Fuchs | Kampf um Sinn | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Fuchs Kampf um Sinn

Kulturmächte der Moderne im Widerstreit
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8316-4072-0
Verlag: Herbert Utz Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Kulturmächte der Moderne im Widerstreit

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

ISBN: 978-3-8316-4072-0
Verlag: Herbert Utz Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Offensichtlich ist in der Moderne Sinn zu einer knappen Ressource geworden. Denn viele Menschen, Berufe oder Institutionen versprechen, die Sehnsucht nach Sinn zu erfüllen. »Kultur« spielt in diesem Kontext eine wichtige Rolle. Denn diese ist es, die in zahlreichen Gesellschaftstheorien die Aufgabe der Sinnproduktion zugewiesen bekommen hat. Doch was ist das überhaupt, die »Kultur«? Das Buch führt in die inzwischen unüberschaubar gewordene Diskussion über geeignete Definitionen ein, stellt anschließend dar, wieso Wirtschaft, Politik, Religion und die Gemeinschaft als »Kultur« verstanden werden können und zeigt, dass und wie es aufgrund dieser Verständnisweise zu einer Konkurrenz um das beste Sinnstiftungsangebot kommt. Das Buch wendet sich an Studierende der Human- und Gesellschaftswissenschaften, die ihr Verständnis von »Kultur« und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung klären wollen.

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Weitere Infos & Material


1;Inhaltverzeichnis;6
2;Vorwort;8
3;1. Zur Einleitung: Was ist Kultur? Zehn Aspekte;10
4;Teil I: Kulturelle Grundlagen der Gesellschaft;24
5;2. Kultur oder Leitkultur?;24
6;3. Zur Genese von Kultur: Quellen, Bereiche, Geschichte;35
7;4. Eine Zwischenbilanz;59
8;Teil II Kulturmächte;70
9;5. Wirtschaft als Kultur;70
10;6. Politik als Kultur;112
11;7. Religion als Kultur Zur Relevanz des Religiösen;132
12;8. Kulturmacht Gemeinschaft Vorbemerkung;157
13;Teil III Kulturmächte im Widerstreit 9. Der Streit um Sinn;176
14;9. Der Streit um Sinn;176
15;10. Schlussbemerkung: Bildung und Erziehung als Kultur;188
16;Literaturverzeichnis;192
17;Liste der Abbildungen;206


Teil III Kulturmächte im Widerstreit (S. 173-174)

9. Der Streit um Sinn

Rüdiger Safranski (2007, S. 392 ff.) kommt am Ende seines Buches über die Romantik auf die Rolle des romantischen Denkens in der Politik zu sprechen. Dieses war von Anfang an in mehrfacher Hinsicht vorhanden:

“Die Romantik als Epoche ist vergangen, das Romantische als Geisteshaltung aber ist geblieben. Es ist fast immer im Spiel, wenn ein Unbehagen am Wirklichen und Gewöhnlichen nach Auswegen, Veränderungen und Möglichkeiten des Überschreitens sucht.“ Die Romantik arbeitet sich ab an einer vermeintlichen Dominanz des Rationalen, der Unterdrückung der Sinne, der Phantasie, der Individualität.

Man kann die Romantik einordnen nicht nur in die Geschichte der Moderne, sondern in die Geschichte der Selbstreflexion dieser Moderne, speziell: ihrer Ambivalenz und Dialektik. Die Moderne bedeutet durchaus Warenproduktion, Überfluss und Befreiung. All dies hat aber seinen Preis, den viele nicht zu zahlen bereit sind. Bereits im Vorwort habe ich auf die aktuelle Debatte über die Bewertung der mit der gegenwärtigen Etappe der Moderne verbundenen Wirtschaftsform, dem globalisierten Kapitalismus, hingewiesen. Harte Kritiker werfen ihm nicht nur eine höchst ungerechte Verteilung des Wohlstandes, sondern auch eine massenhafte Deformation des Menschen vor.

Gerade weil die Romantik hier ansetzt und Alternativen für die Künste, die Lebensweise die Politik vorschlägt, findet man viele ihrer Motive in der Postmoderne, dem vorläufig letzten großen Aufbäumen gegen die Zumutungen der Moderne. Ob allerdings gerade die politischen Vorschläge und Alternativen, die aus einem romantischen Denken heraus entwickelt werden, aus der Krise führen, darf bezweifelt werden. Denn neben der allseits bekannten und beschriebenen Dialektik der Aufklärung gibt es eine nicht minder gefährliche Dialektik der Romantik. So gibt es zwar – gerade bei ihren ersten Vertretern – gesellschaftskritische Vorstellungen, die auf eine Entwicklung in Richtung mehr Demokratie zielen.

Die einflussreichste Tendenz ist jedoch eher rückwärts gewandt. Die Konzentration auf den Einzelnen, der bestenfalls in einer „Gemeinschaft“ ein zu Hause findet, eine Ablehnung der Massengesellschaft – was auch heißt: der Massendemokratie –, die Pflege eines aristokratischen Ästhetizismus: all dies hat oft genug und gerade in der Weimarer Republik eine unheilvolle Rolle gespielt. Safranski kann – auch im Hinblick auf dieses Problem – auf einen der Gründerväter, nämlich Friedrich Schlegel, hinweisen. Dieser forderte die „Trennung der Sphären“, speziell: die Entlastung des Schönen von Wahrem und Sittlichem. Dies, so Safranski, war die Grundlage für die „Grandiose Entfesselung des Romantischen“ (393). In diesem Sinne fährt er fort:

„Das Romantische gehört zu einer lebendigen Kultur, romantische Politik aber ist gefährlich. Für die Romantik, die eine Fortsetzung der Religion mit ästhetischen Mitteln ist, gilt dasselbe wie für die Religion: Sie muss der Versuchung widerstehen, nach der politischen Macht zu greifen. Phantasie an die Macht! – das war wohl doch keine so gute Idee.“ (ebd.). Dieser Gedanke der Trennung der Sphären ist am strengsten in der funktionalen Soziologie in Anschluss an Talcot Parsons ausgearbeitet worden. Dieser unterscheidet im Anschluss an die Gründerväter der Soziologie in Deutschland und Frankreich gesellschaftliche Subsysteme (Politik, Wirtschaft, Gemeinschaft und Kultur) mit jeweils eigenen Aufgaben, Handlungslogiken und Kommunikationsformen.

Dem Subsystem Kultur (Religion, Kunst, Wissenschaften etc., Medium ist „Sinn“) bleibt es vorbehalten, über Sinndiskurse die Handlungen und Entwicklungen in den drei anderen Subsystemen zu reflektieren und zu bewerten. Aus diesem Grunde muss das Subsystem Kultur einen gewissen Schutzraum haben: Im Hinblick auf die Geschwindigkeit (eher langsam), die Ergebnisse (gerade nicht notwendig „effizient“), die Einheitlichkeit (Vielfalt), auf das Verfahren (diskursiv, Wiederholungen sind dabei unvermeidlich). Diese Gedanken des Schutzraums machen es dann auch möglich, das Romantische ohne negative Auswirkungen auf das Ganze der Gesellschaft auszuleben."



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