E-Book, Deutsch, Band 2086, 64 Seiten
Reihe: John Sinclair
Freund John Sinclair 2086 - Horror-Serie
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7325-6627-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Wiedergängerin
E-Book, Deutsch, Band 2086, 64 Seiten
Reihe: John Sinclair
ISBN: 978-3-7325-6627-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Lange Jahre hatte sie in vollkommener Finsternis verbracht. Unfähig, sich in dem engen Sarg zu rühren. So hatte sie sich irgendwann in ihr grässliches Schicksal gefügt und das getan, wozu sie noch imstande war: warten. Warten auf den Tag, an dem jemand kam, um sie zu erlösen, sie zu befreien.
Und als sie irgendwo über sich die Geräusche eines Spatens hörte, wusste sie, dass der Moment gekommen war.
Die Zeit ihrer Rache war angebrochen ...
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Ich legte mein Besteck beiseite, lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und klopfte mir demonstrativ auf meinen Bauch.
»Wirklich nicht, Mrs. Ellenby, besten Dank auch. Die Lammkeule war ganz hervorragend, aber es passt einfach nichts mehr rein.«
»Er hat bloß Angst, dass ihm im nächsten Sommer die Badehose nicht mehr passt«, warf Bill ein und zwinkerte mir zu.
Holly Ellenby, eine gut aussehende Brünette von etwa fünfunddreißig Jahren, warf ihren Kopf in den Nacken und lachte kurz auf, während sie sich daranmachte, die Teller und Schüsseln abzudecken.
»Warte doch, Holly«, beeilte sich Sheila, die neben mir saß und soeben ihr Glas abstellte, »ich helfe dir beim Abräumen.«
Ich sah ihr nach, noch immer mit einem unglaublich erleichterten Gefühl, die Frau meines besten Freundes und somit auch meine Freundin wieder in unserer Mitte zu wissen. Und es war noch besser gekommen: Johnny, Sheilas und Bills Sohn und mein Patenkind, war zurückgekehrt!
Bei unserem letzten Fall war er wie aus dem Nichts plötzlich wieder aufgetaucht, in Glamis Castle, wo damals, vor gut anderthalb Jahren das Schicksal so grausam zugeschlagen und uns Sheila und Johnny entrissen hatte.1) Ein Dämon hatte Sheila getötet und war anschließend in eine andere Dimension geflohen, in die Johnny ihn verfolgt hatte. Seitdem war mein Patenjunge verschollen gewesen.
Nachdem Sheila ein zweites Leben geschenkt worden war2) hatten wir unser Glück schon kaum fassen können, doch dass jetzt mit Johnnys Rückkehr die komplette Conolly-Familie wieder vereint war, war einfach unbeschreiblich.
Eine gute Woche war es jetzt her, dass Sheila und Bill ihren Sohn wieder hatten in die Arme schließen können, und Johnny hatte noch immer viel von seinen Abenteuern in der anderen Dimension zu erzählen. Aktuell erholte er sich im Hause seiner Eltern von diesen Erlebnissen, die ihn doch merklich gezeichnet hatten.
Doch er würde sich nicht auf seinen vier Buchstaben ausruhen, so viel war sicher. Dafür kannte ich mein Patenkind zu gut. Johnny war immer voller Tatendrang gewesen, und das hatte sich auch nach seiner Rückkehr nicht geändert. Er war nur reifer geworden und wirkte irgendwie ernster. Er würde sein Leben neu ordnen und dann wieder richtig durchstarten.
»Machen Sie sich bereit für Hollys Spezialität, Mister Sinclair«, riss Michael Ellenby, der neben Bill Platz genommen hatte, mich aus meinen Gedanken.
Der Hausherr war Anfang Vierzig, schlank und wie genau wie Bill Conolly als Reporter tätig. Die beiden kannten sich offenbar seit Jahren, wenn auch nicht besonders gut.
»Sie machen mich neugierig«, antwortete ich, während die beiden Frauen den Tisch abräumten und sich in der Küche nebenan bereits um das Dessert kümmerten.
Ellenby beugte sich leicht nach vorne. »Birnenkompott mit selbst gemachter Vanillesoße.«
»Klingt gut«, sagte ich.
Über das Gesicht des Reporters huschte ein Lächeln. »Das Geheimnis dabei ist, dass Holly die Birnen vorher in Whisky eingelegt hat.«
»Das klingt noch besser«, antwortete ich.
Holly und Sheila kehrten mit den Dessertschalen zurück, die sie auf uns vier verteilten.
Ich sah mich suchend um. »Wo steckt denn nun der kleine Ellenby?«
»Noah ist gerade im Bad und putzt sich die Zähne«, erklärte Holly. »Er ist schon ganz aufgeregt, Sie kennenzulernen.«
»Ich bin bereit«, gab ich zurück und tauschte dabei einen kurzen Blick mit Bill.
Er hatte mich vor zwei Tagen angerufen, weil Michael Ellenby an ihn herangetreten war. Bills Kollege hatte über Umwege von mir erfahren und wusste offenbar zumindest so viel von meiner Arbeit, als dass ich mich mit übernatürlichen Dingen beschäftigte.
Die beiden Männer waren ins Gespräch gekommen, und Ellenby hatte Bill von ihrem kleinen Problem erzählt. Diesem Gespräch war eine Einladung zum Dinner bei den Ellenbys gefolgt. Und bisher hatte ich meine Entscheidung nicht bereut. Das Essen war wirklich vorzüglich gewesen, und die Aussicht auf das Dessert ließ mir bereits das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Aber zuvor gab es da noch eine kleine Sache zu erledigen. Etwas, das selbst mir neu war und vor dem ich anfangs noch ein wenig Skrupel gehabt hatte. Nach einem Tag Bedenkzeit hatte ich jedoch diesem Treffen zugesagt.
»Wenn Sie wirklich bereit sind, werde ich Noah jetzt holen«, sagte Holly. Mir fiel auf, dass der heitere Tonfall aus ihrer Stimme gewichen war. Sie wirkte jetzt viel ernster als noch vor wenigen Minuten. Eine Falte zeigte sich zwischen ihren Augenbrauen.
»Es ist alles in Ordnung, Darling«, versicherte Michael Ellenby, der den sorgenvollen Blick seiner Frau aufgefangen hatte.
Sie lächelte flüchtig. »Ich weiß.«
Dann atmete sie tief durch und wandte sich ab.
Nachdenklich sah ich Holly hinterher. Sie schien sich diese Sache sehr zu Herzen zu nehmen. Aber da reagierte sie vermutlich nicht anders als Sheila, die ebenfalls durch und durch eine besorgte Mutter war.
Ellenby räusperte sich. Seine Hände waren in ständiger Bewegung.
»Meine Frau verspricht sich wirklich viel von Ihrem Besuch, Mister Sinclair. Es geht schon seit ein paar Wochen so, dass Noah abends nicht einschlafen kann, weil er Angst hat.«
Ich nickte dem Mann zu, bei dem auch ich jetzt die Zeichen der Beunruhigung erkannte.
»Ich werde sehen, was ich tun kann. Aber versprechen kann ich Ihnen natürlich nichts.«
Ellenby hob abwehrend die Hände. »Natürlich nicht. Meine Frau und ich sind Ihnen jetzt schon dankbar, dass sie überhaupt gekommen sind.«
Von der Küche her drangen Geräusche an unsere Ohren.
Holly Ellenby trat über die Schwelle. Sie schob einen etwa achtjährigen Jungen vor sich her, auf dessen Pyjama sämtliche Mitglieder der Avengers prangten.
Noah Ellenby wirkte ein wenig blass, aber er hatte lebhafte, braune Augen, denen nichts zu entgehen schien. Sein Haar hatte die gleiche Farbe wie das seiner Mutter und zu einem Pony geschnitten.
Holly beugte sich zu ihrem Sohn hinunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Der Junge nickte und kam um den Tisch herum. Das erste Mal trafen sich unsere Blicke. Noah musterte mich von Kopf bis Fuß.
»Du bist kein Geisterjäger«, sagte er.
Ich stutzte. »Warum glaubst du, dass ich keiner bin?«
Der Junge zuckte zweimal mit den Schultern. »Echte Geisterjäger tragen einen Schutzanzug und haben eine richtige Ausrüstung bei sich.«
Ich lächelte. Darauf hätte ich nun wirklich selbst kommen können.
»Und dein Auto?«, wollte Noah wissen.
»Was meinst du?«, tat ich wenig schuldbewusst.
Der Junge rollte mit den Augen. »Na, deine Karre. Du hast doch draußen bestimmt ein richtig cooles Einsatzfahrzeug. Oder?«
»Nicht wirklich«, gab ich gedehnt und ausweichend zurück. Als ich sah, dass seine Mundwinkel herabsackten, schob ich schnell hinterher: »Im Augenblick bin ich mit dem Rover da, den benutze ich immer, wenn ich Undercover unterwegs bin. Weißt du, was das heißt?«
»Na klaro«, sagte Noah in einem Ton, der mir signalisierte, dass ich ihn wohl für blöd verkaufen wollte. »Aber ich glaube, du sagst das nur, weil du gar kein richtiges Einsatzfahrzeug hast. Nicht so eins wie die echten Geisterjäger jedenfalls.«
»Was hältst du davon, wenn du mir mal dein Zimmer zeigst, Noah?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln.
Wieder das Schulterzucken. »Weiß nicht.«
Ich tat so, als sei mir gerade etwas sehr Wichtiges eingefallen. »Pass auf, ich zeig dir was.«
Mit einer betont langsamen Bewegung öffnete ich den oberen Knopf meines Hemds und zog mein Kreuz hervor, sodass er es sehen konnte.
»Wow«, stieß er aus und machte große Augen. »Das sieht cool aus. Ist das echt?«
Jetzt rollte ich mit den Augen. »Na klaro. Was denkst du denn?«
»Und was kann es?«, wollte er wissen. Er hatte sich auf die Zehenspitzen gestellt, um keines der Symbole und Zeichen zu übersehen.
»Eine ganze Menge«, erklärte ich. »Vor allem verjagt es böse Geister, die sich in Kinderzimmerschränken verstecken.«
Ich warf einen unauffälligen Blick zu Holly Ellenby hinüber, die mir aufmunternd zunickte.
»Was hältst du davon, wenn wir es zusammen ausprobieren?«, schlug ich vor.
»Du meinst jetzt gleich?«
»Warum warten?«, fragte ich und erhob mich von meinem Stuhl.
Noah suchte den Blick seiner Mutter. »Mom?«
Holly Ellenby lächelte. »Geh nur. Es ist in Ordnung.«
»Willst du, dass wir mitkommen?«, fragte sein Vater.
»Nö«, antwortete der Junge. »Das schaffen wir schon allein.«
»Na dann mal los«, sagte ich und tauschte einen kurzen Blick mit seinen Eltern und den Conollys. Von allen Seiten erntete ich ermutigende Gesten.
Ich folgte dem Jungen durch die Küche und von dort durch einen breiten Korridor, der hell erleuchtet war und an dessen Wänden Radierungen hingen, die ich für echt und vor allem für wertvoll hielt.
Vor der zweiten Tür auf der rechten Seite machte Noah Halt und drehte sich zu mir um.
»Das ist mein Zimmer.«
Ich nickte bedeutungsvoll und versuchte, die knallbunte Aufschrift mit Noahs Namen auf der Tür zu übersehen. Darunter klebte ein Bild von einem Comic-Gespenst. Es war dick durchgestrichen und darunter hatte jemand Ich muss leider draußen bleiben geschrieben.
Der Junge bemerkte meinen Blick. »Ach das«, sagte er. »Das war Moms Idee. Aber ich finde es albern. Ist...




