lauschte der Stimme von Fritz Haber, dem Leiter der Desinfektionskompanie. Der Professor aus Berlin vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Elektro-Chemie war aus dem Stand zum Hauptmann befördert worden. Ohne je eine Offiziersschule besucht zu haben. Die Wissenschaft gehört im Frieden der ganzen Welt – im Krieg jedoch dem Vaterland. Das hatte er erst gestern der versammelten Mannschaft erklärt. Die Feldversuche in der Döberitzer Heide bei Berlin waren erfolgversprechend. Heute würden sie die Kriegstauglichkeit unter Beweis stellen. Der Vorgesetzte nickte dem Gefreiten zu.

17.00 Uhr. Drei rote Raketen zischten in den Himmel. Sie signalisierten den Beginn eines ohrenbetäubenden Artilleriefeuers. Granaten schlugen in das verlassene Ypern und die umliegenden Schützengräben ein. Sie trafen auch den Gasthof Le Coq mit dem Klavier. Ließen es für immer verstummen.

***

Jetzt hieß es, die Köpfe einzuziehen. Auf den Schutz der Unterstände hoffen. Aufgewühlte Erde spritzte. Schreie von links. Ein Volltreffer. Die armen Frontschweine. Würde der nächste Sturmangriff folgen? Mit lautem deutschem Hurra den knatternden französischen Maschinengewehren entgegen? Wie jeden Tag. Sollten sie kommen! Das Trommelfeuer der Krupp-Kanonen ließ nach.

Rekrut Maret fingerte einen neuen Munitionsstreifen in sein Lebel-Gewehr und lud durch. Ein rascher Blick durch das Armeefernglas. Von den verhassten Boches sah er zwei grünlichgelbe Wolken aufsteigen. Der Wind ergriff sie. Trieb sie in Schwaden dicht über dem Boden voran. Bis sie in einer einzigen Nebelbank verschmolzen.

***

Hastig drehte der Gefreite Weidner an den Ventilen. Ebenso die Kameraden, die um ihn kauerten. Außerhalb der Sichtweite der Franzosen. Durch Sandsäcke und betonierte Stellungen geschützt. Deutsche Pioniere hatten an einem sechs Kilometer langen Frontabschnitt in den letzten beiden Wochen 6000 zylinderförmige Druckbehälter mit Bleirohren verbunden und über die Brustwehr ausgerichtet. Alles streng geheim. Jetzt wurden diese geöffnet. Sie enthielten flüssiges Chlor. Sofort verdampfte es und bildete eine dichte Wolke. Ein Chloranteil von 0,003 Prozent in der Luft ruft einen brennenden Hustenreiz hervor. Ab 0,1 Prozent kann es tödlich sein. Ein weiterer Windstoß. 160 Tonnen davon, eineinhalb Meter hoch, bewegten sich auf die Schützengräben der Alliierten zu.

Innerhalb einer Minute erreichten die Schwaden die erste Frontlinie der Franzosen. Zehntausend Soldaten wurden von der Wolke eingeschlossen. So dick, dass man den Nebenmann nicht mehr deutlich sah. Die Ersten umklammerten ihre Kehle. Weidner griff nach seiner Gasmaske.

Er wusste, Chlor führte nicht zum Ersticken. Es reagierte mit den Innenwänden der Bronchien und verätzte sie. Sogleich verstopfte eine beträchtliche Flüssigkeitsmenge die Luftröhre. Schäumte aus Mündern und Nasen. Die Vergifteten ertranken innerlich.

***

Japsen, keuchen, erstickte Schreie. Rekrut Maret blickte sich panisch um. Einige der Kameraden steckten die Visage in die Erde. Andere rannten kopflos davon. Aber jeder Versuch, die Wolke hinter sich zu lassen, führte zu erschwerter Atmung und fortschreitendem Elend. Einige husteten dermaßen stark, dass ihre Lungen platzten.

Der 18-Jährige hielt die Luft an. Das beherrschte er schon als Kind. Er kam aus der Nähe von Lourdes. Die Heilige Jungfrau war dort erschienen. Täglich betete er, dass sie ihn beschütze. Auch in diesem Moment fiel ihm nichts anderes ein. Er hätte sein Leben lieber einer Gasmaske anvertraut. Doch die gab es nicht. Er dachte an die Apokalypse des Johannes: Der sechste Engel blies seine Posaune. Ein Drittel der Menschen wurde getötet, durch Feuer, Rauch und Schwefel, die aus ihren Mäulern hervorkamen. So sah es also aus, das Ende der Welt.

Was hatten sie in der Grundausbildung für solche Fälle gelernt? Sein Hirn raste. Jemand sprach einmal über Gas. Capitaine Strauss hatte den gewaltigsten Schnauzbart, den Maret je gesehen hatte. Walross nannten ihn alle in der Kompanie. »Wenn nichts anders zur Verfügung steht, stopft euch das Taschentuch in den Mund. Macht es vorher nass. Notfalls draufpinkeln.« Damals lachten alle. Keiner konnte sich so etwas Widerliches vorstellen.

Er tastete nach seinem Tuch. Doch er fand es nicht im Uniformrock. Gestern gab er es einem angeschossenen Kameraden. Neben ihm gurgelte ein Unbekannter und starb. Rekrut Maret musste rasch handeln. Er zog ihm den linken Stiefel aus und streifte den Socken vom Fuß. Dann öffnete er das Koppel, griff in die Hose und urinierte darauf. Ab damit zwischen die Zähne. Nur noch durch den Mund atmen. Auch wenn es sich unbeschreiblich eklig anfühlte. Vielleicht würde es sein Leben retten. Er stand auf und lief.

Überall um ihn Leichen. Mit Verfärbungen im Gesicht, am Hals und den Händen. Alle Gegenstände, die mit dem Chlor in Berührung gekommen waren, hatten ihren Glanz verloren und einen stumpfen grünen Farbton angenommen. Die Gewehre verrosteten in Sekunden und sahen aus, als lägen sie monatelang im Schlamm.

Bloß weg von hier. Über den nächsten Schützengraben. Darin menschliche Kadaver. Drei oder vier übereinander. Alle vergast. Wie Ratten. Er stolperte und landete mitten unter ihnen. Seine Lungen brannten und füllten sich mit Flüssigkeit. Die Augen tränten. Sie schienen aus dem Kopf quellen zu wollen.

Ein Blick nach hinten. Flüchtig erkannte er durch die Wolken deutsche Soldaten, die wie Taucher gekleidet waren. Eine Haube, die zwei verglaste Öffnungen für die Augen freiließ. Vor dem Mund baumelte ein Gummirüssel. Durch die dichten Schwaden stapften sie mit Gewehren und Flammenwerfern. Ein albtraumhafter Anblick. Sie hatten nichts Menschliches mehr. Eine Armee der Finsternis. Mit dem Pesthauch der Hölle umgeben.

***

Gefreiter Weidner ging mit seinen Kameraden zum Angriff über. Die Montur saß vorschriftsmäßig. Der Flanell in der Kartusche war in die Sodalösung getaucht. Das gab den entscheidenden Schutz. Verschwommen blickte er durch trübe Scheiben und dichtes grünes Licht hindurch. Ihm fiel das Atmen schwer. Schweiß rann...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.