E-Book, Deutsch, Band 1, 200 Seiten
Reihe: Die Inselkommissare
Freund Langeooger Schampus. Ostfrieslandkrimi
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-96586-244-9
Verlag: Klarant
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1, 200 Seiten
Reihe: Die Inselkommissare
ISBN: 978-3-96586-244-9
Verlag: Klarant
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die neuen Langeooger Inselkommissare Gerret Kolbe und Rieke Voss haben ihren ersten grausigen Mordfall zu lösen. Die Spur führt zu ausschweifenden Partys auf der ostfriesischen Insel, bei denen der Schampus in Strömen fließt... Doch zunächst beginnt der Fall mit einer Vermisstenmeldung: Kurz vor der geplanten Abreise stellt der Langeoog-Urlauber Hajo Scholten schockiert fest, dass seine Frau Marianne und der zehnjährige Sohn Marten plötzlich spurlos verschwunden sind. Die handschriftliche Notiz »Es tut mir leid« ist alles, was ihm bleibt. Die Kommissare Gerret Kolbe und Rieke Voss sind sich schnell sicher, dass etwas Furchtbares geschehen sein muss. Und tatsächlich lässt ein Leichenfund nicht lange auf sich warten. Die Ermittlungen führen zu einem geheimnisvollen Waldhaus. Offenbar nahm Marianne Scholten hier abends an dekadenten Partys teil, bei denen die attraktive junge Frau sich nur »Mary Ann« nannte. Hat einer der Partygäste im Champagner-Rausch die Kontrolle verloren? Oder steckt in Wirklichkeit etwas ganz anderes dahinter? Auch Hajo Scholten selbst macht sich nämlich durch widersprüchliche Angaben verdächtig. Irgendetwas ist auf der idyllischen Nordseeinsel völlig aus dem Ruder gelaufen...
Marc Freund wuchs in Osterholz auf, direkt an der Ostseesteilküste gelegen, die schon von Kindesbeinen an eine große Faszination auf ihn ausübte. Und so spielen viele seiner Geschichten am Meer, dem er sich sehr verbunden fühlt. Regelmäßig zieht es den Krimiautor auch auf die andere Seite der Küste - an die Nordsee. Derzeit vor allem auf die bezaubernden Inseln Langeoog und Spiekeroog, wo seine Ostfrieslandkrimis spielen.Seit 2010 ist Marc Freund für verschiedene Verlage tätig. Daneben wurde er auch als Hörspielautor bekannt. Weit über 300 Veröffentlichungen für die unterschiedlichsten Reihen und Serien gehen bisher auf sein Konto.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
Dass etwas an einem Tag wie diesem nicht in Ordnung sein könnte, wäre Hajo Scholten nie in den Sinn gekommen. Warum auch? Hinter ihnen lagen zwei Wochen Ferien, in denen sie fast durchgehend Glück mit dem Wetter gehabt hatten. Gut, er hatte sich am zweiten Tag eine scharfkantige Muschel in den linken Fußballen getreten, was schmerzhaft gewesen, zum Glück aber nicht zu einer dauernden Belastung geworden war. Und als er den kleinen Fahrradanhänger verschnürt hatte und die drei Stufen zu ihrem Feriendomizil hinauflief, verspürte er eine gute Laune wie schon lange nicht mehr. Grund dafür war weniger ihre kurz bevorstehende Abreise, sondern die Tatsache, dass die letzten vierzehn Tage einfach gutgetan hatten. Auf voller Linie. Marianne und er waren sich endlich wieder nähergekommen, nachdem sie sich zu Hause in Köln überwiegend nur noch angeschwiegen hatten. Schweigen. Anstrengend. Oh ja, das war es gewesen. Aber hier auf Langeoog hatten sie plötzlich neue Themen gefunden. Sie hatten sich wieder etwas zu sagen gehabt. Hajo trat durch den hellen Flur in die geräumige Küche, in der Marianne und er manchmal noch am späten Abend für sich und ihren gemeinsamen Sohn Marten eine Pizza warm gemacht hatten, weil … nun weil so ein Nachmittag am Strand einfach verdammt hungrig machen konnte. Marianne stand an der Arbeitsfläche neben der Mikrowelle, drehte ihm den Rücken zu. Sie hatte die kleine Schublade aufgezogen und kramte darin herum. Hajo trat leise an sie heran, umfasste ihr Becken und küsste sie zärtlich auf ihren schlanken Nacken, dort, wo sich ihr blondes Haar zu einem feinen Flaum kräuselte. Sie zuckte zusammen. Dann erstarrte sie regelrecht, machte sich steif, so als hätte das erneute Aufblühen ihrer Ehe auf dieser Insel nicht stattgefunden. »Alles in Ordnung mit dir?« Hajos Frage blieb lange, eine Spur zu lange, im Raum stehen, bevor Marianne antwortete. Sie löste ihre Verbindung und schob die Schublade mit einer energischen Bewegung zu. »Ja«, gab sie knapp zurück, als ihr offenbar klar wurde, dass Hajo noch immer wartete. Ein wenig hilflos wartete, mit fragendem Gesicht und leicht hängenden Schultern. »Wirklich? Du … du wirkst gerade nicht so, als ob …« Als ob … was eigentlich? Was hatte er ihr sagen wollen? Hajo blickte die Frau in dem hellen Sommerkleid an, bei der er sich in den letzten Tagen wieder gefragt hatte, wie jemand wie er jemals bei einer wie ihr hatte landen können. Aber genau so war es gekommen. Vor zwölfeinhalb Jahren in Köln am Rhein, aloha und alaaf! Sie drehte sich zu ihm um, ein Stück zusammengefaltetes Papier in der einen Hand, in der anderen einen Kugelschreiber, den sie offenbar zuvor so verzweifelt in der Schublade gesucht hatte. »Später, Hajo, ja?«, sagte sie, kurz bevor sie seinem Blick auswich, sich zum Küchentisch abwandte und einen Stuhl darunter hervorzog. »Du wirkst verändert«, stellte er trocken fest, wartete dieses Mal jedoch nicht auf eine Antwort, sondern wandte sich der Tür zu, durch die eine frische Brise ins Haus wehte, um im Wohnzimmer mit den leichten Vorhängen zu spielen. Auf der Schwelle kam Hajo ein anderer Gedanke. Er blieb stehen, eine Hand an den Türbalken gelehnt. Sein Kopf drehte sich leicht zur Seite. »Hat es mit dem Handyanruf von vorhin zu tun?« Sie saß am Küchentisch, hatte bereits angefangen zu schreiben, als sie zu ihm herübersah. Was in dieser Sekunde in ihrem Blick lag, vermochte Hajo nicht zu deuten. Aber es sollte ihn noch beschäftigen. Lange. Marianne warf den Kugelschreiber hin, stützte ihre Ellenbogen auf die Tischplatte und massierte ihre Schläfen. »Bitte, Hajo, lass uns das verschieben, ja? Ich will doch nur die Nachricht an den Vermieter schreiben. Wegen der kaputten Fernbedienung.« Hajo antwortete nicht. Er nickte nur. So wie er es oft in den letzten zwölfeinhalb Jahren getan hatte. Genickt und die Klappe gehalten, obwohl ihm oftmals nach Reden zumute gewesen wäre. Erschreckend, dachte er, wie schnell er wieder in seine alten Verhaltensmuster zurückfiel. Dabei waren sie noch nicht mal wieder zu Hause. Verdammt, sie hatten ja nicht einmal die Insel verlassen! »Nimmst du die Sachen da noch mit? Die müssen noch auf den Anhänger.« Hajo blickte auf die Stelle rechts von ihm. Die beiden großen Plastiktüten vor der Kommode. Der Anhänger war jetzt schon rappelvoll. Mochte Gott, der Allmächtige, allein wissen, wie er das bewerkstelligen sollte. Hajo zuckte mit den Schultern. Zur Not würde er sich den Krempel einfach an den Lenker seines Rads hängen. Er löste sich vom Türrahmen, packte die beiden Tüten und verließ damit das Haus. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Draußen stand Marten in der Sonne und kickte Kieselsteine über den kleinen Platz vor dem Haus. Als sein Vater auftauchte, blickte der Zehnjährige auf. Seine Baseball-Cap hatte er falsch herum aufgesetzt, was seinen Aussagen zufolge allerdings in seinen Kreisen die einzig anerkannte Möglichkeit war, diese Art von Kopfbedeckung zu tragen. Hajo hatte seinen Sohn in dieser Hinsicht zweimal bekehren wollen. Das eine Mal halbherzig. Beim zweiten Versuch zu grob und unter dem Einfluss von einer halben Flasche Klarem. Danach hatte er es gelassen und sich in die Gegebenheiten gefügt. Der Weg des geringsten Widerstandes. Marten sah auf seine Armbanduhr. »Sollten wir nicht schon längst bei der Fähre sein?« »Wir haben noch Zeit«, erklärte Hajo mechanisch, während er die festgezurrte Abdeckung des Fahrradanhängers löste, zurückklappte und einen prüfenden Blick über ihre Urlaubshabseligkeiten schickte. »Ich hab Hunger«, sagte Marten. Mit lustloser Miene und beiden Händen in den Taschen kickte er einen Kiesel weg, der klickernd über die Straße tanzte. »Wir haben irgendwo noch eine Packung Kekse«, antwortete Hajo, der das Kunststück fertigbrachte, die beiden prall gefüllten Tüten noch im Anhänger unterzubringen. »Die schmecken sch…«, Marten hielt einen Augenblick inne, »scheußlich! Ich will was anderes!« Hajo, vornübergebeugt, beide Arme im Innern des Hängers vergraben, schloss für einen Moment lang die Augen. Tief durchatmen. Bis drei zählen. Mindestens bis drei. Heute vielleicht lieber weiter. Das half tatsächlich. Als er sich wieder aufbäumte, sagte er: »Du kannst dir auf der Fähre etwas aussuchen.« »Was ich will?« Marten blinzelte. »Von mir aus.« Der Anflug eines Lächelns huschte über das Gesicht des Jungen. Kurze Zeit später war der Anhänger wieder verschlossen. Hajo schwitzte. Es ging auf Mittag zu. Vielleicht würden sie doch eine spätere Fähre nehmen. Er blickte zum Haus hinüber. Wo blieb sie nur? Ob sie wieder telefonierte? »… denn noch so lange?« Hajo drehte den Kopf in Martens Richtung. »Hä? Ich meine: Was?« Der Junge rollte mit den Augen. »Was macht Mama denn noch so lange?« Hajo wischte sich den Schweiß von der Stirn. Im reetgedeckten Nachbarhaus, kaum fünf Meter weit, öffnete sich die Haustür. Die junge Familie strömte heraus. Vater, Mutter, zwei Kinder. Sie bereits im Bikini, er in Strandsandalen und mit einer Kühlbox unter dem Arm. Für einen Moment verspürte Hajo eine tiefe Sehnsucht in sich. Noch einmal eine Woche dranhängen. Einfach so. Noch einmal die unbeschwerten Augenblicke genießen, die sie auf dieser Insel erlebt hatten. Ganz intensiv. Er winkte den Urlaubern zu und sah ihnen noch eine Weile nach, wie sie den kleinen Weg hinunter bis zur Straße schlenderten, die beiden kleinen Kinder in einem Bollerwagen, den der Vater mit seiner freien Hand hinter sich herzog. Hajo hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Ein kurzer Blick zu Marten. »Warte kurz hier. Ich bin gleich zurück.« Er setzte sich in Bewegung, ohne eine Antwort abzuwarten. Die drei Stufen überwand er wie in Trance. Er drückte die Türklinke herunter und öffnete. »Marianne?« Keine Antwort. Kein Geräusch. Es war so still im Haus, dass Hajo das erste Mal das Ticken der Küchenuhr hörte. Doch schon zehn nach eins. Die Fähre um 13:30 Uhr würden sie definitiv nicht mehr schaffen. Niemand hier. »Marianne?« Hajo hatte lauter gesprochen, erschrak fast vor dem Klang seiner eigenen Stimme. Er verließ die Küche, tauchte ein in den sonnendurchfluteten Korridor. Ein Blick ins Elternschlafzimmer. Abgezogene Bettdecken. Ordentlich zusammengelegt. Auf dem Fußboden die Bettbezüge. Morgen würden die Frauen von der Reinigungsfirma hier hindurchwirbeln und sich der Sachen annehmen. Keine Marianne. Hajo zog die Augenbrauen zusammen, verließ das Zimmer. Als er zurück im Korridor war, beschleunigte er seine Schritte. Er rannte fast. Die Tür zu...