Fried | Rosannas Tochter | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Fried Rosannas Tochter

Roman
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-641-13805-9
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

ISBN: 978-3-641-13805-9
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Zwei ungleiche Rivalinnen – und die Liebe eines Mannes

Bei einem Autounfall stirbt Rosanna, die geheimnisvolle Ex-Freundin des jungen Rechtsanwalts Josch. Sie hinterlässt ihre vierzehnjährige Tochter Aimée, ein Mädchen zwischen Kindheit und erwachender Weiblichkeit, dem plötzlich der Boden unter den Füßen fehlt. Josch und seine Frau Nela nehmen sie bei sich auf. Der Zeitpunkt könnte ungünstiger nicht sein – Josch ist völlig überlastet mit seiner Kanzlei, und Nela hat gerade den Zuschlag für ein heiß umkämpftes Filmprojekt bekommen. Dennoch bemühen sich beide, dem traumatisierten Mädchen zu helfen. Doch kaum hat Aimée wieder Halt gefunden, beginnt sie mit aller Kraft, Nela zu bekämpfen. Mit erstaunlicher Raffinesse versucht sie, die vermeintliche Rivalin um Joschs Liebe aus dem Feld zu schlagen. Egal, was Nela tut, nun kann sie nur noch verlieren. Als auch noch Aimées Vater auftaucht, ist das Gefühlschaos perfekt.

Fried Rosannas Tochter jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Ein Gewitter zog auf an diesem Nachmittag. Eigentlich kein Wunder, dachte Nela. Wenn in meinem Leben etwas Bedeutsames passiert, gibt es Unwetter. Schon bei ihrer Geburt hatte es angeblich geblitzt und gedonnert, von ihrem ersten Schultag war sie klatschnass, mit aufgeweichter Schultüte und vor Nässe quietschenden Schuhen nach Hause gekommen, weil ihre Mutter vergessen hatte, sie abzuholen, und bei ihrer Hochzeit war ein regelrechter Hagelsturm niedergegangen, der innerhalb von Minuten die Autos der Hochzeitsgäste in einen Haufen Versicherungsfälle verwandelt hatte.

Es donnerte. Nela zuckte zusammen. Nein, sie hatte keine Angst, sie saß bei Gewitter nur gern an einem sicheren Ort und hielt sich die Ohren zu.

Also kuschelte sie sich aufs Sofa, zog sich eine Decke über den Kopf und zählte den Abstand zwischen Blitz und Donner. Jede Sekunde ein Kilometer, hatte sie an jenem ersten Schultag gelernt. Mit beruhigenden Worten hatte die Lehrerin das ängstliche Gemurmel der Kinder gedämpft. Dann hatte sie allerhand über Gewitter erzählt, unter anderem, wie gering die Wahrscheinlichkeit ist, vom Blitz getroffen zu werden, aber das hatte Nela nicht beruhigen können. Auf Wahrscheinlichkeit gab sie bis heute nichts, sie glaubte an Zufälle, glückliche – und unglückliche.

Unruhig sah sie auf die Uhr. Hoffentlich kam Josch bald nach Hause.

Heute war die Nachricht eingetroffen, auf die sie so lange gewartet hatte, eine sensationelle Nachricht, und sie brannte darauf, ihm davon zu erzählen.

Meist kam Josch erst um zehn, elf Uhr abends aus seiner Kanzlei; und manchmal wurde er schon frühmorgens zum Flughafen gerufen, wo er die Abschiebung irgendeines armen Kerls verhindern sollte, der hier auf ein besseres Leben gehofft hatte. Es war nicht leicht, einen ruhigen Moment mit ihrem Mann, dem streitbaren Rechtsanwalt, zu finden, aber heute hatte er ihr fest versprochen, um sieben da zu sein.

Die ersten Regentropfen fielen, der Wind war noch stärker geworden. Eine heftige Bö ließ die Zweige der Birke vor dem Haus gefährlich nah ans Fenster schnellen. Im nächsten Moment donnerte es so laut, dass Nela sich noch tiefer ins Sofa duckte. Plötzlich begann eine Art Rauschen, sie spähte unter der Wolldecke hervor. Eisregen. Ein kühler Hauch wehte durchs Zimmer, schnell lief sie zum Fenster. Die Hagelkörner waren zwar klein, bedeckten aber bereits zentimeterhoch den Boden. Es sah aus, als hätte es mitten im Juni geschneit. Nela schloss das Fenster und kehrte zum Sofa zurück.

Ein seltsames Gefühl, dachte sie, wenn Träume in Erfüllung gehen. Solange ich es mir gewünscht habe, war ich voller Energie. Jetzt, wo ich es geschafft habe, sollte ich jubeln vor Freude, aber irgendwie fühle ich mich nur leer.

Kurz vor sieben. Josch müsste jeden Moment kommen. Wie immer, wenn er heimkehrte, würde er seine Jacke aufhängen, die Schuhe ausziehen, die lederne Aktentasche, die sie ihm geschenkt hatte, auf einen Stuhl im Flur legen, seine Hände am Gästewaschbecken waschen und rufen: Bist du da? Dann würde er einen Blick ins Arbeitszimmer und ins Wohnzimmer werfen und, falls er sie dort nicht fände, in die Küche gehen. Er würde sie in den Arm nehmen, an ihrem Hals schnuppern und ein kleines, brummendes Geräusch machen, das so viel hieß wie: Ich bin so froh, wieder bei dir zu sein.

Nela lächelte in sich hinein. Sie liebte diese kleinen Rituale, sie gaben ihr Sicherheit und ließen sie daran glauben, dass es auch am nächsten Abend so sein würde, am übernächsten und an allen weiteren Abenden.

Es war kein Zufall, dass Josch Rechtsanwalt geworden war. Er schätzte klare Regelwerke und überschaubare Sachverhalte. Trotzdem war er kein gefühlloser Paragraphenreiter; sein Engagement für Asylsuchende und straffällig gewordene Ausländer beruhte auf einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Er war kein Mann großer Worte, sondern jemand, der am liebsten handelte. Sentimentalität war ihm zuwider, übertriebenen Emotionen begegnete er mit verständnislosem Schweigen.

Manchmal fragte sich Nela, warum sie sich ineinander verliebt hatten.

Sie war ganz anders als Josch, ungeduldig, aufbrausend, übertrieben empfindsam. Bei ihr kam das Handeln oft vor dem Denken, sie verhielt sich intuitiv und vertraute ihren Gefühlen mehr als ihrer Vernunft. Vielleicht war das der Grund für die Anziehungskraft zwischen ihnen: Jeder hatte, was dem anderen fehlte. Sie waren Kopf und Bauch; zusammen ergaben sie ein neues, vollständiges Wesen.

Was liebst du an mir?, hatte sie gefragt, als Josch das erste Mal vom Heiraten sprach.

Alles, sagte er.

Das gilt nicht, erwiderte sie. Zähl mir jede einzelne meiner guten Eigenschaften auf!

Aber ich liebe alles an dir, beharrte Josch, außer … dass du immer alles so genau wissen willst.

Ich liebe auch alles an dir, sagte sie spöttisch, außer, dass du mir immer so wenig sagen willst.

Heißt das, wir passen nicht zusammen?, fragte er.

Im Gegenteil, sagte sie, das heißt, wir passen perfekt zusammen. Wir sind so unterschiedlich, dass uns – falls wir daran nicht verzweifeln – nie langweilig miteinander sein wird.

Dieses Gespräch lag ein gutes Jahr zurück, kurz darauf hatten sie geheiratet.

Das Rauschen schwoll an, Nela pirschte sich zum Fenster. Die Hagelkörner waren jetzt so groß wie Tischtennisbälle und schienen jede Sekunde zu wachsen. Sie ließ die Wolldecke, an der sie sich festgeklammert hatte, fallen und rannte zur Wohnungstür. Der Mini! Sie musste den Mini retten! Dieses Auto war nicht irgendein Auto, und es war durch keine Versicherung zu ersetzen.

Sie lief durch den Hausflur, öffnete die schwere Holztür zur Straße und wollte losrennen, aber mehrere Hagelgeschosse trafen sie am Kopf. Sie schrie auf vor Schmerz, hielt die Arme über den Kopf, aber die Eisstücke schmerzten so, dass sie zurück in den Hausflur flüchtete. Der Wagen stand keine zwanzig Meter von ihr entfernt. Verzweifelt sah sie sich nach etwas um, mit dem sie sich hätte schützen können, im Hausflur stand nur der Kinderwagen einer Familie aus dem dritten Stock, die jedes Jahr ein Baby bekam. Sie versuchte, die Haube abzureißen, um sie als Schutz zu verwenden, aber sie verbog nur das Scharnier.

Es war sowieso zu spät. Die Hagelstücke hatten Hühnerei-Größe erreicht, und so sah Nela hilflos zu, wie ihr knallroter, zwanzig Jahre alter Mini unter dem Dauerbeschuss zerbeult wurde.

Sie merkte, wie ihr die Tränen übers Gesicht liefen, und schämte sich. Es war doch nur ein Auto. Man durfte sein Herz nicht an leblose Gegenstände hängen. Aber, verdammt, dieses Auto hatte am Morgen ihrer Hochzeit vor dem Haus gestanden, nur ein paar Meter entfernt von der Stelle, wo es jetzt stand, es war mit Blumen geschmückt gewesen, und im Rückfenster hatte ein handgeschriebenes Schild verkündet: ›Just married!‹

Josch hatte sie geküsst, ihr den Schlüssel in die Hand gedrückt, und sie waren zum Standesamt gefahren. Dort warteten schon ihre Freunde, Kollegen und Familienmitglieder, also Nelas Eltern und ein paar Tanten und Cousins von Josch.

Vermutlich gab es nichts Unromantischeres als so eine Trauungszeremonie; es war ungefähr, als hätten sie gemeinsam den Kaufvertrag für eine Sitzgarnitur unterschrieben, nachdem der Verkäufer die Pflegeempfehlungen heruntergeleiert hatte.

Warum Nela der Hochzeit zugestimmt hatte, konnte sie nur schwer erklären. Sie hielt Heiraten nicht nur für spießig und altmodisch, auch objektiv sprach in ihren Augen einiges dagegen. Jede dritte Ehe scheiterte, die meisten anderen waren unglücklich, und Steuern sparten sie auch nicht, weil sie beide gleich wenig verdienten. Die Bezeichnungen ›mein Mann‹ und ›meine Frau‹ hatten etwas unsympathisch Besitzergreifendes, mit dem sie nichts zu tun haben wollte, und eigentlich fand sie, dass die Liebe keinen staatlichen oder gar kirchlichen Segen brauchte.

Trotzdem hatte sie in dem nüchternen Behördenzimmer gestanden, die Knie weich wie Sülze, und gegen die Rührung gekämpft. Unfassbar, dass tief in ihr immer noch etwas von dem kleinen Mädchen steckte, das glaubte, die Hochzeit wäre das Happyend und nicht der Anfang eines langen, oft steinigen Weges.

Als sie Josch begegnet war, hatte sie die Dreißig überschritten und die Hoffnung längst aufgegeben, dass der richtige Mensch für sie existierte, weil sie immer etwas an einem Mann störte, die Art, wie er ging, die Bücher, die er las, die Worte, die er gebrauchte, die Gedanken, die er dachte. Sie war überzeugt gewesen, dass es keinen Mann gäbe, den sie lieben könnte und von dem sie sich lieben lassen wollte.

Vielleicht hatte sie deshalb auch nichts gemerkt, als er eines Tages vor ihr stand.

Es war in einem Gerichtssaal. Josch vertrat eine kurdische Familie bei ihrer Klage gegen die Abweisung ihres Asylantrages. Nela hatte Familie Özgay bei einer Türkeireise kennen gelernt und ihr Schicksal in einer Fernsehreportage dokumentiert. Muhlis, der Mann, war verfolgt und gefoltert worden, seine Frau Hürdem litt unter Angstzuständen, die Kinder konnten nicht zur Schule gehen.

Die Familie war nach Deutschland geflüchtet und hatte, nachdem ihr Asylantrag abgelehnt worden war, Kontakt zu Nela aufgenommen und sie gebeten, als Zeugin vor Gericht für sie auszusagen.

Und da war dieser junge Anwalt, der seine Fragen präzise formulierte und die Antworten in Sekundenschnelle auf Ungereimtheiten abzuklopfen schien. Seine ruhige, professionelle Art imponierte ihr.

Im Laufe der Verhandlung merkte Nela, wie sie begannen, sich die Bälle zuzuspielen. Josch argumentierte juristisch kompetent und sachlich, sie versuchte, eine möglichst einfühlsame Schilderung dessen zu geben, was sie in der Türkei gesehen hatte....


Fried, Amelie
Amelie Fried, Jahrgang 1958, wurde als TV-Moderatorin bekannt. Alle ihre Romane waren Bestseller. Traumfrau mit Nebenwirkungen, Am Anfang war der Seitensprung, Der Mann von nebenan, Liebes Leid und Lust und Rosannas Tochter wurden erfolgreiche Fernsehfilme. Für ihre Kinderbücher erhielt sie verschiedene Auszeichnungen, darunter den »Deutschen Jugendliteraturpreis«. Zusammen mit ihrem Mann Peter Probst – mit dem sie Workshops in Kreativem Schreiben gibt – schrieb sie den Sachbuch-Bestseller Verliebt, verlobt – verrückt?. Bei Heyne erschien zuletzt der Roman Traumfrau mit Ersatzteilen.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.