E-Book, Deutsch, Band 3, 144 Seiten
Reihe: Sonderermittler der Krone
Freund Der Todesrichter
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7325-4474-5
Verlag: beTHRILLED
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Oscar Wilde & Mycroft Holmes - 03
E-Book, Deutsch, Band 3, 144 Seiten
Reihe: Sonderermittler der Krone
ISBN: 978-3-7325-4474-5
Verlag: beTHRILLED
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Oscar Wilde erwacht in einem düsteren Verlies. Wo genau befindet er sich und was ist passiert? Schnell lernt er, dass in den unterirdischen Katakomben eigene Gesetze gelten, die vom Kerkermeister gemacht werden. Oscar Wilde setzt alles auf eine Karte und entwickelt einen Plan, seinem unheimlichen Gefängnis zu entkommen. Doch er hat nicht mit dem mysteriösen Hausherrn gerechnet. Wilde und Holmes haben sich offenbar einen mächtigen Mann zum Feind gemacht ... Wer steckt hinter der blutroten Maske des Todesrichters? Alle Bände der eBook Serie 'Oscar Wilde & Mycroft Holmes: Sonderermittler der Krone': 01. Zeitenwechsel 02. Der Nebel des Unheils 03. Der Todesrichter 04. Der Fall Homunculus 05. Hetzjagd in London 06. Sieben Gesichter des Todes Zur Serie: London, 1895: Ein mysteriöser Geheimbund bedroht die Sicherheit des britischen Königreichs. Mycroft Holmes, der Bruder des berühmten Meisterdetektivs, sieht dafür nur eine Lösung: Oscar Wilde! Der Schriftsteller, der bisher eher für sein ausschweifendes Leben und seine verbale Schlagkräftigkeit bekannt war, wird zum Sonderermittler der Krone.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 2
Zur selben Zeit stand Mycroft Holmes in einer noblen Villa im Stadtteil Kensington in London vor dem Verandafenster und blickte gegen die dunklen Fensterscheiben, an denen der Regen in Strömen herunterrann. Der beleibte Mann war so sehr in seine unheilvollen Gedanken versunken, dass er nicht einmal bemerkte, wie sich hinter seinem Rücken nahezu geräuschlos die mit echtem Leder gepolsterte Tür öffnete. Durch den entstandenen Türspalt lugte ein gelbes Gesicht, das von dem gedämpften Licht der Schreibtischlampe fahl beschienen wurde. Ein hagerer Chinese mit streng zurückgekämmten Haaren schob sich über die Türschwelle und bewegte sich leise auf den Hausherrn zu, der noch immer nicht bemerkte, was hinter seinem Rücken vor sich ging. Kurz vor dem wuchtigen Schreibtisch blieb der Chinese stehen und räusperte sich dezent. Wie in Zeitlupe drehte sich Mycroft Holmes um. Sein Blick fiel auf seinen Besucher. »Baihu, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass ich es nicht schätze, wenn du dich an mich heranschleichst.« Der Asiate, der in etwa die Mitte seines vierten Jahrzehnts erreicht haben mochte, deutete eine kurze Verbeugung an. »Tut mir leid, Boss. Wollte Sie nicht erschrecken, während Sie vielleicht einen wichtigen Gedanken fangen.« »Was gibt es?« »Wenn sich in den nächsten fünf Minuten niemand zum Essen in den Salon begibt, wird selbiges zum Teufel gehen.« Mycroft Holmes drehte sich zu seinem Angestellten um und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Vermutlich hast du recht und ich sollte noch etwas zu mir nehmen. Möglich, dass wieder eine Nacht mit wenig Schlaf heranbricht.« »Habe das Huhn so gewürzt, wie Sie es mögen, Boss«, sagte der chinesische Koch mit einem Grinsen. »Ist Mister Wheeler schon zurück?«, wollte Holmes wissen. Baihu schüttelte den Kopf. »Ich bin nur unbedeutender Koch. Ich weiß gar nichts.« Holmes winkte ab. »Schon gut. Mach, dass du zurück in die Küche kommst. Und falls du Meadows begegnest, sag ihm bitte, ich wünsche ihn zu sprechen.« Baihu verschwand genauso leise und unauffällig, wie er den Raum betreten hatte. Nur wenig später klopfte es an die noch geöffnete Tür. Meadows, Holmes’ langjähriger Butler, trat ein und nahm gleich hinter der Tür Aufstellung. Holmes fragte auch ihn nach Henry Wheeler, dem ehemaligen Elitesoldaten, der in Holmes’ Diensten stand und in dieser Eigenschaft auch die körperliche Ausbildung des neuen Sonderermittlers Oscar Wilde übernommen hatte – sehr zum Leidwesen aller Beteiligter. Meadows, ein hochgewachsener Mann mit leichtem Hang zur Korpulenz, hoher Stirn und einem flaumigen Haarkranz, entgegnete: »Es tut mir leid, Sir, aber Mister Wheeler scheint sich zu verspäten.« Holmes stieß einen missmutigen Laut aus. »Vielleicht aber auch ein gutes Zeichen, Sir?« Holmes, der vor seinem Schreibtisch auf und ab gegangen war, hielt für einen Moment in seiner Beschäftigung inne. »Sehr rücksichtsvoll von Ihnen, Meadows, aber ich fürchte, Wheelers Fortbleiben ist genauso ein schlechtes Omen wie das Fortbleiben von Oscar Wilde.« Bei der Erwähnung dieses Namens zog der ehrwürdige Meadows missbilligend die rechte Augenbraue hoch. »Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf, Sir? Ich denke, es sollte in den Bereich des Möglichen gerückt werden, dass sich Mister Wilde Ihrem Zugriff entzogen und sich in unbekannte Gefilde abgesetzt hat.« »Nein.« Meadows’ Augenbraue wanderte noch ein gutes Stück höher. »Sir?« »Nein, Sie dürfen sich diese Bemerkung nicht erlauben. Und jetzt helfen Sie Baihu, das Dinner aufzutragen, ehe ich mir auch noch einen neuen Koch suchen muss, weil ich die Speisen seines Vorgängers verschmäht habe.« »Sehr wohl, Sir«. Das Dinner fand in eisiger Atmosphäre in dem großen Salon der Villa statt. An einer mit weißen Leinentüchern gedeckten Tafel saß zur Rechten von Mycroft Holmes ein Mann namens Harold Gunn. Er war ein schlanker, elegant gekleideter Gentleman, dessen Oberlippe ein dünnes Bärtchen zierte, das stets ebenso gepflegt aussah wie Gunns restliche Erscheinung. Er genoss das Privileg, der persönliche Berater des Innenministers zu sein, und diese vertrauensvolle Anstellung führte ihn des Häufigeren in diese spezielle Villa in Kensington. Gunn tupfte sich mit einer blütenweißen Serviette die Mundwinkel ab und schob seine Dessertschale ein Stück weit von sich. »Ich bin sicher, dass Mister Wheeler etwas herausbekommen hat«, versuchte der Schwarzhaarige die Unterhaltung wieder aufzunehmen, die schon vor einer guten Viertelstunde hoffnungslos versandet war. Mycroft Holmes, der keinen Bissen seiner Mahlzeit angerührt hatte, knüllte seine Serviette in seiner mächtigen Pranke zusammen und warf sie achtlos auf den Tisch. »Das Schlimmste ist diese elendige Warterei. Wenn wir doch nur etwas tun könnten. Ich hasse es, zur Tatenlosigkeit verdammt zu sein.« Als hätte eine höhere Macht Erbarmen mit Holmes, öffnete sich die schwere Mahagonitür zum Salon. Butler Meadows trat mit einem dezenten Hüsteln ein, da Holmes ihn nicht sofort bemerkt hatte. »Sir? Mister Nichols und Mister Wheeler sind soeben eingetroffen, Sir.« Holmes mächtiger Kopf ruckte hoch. Er vollführte eine herrische Handbewegung in Richtung seines Butlers. »Worauf warten Sie dann noch? Führen Sie die beiden herein!« Meadows nickte würdevoll und verschwand. Wenige Sekunden später betraten zwei Männer den Raum, die unterschiedlicher kaum hätten sein können. Henry Wheeler trat an den Tisch heran und führte einen militärischen Gruß aus, der ihm in seiner Laufbahn als ehemaliger Elitesoldat in Fleisch und Blut übergegangen war. An seiner Seite befand sich Colin Nichols, der in den Diensten von Gunn stand und für ihn als Kundschafter, Botschafter und Mädchen für alles unterwegs war. »Und?«, richtete sich Holmes an Wheeler. »Was gibt es? Haben Sie brauchbare Spuren finden können?« Wheeler senkte sein Haupt einen Deut, was Holmes schon Antwort genug war. »Es tut mir leid, Sir, aber Mister Wilde ist wie vom Erdboden verschwunden. Wir haben die Küsten absuchen lassen, aber es wurde im fraglichen Abschnitt keine Leiche angespült, Sir.« Holmes starrte seinen Mitarbeiter wortlos an. Eine peinliche Stille entstand. »Wenn ich etwas dazu sagen darf, Sir«, meldete sich Nichols zu Wort, »so deutet diese Tatsache für mich eher darauf hin, dass Mister Wilde entführt worden ist. Wir hatten es doch im Fall des unheilvollen Nebels mit Unterseebooten zu tun. Was also, wenn er von einem an Bord genommen wurde?« »Er hätte damit genau das erreicht, was er vorhatte, als er vom Deck des Ozeandampfers gesprungen ist«, fügte Wheeler hinzu. Holmes, der sich in seinem breiten Stuhl zurückgelehnt hatte, blickte von einem zum anderen, ehe er antwortete. »Sie könnten beide recht haben. Wohlgemerkt: könnten. Wenn dem aber so ist: Wohin hat man ihn verschleppt? Warum hören wir seit Wochen nichts von ihm oder von seinen Entführern? Warum hat man uns nicht längst seinen Kopf geschickt? Das wäre eine Geste, die ich vom Zirkel der Sieben erwarten würde. Stattdessen: nichts! Es passiert nichts von alledem.« »Und wenn die Zeit dafür bisher noch nicht reif war?«, gab Gunn zu bedenken. Der junge Mann strich sich über sein Bärtchen, das schnurgerade über seiner Lippe verlief. »Ich meine, vielleicht wartet der Zirkel noch auf etwas. Ein bestimmtes Ereignis vielleicht.« »Was sollte das sein?«, fragte Holmes unwirsch. »Wilde ist ein Stehaufmännchen«, versuchte Nichols zu besänftigen. »Vielleicht haben wir nur deshalb noch nichts von ihm gehört, weil … nun ja, weil er sich möglicherweise auf der Flucht befindet. Wir wissen doch gar nicht, wohin man ihn verschleppt hat. Es könnte Nordengland sein, genauso gut wie die Küste von Nordafrika.« »Könnte, könnte!«, brüllte Holmes und schlug mit der Faust auf den Tisch, dass sein unangetastetes, mit Brandy gefülltes Glas umkippte und die goldene Flüssigkeit gierig vom weißen Leinen der Tischdecke aufgesogen wurde. Die Männer rings um ihn herum waren zusammengezuckt, bis auf Henry Wheeler, dessen Gesichtsausdruck eher Besorgnis verriet. Mycroft Holmes erhob sich angestrengt von seinem Platz. »Ich hatte große Hoffnungen in Oscar Wilde gesetzt. Wie es aussieht …«, er legte eine bedeutungsschwere Pause ein, in der er alle Anwesenden der Reihe nach anblickte, »… hat er versagt!« *** Die Tür zur Zelle öffnete sich. Laut Ferguson geschah das in diesen Tagen häufiger, als in den ganzen letzten Monaten zuvor. Derek Moore betrat den Raum; seine groben Füße stampften auf dem Stroh herum, mit dem der kalte Felsboden spärlich ausgelegt war. Er bewegte sich direkt auf Wilde zu, ohne Peter Ferguson auch nur mit einem einzigen Blick zu bedenken. Wilde saß an einem grob zusammengehauenen Tisch auf einem Stuhl, der diesen Namen eigentlich nicht verdiente. Wilde vermutete, dass Moore die Möbel selbst gezimmert hatte, um ihm eine Möglichkeit zum Schreiben einzuräumen. Niemand beklagte sich, am allerwenigsten Ferguson, der das Licht der flackernden Kerze genoss, die ihnen eine willkommene Abwechslung zur absoluten Finsternis war. Wilde zuckte beim Erscheinen des klobigen Mannes noch immer zusammen. Derek Moore hielt ein Blatt Papier in der Hand, das Wilde selbst am Tag zuvor beschrieben hatte. Der Dichter erkannte seine Zeilen sofort wieder. Der Kerkermeister knallte das Blatt mit der flachen Hand auf den Tisch. Die Kerze flackerte noch unruhiger als zuvor, beinahe wäre die Flamme durch den Luftzug...