Frerichs | Vom Glück zu finden | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 212 Seiten

Frerichs Vom Glück zu finden

In Schrift, Form, Farbe
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7412-1612-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

In Schrift, Form, Farbe

E-Book, Deutsch, 212 Seiten

ISBN: 978-3-7412-1612-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Kulturbuch, das Fundstücke präsentiert, die beglücken und das zum Lesen von Büchern und Bildern anregen möchte. Das Spektrum an Sujets ist breit, doch mit markanten Schwerpunkten. Im ersten Teil die Literatur: Krieg und Nachkrieg im Werk von Dieter Wellershoff und Arno Schmidt; Ironie erklärt von Martin Walser und praktiziert von Franz Schuh, vielleicht auch von Peter Kurzeck am Vorabend; den Tod miterlebt, begleitet und literarisch betrauert durch Günter Steffens; den Tod vor Augen, gesehen von Dieter Wellershoff, Fritz J. Raddatz und Victor Bromberg. Dann folgt die Malerei: Zwei Abhandlungen über Schriftsteller, die sich mit der Bildenden Kunst auseinandersetzen - die erste widmet sich dem bildschönen wie inhaltsschweren Kunstband von Dieter Wellershoff. Was die Bilder erzählen; der zweite Text greift Kunstinterpretationen von John Berger, Cees Nooteboom, Paul Nizon und Peter Handke auf und lädt sie zu Dialogen ein. Abschließend werden Bilder von Paul Wunderlich, Alfred Kubin und Zezo Dinekov besprochen.

Petra Frerichs, geb. 1947; Studium der Literatur- und Sozialwissenschaften; Dr. phil.; langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut zur Erforschung sozialer Chancen in Köln; seit 2012 freie Autorin; neuere Veröffentlichungen: 'Momentaufnahmen. Notizen über Literatur, Malerei, Film', 2010; zusammen mit Joke Frerichs: 'Lesespuren. Notizen zur Literatur', 2011; 'Leben braucht keine Begründung. Zum literarischen Werk von Dieter Wellershoff', 2012; 'Literarische Entdeckungen. Vergessene und neu gelesene Texte', 2012; 'Leben und Schreiben - was sonst? Ein Streifzug durch die Werkausgabe von Dieter Wellershoff', 2014; 'Das Mysterium der Suche', 2014.

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Arno Schmidt – ein Nachkriegsautor der besonderen Art
Im vorvergangenen Jahr hätte Willy Brandt 100. Geburtstag gehabt, in 2015 der Schriftsteller Arno Schmidt. Dass Schmidt zu den markantesten Nachkriegsautoren Westdeutschlands zählt, ist, wenn überhaupt gewürdigt, dann wieder in Vergessenheit geraten. Anlässlich des 70. Jahrestages der Beendigung des Zweiten Weltkrieges und seines 100. Geburtstages gibt es einen doppelten Anlass, an diesen immer noch zu wenig bekannten Autor zu erinnern. Und das tut man am besten, indem man ihn (wieder) liest und sich mit ihm beschäftigt. Wenn sich im Jahr 2015 das Ende des Zweiten Weltkriegs zum siebzigsten Mal jährt, wird dieses Datums wahrscheinlich auch im Spiegel der (westdeutschen) Nachkriegsliteratur gedacht. Wie schon beim 50jährigen Gedenken 1995, so werden wohl auch am 70. Jahrestag dieses Ereignisses wieder vor allem die Namen Borchert und Böll genannt. So haben wir es schon in der Schule gelernt. Vor allem diese beiden Autoren stehen mit den Stücken Draußen vor der Tür und Wanderer, kommst du nach Spa… an vorderster Stelle für die Nachkriegsliteratur schlechthin. Warum wird nicht auch Arno Schmidt genannt, dessen literarisches Werk ganz entscheidend auf Erfahrungen von Krieg, Gefangenschaft und Nachkriegszeit beruht? Sie sind ihm zum Gegenstand seiner inhaltlichen und formalen Arbeit geworden. Nur wenige Kenner – allen voran Jan Philipp Reemtsma – haben hinter den stilistischen Finessen den politischen Autor Arno Schmidt erkannt. Reemtsma hält ihn zu Recht für einen der bedeutendsten Nachkriegsautoren. Gleichwohl findet man ihn nicht im Kanon des Schulunterrichts; schon gar nicht sind seine Schriften so bekannt geworden wie die der beiden genannten Schriftsteller. Die Rezeption von Arno Schmidt hat sich gemeinhin auf dessen galligen Humor und Witz konzentriert, ohne dabei die untergründigen Quellen dieser besonderen Komik und ihre politischen Implikationen freizulegen. Angeregt von den hervorragenden Textanalysen und –interpretationen von Reemtsma4 soll anhand von einigen Texten gezeigt werden, wie Arno Schmidt diese politisch-aufklärerischen Implikationen unter Einsatz besonderer literarischer Formen realisiert. Hier ein paar Beispiele zur Einstimmung: Wenn ich nicht schon von Geburt Atheist wäre, würde mich der Anblick Adenauer=Deutschlands dazu machen! „Dir wolln wir treu-er-ge-bänn-sein: / getreu bis ihihihinn den Tod“: Aber warum denn? … Ehe Du für Dein Vaterland sterben willst, sieh Dir s erst mal genauer an! (Und „Mein Leben für den Führer“?!: für n Politiker faß ich mich nich an’Hintern!!). – Geschichte? Schicksal? Die Politik ist das Schicksal! (Dabei war mir nichts weniger als nach Ausrufungszeichen zumut: es ist ja zu traurig, was in der Hinsicht mit uns eben jetzt wieder gemacht wird! Die Kipper und Wipper unserer demokratischen Freiheiten! Wie Borcherts Draußen vor der Tür, so hat auch Schmidt mit Brand’s Haide (1950) einen sogenannten Heimkehrerroman geschrieben. Doch wie verschieden sind beide Texte trotz des gleichen Motivs: Die Gefühlslage, die Borcherts Stück durchzieht, dient vor allem der psychischen Verarbeitung des Krieges sowie der Herstellung einer Art Gefühlsnormalität. Er plädiert für einen unbefangenen Umgang mit der Vergangenheit und zielt auf die Beruhigung des kollektiven Gewissens. Larmoyanz scheint das Gefühlsmedium zu sein, in dem sich das doch wohl etwas ramponierte Gewissen wiedergutmacht. Reemtsma zieht sogar einen kühn anmutenden Vergleich mit dem Film Rambo I, wenn er davon spricht, dass in beiden Fällen der Held davon überzeugt ist, dass der Krieg oder Kampf hätte gewonnen werden können, wenn man auf ihn gehört und ihn nur gelassen hätte. In dieser Auffassung teilen sie das Muster der Unbelehrbarkeit. Und in beiden Fällen findet nach Reemtsma die Umstilisierung des Teufels (Mörders, Soldaten) in einen armen Teufel statt, der unser Mitleid erregt. Schmidt hingegen sieht in Brand’s Haide von jeglicher Larmoyanz ab. Der Ich-Erzähler verkörpert die Identität eines Kriegsgefangenen ohne Ressentiment: er weiß die üblichen Schikanen sehr wohl abzuwägen mit den Vorzügen einer guten Versorgung bei den Briten. Auch er steht völlig mittellos und heruntergekommen da, doch auf eine nahezu erfrischende Art ist diese Hauptfigur von einem praktischen Sinn geleitet: sie kümmert sich als erstes um ein Dach über dem Kopf und weiß für alles Herumliegende eine Verwendung. Selbst an so scheinbar banalen Dingen wie etwa Zahnputzpulver weist Schmidt auf eine Merkwürdigkeit hin: Zahnpulver : garantiert unschädlich : so die Aufschrift! (Witzig war unsre 46er Welt, was : nicht etwa wohlschmeckend oder hochreinigend, oder mit Radium G – nee, nee : man bloß unschädlich!) Auch wenn es um politische Fragen geht, hat der Ich-Erzähler höchst eigensinnige, jedoch durchaus schlüssige Einschätzungen: „Nanu?!“ rief ich! „Ich will Ihnen was sagen, Herr Bauer : hoffentlich bleibt die Besatzung 50 Jahre! … Wie sie doch alle Gefallen an Achselstücken und fein ersonnenen Dienstgraden fanden, am dröhnenden Marschtritt und zackigem Gehorchen. (Führer befiel : wir folgen! Gibt es etwas widerlicheres als diese Bitte um einen Befehl?! Pfui Deubel, Deutsche : Nee!!-) Dass Schmidt seine Hauptfigur mit politischem Durchblick ausstattet, hat zur Voraussetzung, dass der Autor selbst die politischen Verhältnisse durchschaut. Für ihn sind Krieg und Niederlage eben kein Verhängnis, das wie eine Naturkatastrophe über uns gekommen ist, sondern Resultat bewusster politischer Entscheidungen und Prioritätensetzungen. Schmidts Protagonisten haben eine tiefe Abneigung gegen Befehle, Unterwerfung, Militarismus und Krieg, auch gegen Hierarchien überhaupt. Der Autor stellt sich mit seiner Hauptfigur auch quer in der Vertriebenenfrage: Für ihn ist das Flüchtlingsschicksal an keine nationale Identität gebunden; Vertriebene und Flüchtlinge sind in erster Linie Menschen, und erst danach Deutsche, Polen usw. Als historisches Beispiel zieht er die Huguenottenvertreibung aus Frankreich im 17. Jahrhundert heran, mit deren Leiden er sich identifiziert: gemeinsam ist der Status des Objekts fremder Willkür, die Empörung dagegen, Verfügungsmasse Mächtigerer zu sein, schreibt Reemtsma. Arno Schmidt war ein politischer Dichter oder politisch denkender Intellektueller, der sich quer zum Zeitgeist stellte: Er war gegen die Westbindung Deutschland und die Blockbildung überhaupt, weil er dadurch die Gefahr eines Dritten Weltkriegs heraufbeschworen sah. Aus gleichem Grund opponierte er gegen die Wiederbewaffnung Westdeutschlands und die Aufrüstung mit Atomwaffen unter den Blöcken. Er hatte weit vor jeder Politik die Vision eines geeinten Europas. Er sah in der frühen BRD eine merkwürdig ungewordne Nation. In der Teilung Deutschlands sah er die weltpolitische Stabilisierungsfunktion. In seinem Text Das steinerne Herz, das in beiden deutschen Staaten spielt, wird deutlich, dass er in der Existenz der DDR auch eine Chance gesehen hat, auch wenn er sie wegen ihrer kulturpolitischen und ideologischen Borniertheit nicht mit Kritik verschont. Die DDR-Literatur war ihm formal nicht wagemutig genug. Arno Schmidt war ein unabhängiger, national und politisch unidentifizierbarer Intellektueller, der sich dem großen Vorbild Christoph Martin Wielands verschrieben hatte. Einer, der sich mit der deutschen Kultur identifizierte, die er als Bestandteil westlicher Kultur und Zivilisation nach der großen Katastrophe am Abgrund sah. Einer, der aus politischen und ästhetischen Gründen sich auf Abstand zum Volk hielt (Was’n Volk) und in der Bewegung „Kunst dem Volke“ (z.B. in der DDR der Bitterfelder Weg), einen Irrweg sah.5 Und schließlich einer, der in seinem Spätwerk, insbesondere in Zettel’s Traum, politikfernen Motiven und Sujets den Vorzug gab und sich vorrangig mit poetisch-ästhetischen Problemen beschäftigte. Die radikale Hinwendung zur Poetik und Abwendung von der Politik kann als eine Form der (politischen) Desillusionierung verstanden werden, wie auch als Reaktion auf die fehlende öffentliche Wahrnehmung und literarische Anerkennung. 1962 begründet Arno Schmidt seine politische Zurückhaltung so: Ich bilde mir nicht mehr ein, stellvertretend für eine auch nur einigermaßen ansehnliche Minderheit von 5 % zu sprechen: meine Zeitgenossen haben mir seitdem, nicht nur durch demonstrative Nicht=Teilnahme an meinen eigenen Arbeiten, sondern vor allem durch ihre ‚Stimmabgaben‘ dargetan – und sie wußten es Alle, daß sie damit Dinge wie ‚Adenauer‘ und ‚Wiederaufrüstung‘ wählten – daß sie meine diesbezüglichen Ansichten nicht nur nicht teilen; sondern mehr noch: sie überhaupt nicht einmal hören wollen. Und ich bin nun immerhin auch schon fast Fünfzig; ich habe keine Zeit mehr, Geduld mit Ochsen zu haben, die sich selber den...



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