Fröhlich Maddrax - Folge 384
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7325-0265-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Auf der Jagd nach dem Ich
E-Book, Deutsch, Band 384, 64 Seiten
Reihe: Maddrax
ISBN: 978-3-7325-0265-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Matt Drax wird sterben! Falls es ihm nicht gelingt, Hilfe zu finden bei jemandem, der fähig ist, eine riskante Gehirnoperation durchzuführen. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass er diese Hilfe nur bei seinen Feinden finden kann: den Schwarzen Philosophen, deren Statthalter Jacob Smythe für seinen Zustand verantwortlich ist. Doch wird er den Kontakt rechtzeitig aufnehmen können? Immer mehr seiner Hirnbereiche fallen aus, und bald droht Matthew seine Persönlichkeit und Vergangenheit zu verlieren...
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Jahrelang hatten die Schwarzen Philosophen den nachgebildeten Leib des Zeitenwanderers Matthew Drax in einem stationären Labor in ihrer Heimat Neepal aufbewahrt, weggesperrt in einem Kryotank. Von vielen vergessen als das gescheiterte Experiment, das er war. Andere wollten ihn gar vernichten. Nur Bruder Dshy hatte darauf beharrt, den komatösen Körper aufzubewahren. „Vielleicht ergibt sich eines Tages die Möglichkeit, ihn einzusetzen“, hatte er stets gesagt – und den Rat und vor allem den Schwarzen Mond letztlich überzeugt. Dhasen Sham musste sich eingestehen, dass er selbst nicht an Dshys Vision geglaubt hatte. Aber er war der Erste, der zugab, dass er sich geirrt hatte. Und nun war es endlich so weit. Die Falle für den echten Matthew Drax würde demnächst zuschnappen. Jacob Smythe, der bald seine Rolle als Statthalter von Waashton einnehmen sollte, hatte ihn plangemäß angelockt. Er würde den Zeitenwanderer überwältigen, ihn den Schwarzen Philosophen übergeben und damit die letzte Phase des Plans einläuten. Bruder Dshys Plan. Wenn sie zum Schwarzen Kloster zurückkehrten, erwartete ihn dort gewiss eine Ehrung. Dhasen umrundete den gläsernen Tank und fragte sich, ob der Drax-Klon etwas von dem bemerkte, was um ihn herum vorging. Das Koma, in das man ihn nach dem Umzug in die Nährlösung gelegt hatte, griff nicht so tief, als dass man ihn nicht schnell daraus erwecken konnte. Also schwamm sein unfertiges Bewusstsein womöglich nur knapp unter der Oberfläche, nahe genug am Wachzustand, sodass er Dhasens Schritte in dem winzigen, langgestreckten Labor durchaus hören mochte. Ein durchdringendes Brummen riss den Mönch aus seinen philosophischen Gedanken. Es vergingen einige Augenblicke, bis er den Laut als Alarmton erkannte. Über der Tür zur Kontrollzentrale blinkte hektisch ein rotes Licht. Der Schwarze Philosoph schob sich an einem Operationstisch vorbei, stieß mit dem Schienbein gegen das Gehäuse des Memoraltransformators, ignorierte den Schmerz und eilte zu der Metalltür. Da flog auch schon die zweite Schleuse, der Eingang zum Labor, auf und Bruder Dshy stürmte herein. „Was ist geschehen?“, fragte er. „Ich weiß es nicht.“ „Der Drax-Klon?“ Dshys besorgter Blick ging zum Nährlösungstank. „Nein, mit ihm ist alles in Ordnung.“ „Was ist es dann?“ Wie zur Antwort schwang ihnen die Tür zum Kontrollzentrum entgegen. Bruder Llamaloi stand im Türrahmen, die Augen weit aufgerissen, Schweiß auf der Stirn. Die Narbenwulste, die er anstelle des linken Ohrs trug, seit er es bei einem Ausbildungskampf verloren hatte, glühten rot vor Aufregung. „Wir haben ein Problem mit dem Roboter!“ Sie folgten Llamaloi in den beengten Raum, der mit Rechnern, Bildschirmen, Kontrollpaneelen und Energiezellen vollgestopft war. Llamaloi ließ sich auf einen Rollschemel sinken, bugsierte sich mit einem Tritt vor einen Monitor und deutete mit zittriger Hand darauf. Dhasen und Dshy bauten sich hinter ihm auf und schauten ihm über die Schulter. Der Bildschirm zeigte das Gesicht eines Mannes mit hervorquellenden Augen und grauweißem, zu einem Pferdeschwanz gebundenem Haar. Jacob Smythe, der künftige Statthalter von Waashton, wenn alles glattging. Aber das tat es offenbar nicht. Im oberen rechten Monitoreck blinkte in knallroten Buchstaben der Satz: „Verbindung wird hergestellt. Bitte warten.“ „Was soll das heißen?“, fragte Dshy, obwohl er es genau wusste. „Wir haben ihn verloren.“ Llamaloi klang kleinlaut, als träfe ihn eine Schuld an dem, was der Bildschirm anzeigte. „Verloren?“ „Der Konditionierungskristall arbeitet nicht mehr.“ „Das ist unmöglich!“, rief Dshy, obwohl die Schrift auf dem Monitor etwas anderes behauptete. „Es ist bisher nie passiert“, sagte Dhasen. „Das heißt nicht, dass es unmöglich ist.“ Dshys Kopf ruckte herum. „Willst du mich belehren?“ „Ich … ich …“ Dhasen senkte den Blick und schwieg. Wenn Bruder Dshy in Rage geriet – und die unheilvolle Glut in seinen schwarzen Augen zeigte, dass genau dies geschah –, widersprach man ihm besser nicht, wenn man keinen Wert auf einen rituellen Maßregelungszweikampf legte. Seit sie gemeinsam unterwegs waren, hatte Dhasen sich dreimal darauf eingelassen – und dreimal hatte er fürchterliche Prügel bezogen. Auf ein viertes Mal konnte er gut verzichten. „Also“, wandte sich Dshy wieder Bruder Llamaloi zu. Mit einem Mal klang seine Stimme kalt und analytisch. „Was ist los? Eine Fehlfunktion des Konditionierungskristalls?“ Der Angesprochene öffnete eine Datei. Zahlenkolonnen ratterten über einen zweiten Bildschirm. „Das ist das Protokoll des Smythe-Kristalls. Es zeigt die Ortungsdaten, den Energieverbrauch der Konditionierungsimpulse und deren Häufigkeit, den Funktionsstatus und die voraussichtliche Restnutzungsdauer der Gesamteinheit. Anhand der Werte können wir erkennen, ob …“ „Bruder Llamaloi Goyna!“, sagte Dshy. Die Kälte in seiner Stimme hätte ausgereicht, die Matthew-Drax-Kopie für Monate im Kryoschlaf zu halten. „Ich will von dir keinen Vortrag darüber, wie das System funktioniert. Ich will wissen, warum es ausgerechnet diesmal eben nicht funktioniert!“ „Natürlich. Entschuldige. Restnutzungsdauer und Funktionsstatus lieferten bis zum Verbindungsabbruch die erwarteten Werte. Eine Funktionsstörung können wir deshalb ausschließen. Dafür sticht eine andere Sache ins Auge: In den letzten Stunden, bevor wir Smythe verloren haben, erfolgte der Konditionierungsimpuls ungewöhnlich oft und verbrauchte untypisch viel Energie.“ „Willst du mir damit sagen, dieses Ding ist leer?“ Llamaloi schüttelt den Kopf. „Der Kristall verfügt über keine eigene Energieversorgung, sondern bedient sich am System seines Trägers. Nein, die Werte deuten vielmehr darauf hin, dass sich die Konditionierungseinheit häufiger und stärker als üblich gegen etwas anstemmen musste, um ihre Aufgabe zu erfüllen.“ „Gegen etwas?“ „Gegen das Bewusstsein von Jacob Smythe.“ Nun endlich begriff Dhasen Sham, was Bruder Llamaloi ihnen sagen wollte. Auch Dshy schien zu verstehen. „Du meinst, unsere Brüder in Nuu’oleens haben jemanden von den Toten zurückgeholt, der zu stark ist, um ihn zu konditionieren?“1 „Der Kristall hat dagegen angekämpft. Als es ihm selbst unter Volllast nicht gelungen ist, hat er sich vermutlich abgeschaltet.“ „Kannst du ihn reaktivieren?“ „Die Konditionierungseinheiten senden lediglich Daten. Es ist nie gelungen, sie mit einem Empfänger zur Fernsteuerung auszustatten, weil die neuronale Vernetzung …“ „Kannst – du – ihn – reaktivieren?“ „Nein.“ „Ortungsdaten?“ „Nicht seit dem Verbindungsabbruch.“ Dhasen Sham spürte Hitze in sich aufsteigen. Bruder Llamalois Behauptung, sie hätten Smythe verloren, war nicht einfach so dahingesagt gewesen. Der Roboter folgte nicht nur seinen auf dem Kristall hinterlegten Zielen und Anweisungen nicht mehr, er war mit technischen Mitteln auch nicht mehr aufzuspüren. Es war schlimm genug, dass sie jemanden wie Smythe von den Toten zurückgeholt und ihn mit einem besseren, widerstandsfähigeren Körper ausgestattet hatten, den sie nicht mehr kontrollieren konnten. Noch schwerer wog jedoch, dass soeben – nur kurz vor dem Ziel – das Projekt Drax gescheitert war. „Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Dhasen und rechnete im nächsten Augenblick mit einer harschen Antwort von Bruder Dshy. Die jedoch blieb aus. Stattdessen sagte Dshy: „Ich sehe nur eine Möglichkeit.“ „Welche?“, fragten Dhasen Sham und Llamaloi Goyna gleichzeitig. Bruder Dshy erklärte es ihnen. Waashton, Ende Mai 2545 Als Matthew die Arena betrat, offenbarte sich ihm ein Stillleben der Zerstörung. Überall schwelten kleine Brände im Grün, schwärende Löcher von Lasertreffern prangten an Säulen und im Boden. Steinbögen waren in sich zusammengestürzt, Bänke zersplittert. Keine Frage, hier hatte ein verbissener Kampf stattgefunden. Nur von den beiden Antagonisten war nichts zu sehen. Crow und Smythe mussten sich noch bis vor kurzem beharkt haben, aber jetzt waren nur noch die Spuren ihrer Zerstörungswut auszumachen.2 Matt schluckte und fasste den Vircator fester. Langsam stieg er die flachen Treppen zur Mitte des Theaters hinab, sah sich nach allen Seiten um. Er hielt es für unwahrscheinlich, dass sich die beiden Androiden allzu weit vom Kampfplatz entfernt hatten. Lagen sie irgendwo auf der Lauer und tappte er ihnen direkt vor die Läufe ihrer Waffen? Aber dieses Risiko musste er auf sich nehmen, wenn er die beiden mit seiner EMP-Waffe aufhalten wollte: den despotischen Herrscher über Waashton genauso wie den unberechenbaren Statthalter der Schwarzen Philosophen, der am heutigen Tag eigene Ansprüche auf die Stadt geltend machen wollte. Ihr werdet die Stadt beide nicht bekommen, dachte Matt grimmig. Sie gehört den Menschen, die hier leben. Er erreichte die Mitte der Arena und drehte sich vorsichtig im Kreis. Die Rauchschwaden gaukelten ihm Bewegungen vor, wo keine waren. Büsche, die sich zwischen den noch aufrecht stehenden Säulen im Wind bewegten, waren genauso verdächtig wie Steinquader, hinter denen man Deckung suchen konnte. Matthews...