French | Geheimer Ort | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 5, 704 Seiten

Reihe: Mordkommission Dublin

French Geheimer Ort

Kriminalroman
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-10-402388-5
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 5, 704 Seiten

Reihe: Mordkommission Dublin

ISBN: 978-3-10-402388-5
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Toter. Acht Mädchen. Nur ein Tag für die Wahrheit. Mord im Dubliner Internat: der psychologisch-literarische Kriminalroman von Tana French; Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. »Überwältigend. Die Sprache glüht.« Stephen King »Absolut hypnotisierend.« Gillian Flynn Vor einem Jahr ist im Park des traditionsreichen Mädcheninternats St. Kilda der sechzehnjährige Chris Harper erschlagen worden. Nun hängt sein Bild am Schwarzen Brett - mit der Überschrift: ICH WEISS, WER IHN GETÖTET HAT. Nur eines von acht Mädchen kann die Karte aufgehängt haben. In zwei Cliquen stehen sie sich gegenüber - unverbrüchliche Freundinnen, erbarmungslose Feindinnen. Der junge Detective Stephen Moran kann die toughe Ermittlungsleiterin Antoinette Conway überreden, ihn mit nach St. Kilda zu nehmen. Denn Stephen kennt eines der Mädchen, Holly Mackey, aus einem früheren Fall. Die Detectives wissen beide, was auf dem Spiel steht, auch für sie selbst. Doch sie haben unterschätzt, in welch verfängliches Netz sie sich begeben. Tana Frenchs fünfter Kriminalroman

Tana French schreibt Romane und Kriminalromane von mächtiger Spannung und Schönheit. Die vielfach ausgezeichnete Autorin zeichnet mit ihrer eindrücklichen Sprache ?markante Natur- und Gesellschaftsbilder und schaut tief in die Seelen der Menschen. Ihre Werke stehen weltweit ganz oben auf den Bestsellerlisten. Tana French wuchs in Irland, Italien und Malawi auf, absolvierte eine Schauspielausbildung am Trinity College und arbeitete für Theater, Film und Fernsehen. ?Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im nördlichen Teil von Dublin.
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1


Sie kam zu mir. Die meisten Leute bleiben auf Abstand. Ein gestammeltes Murmeln in der Zeugenhotline, , kein Name, ein , wenn du nachhakst. Ein anonymer Brief, ausgedruckt und in der falschen Stadt eingeworfen, Papier und Umschlag säuberlich abgewischt. Wenn wir sie kriegen wollen, müssen wir sie aufstöbern. Aber sie: Sie kam zu mir.

Ich erkannte sie nicht. Ich war schon mit Schwung halb die Treppe rauf Richtung Großraumbüro. Der Maimorgen fühlte sich an wie Sommer, saftige Sonne strömte durch die Fenster unten am Empfang, beleuchtete den ganzen Raum mit seinem rissigen Putz. Ich hatte eine Melodie im Kopf, vielleicht summte ich sie sogar.

Ich sah sie, natürlich sah ich sie. Auf dem verkratzten Ledersofa in der Ecke, Arme verschränkt, wippender Fuß. Langer platinblonder Pferdeschwanz; schicke Schuluniform, grün-blauer Schottenrock, blauer Blazer. Die Tochter von irgendwem, dachte ich, wartet auf Daddy, damit er sie zum Zahnarzt bringt. Das Kind vom Superintendenten vielleicht. Auf jeden Fall von jemandem mit mehr Geld als ich. Nicht bloß das Wappen auf dem Blazer, die graziös lässige Haltung, das gereckte Kinn, als könnte der Laden hier ihr gehören, wenn sie bloß den Nerv für den ganzen Papierkram hätte. Dann war ich an ihr vorbei – knappes Nicken für den Fall, dass sie zum Boss gehörte – und griff nach der Tür zum Großraumbüro.

Ich weiß nicht, ob sie mich erkannte. Vielleicht nicht. Es war sechs Jahre her, damals war sie noch ein kleines Mädchen, und an mir ist eigentlich bloß mein rotes Haar auffällig. Gut möglich, dass sie das vergessen hatte. Oder sie hatte mich auf Anhieb erkannt und schwieg aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen.

Sie ließ den Kollegen am Empfang sagen: »Detective Moran, da möchte Sie jemand sprechen« und mit einem Stift aufs Sofa zeigen. »Miss Holly Mackey.«

Sonne huschte mir übers Gesicht, als ich herumfuhr, und dann: na klar. Ich hätte die Augen wiedererkennen müssen. Groß, strahlend blau, der zarte, leicht katzenartige Schwung der Lider, ein blasses, schmucktragendes Mädchen in einem alten Gemälde, ein Geheimnis. »Holly«, sagte ich, Hand ausgestreckt. »Hallo. Lange nicht gesehen.«

Eine Sekunde blinzelten diese Augen nicht, nahmen alles an mir wahr, ohne mir irgendetwas zu verraten. Dann stand sie auf. Sie schüttelte mir noch immer die Hand wie ein kleines Mädchen, zog ihre zu schnell zurück. »Hi, Stephen«, sagte sie.

Ihre Stimme war gut. Klar und kühl, nicht dieses comichafte Quieksen. Der Akzent: gepflegt, aber nicht übertrieben nervig-vornehm. Ihr Dad hätte ihr das nicht durchgehen lassen. Raus aus dem Blazer und rein in die stinknormale öffentliche Schule, wenn sie den mit nach Hause gebracht hätte.

»Was kann ich für dich tun?«

Leiser: »Ich möchte Ihnen was geben.«

Ich war verdutzt. Morgens halb zehn in Schuluniform: Sie schwänzte den Unterricht, und zwar den einer Schule, wo so was auffiel. Ganz sicher hatte sie keine um Jahre verspätete Dankeskarte dabei. »Wirklich?«

»Ja, aber nicht .«

Der Seitenblick zu unserem Empfang signalisierte: Bei einer Sechzehnjährigen ist man da besser vorsichtig. Und bei der Tochter eines Detective gilt das doppelt. Aber bei Holly Mackey: Holst du jemanden dazu, den sie nicht haben will, bist du ganz schnell unten durch.

Ich sagte: »Suchen wir uns ein ruhiges Plätzchen.«

Ich arbeite im Dezernat für Ungelöste Fälle. Wenn wir Zeugen vorladen, bilden sie sich ein, sie müssten das nicht weiter ernst nehmen: keine brandheiße Mordermittlung, nirgendwo Pistolen und Handschellen, nichts, was dein Leben durchschüttelt wie eine Schneekugel. Stattdessen irgendwas Altes und Weiches, an den Rändern längst ausgefranst. Wir spielen mit. Unser Hauptvernehmungsraum sieht aus wie das Wartezimmer eines netten Zahnarztes. Gemütliche Sofas, Jalousien, Glastisch mit zerlesenen Illustrierten. Schlechter Tee und Kaffee. Die Videokamera in der Ecke oder der Einwegspiegel hinter einer Jalousie ist leicht zu übersehen, wenn man will, und die meisten wollen. Wird nicht lange dauern, Sir, bloß ein paar Minuten, dann können Sie auch schon wieder nach Hause.

Dorthin ging ich mit Holly. Jede andere in ihrem Alter hätte auf dem ganzen Weg dahin große Augen gemacht und Kopftennis gespielt, aber für Holly war das alles nicht neu. Sie ging den Korridor entlang, als würde sie bei uns wohnen.

Unterwegs sah ich sie mir genauer an. Sie war bisher ziemlich prima geraten. Durchschnittlich groß oder ein bisschen darunter. Schlank, sehr schlank, aber auf natürliche Art: kein Hungerhaken. Vielleicht erst halb ausgeformte Rundungen. Kein Hingucker, jedenfalls noch nicht, aber weiß Gott nicht hässlich – keine Pickel, keine Zahnspange, im Gesicht alles da, wo es hingehörte –, und die Augen hoben sie von der üblichen blonden Massenware ab, ließen dich zweimal hinsehen.

Ein Freund, der sie geschlagen hatte? Angegrapscht, vergewaltigt? Wollte Holly lieber mit mir reden als mit irgendeinem Fremden im Dezernat für Sexualdelikte?

Beweismittel?

Sie ließ die Tür vom Vernehmungsraum hinter uns zufallen, ein Schnippen des Handgelenks und ein Knall. Schaute sich um.

Ich schaltete die Kamera ein, drückte ganz beiläufig auf den Knopf. Sagte: »Setz dich.«

Holly blieb stehen. Fuhr mit dem Finger über das abgewetzte Grün des Sofas. »Der Raum hier ist gemütlicher als die früher.«

»Wie geht’s dir so?«

Sie schaute sich noch immer den Raum an, nicht mich. »Okay. Ganz gut.«

»Möchtest du eine Tasse Tee? Kaffee?«

Kopfschütteln.

Ich wartete. Holly sagte: »Sie sehen älter aus. Früher haben Sie ausgesehen wie ein Student.«

»Und du hast ausgesehen wie ein kleines Mädchen, das sein Stoffpony mit zu den Vernehmungen brachte. Clara, richtig?« Jetzt drehte sie den Kopf in meine Richtung. »Ich würde sagen, wir sehen beide älter aus.«

Zum ersten Mal lächelte sie. Ein kleines, bemühtes Grinsen, das gleiche, das ich in Erinnerung hatte. Damals hatte es etwas Klägliches an sich gehabt und mich jedes Mal gerührt. Das tat es auch diesmal.

Sie sagte: »Es ist schön, Sie zu sehen.«

Mit neun, zehn Jahren war Holly Zeugin in einem Mordfall gewesen. Es war nicht mein Fall, aber ich war derjenige, mit dem sie redete. Ich nahm ihre Aussage auf, bereitete sie auf ihren Auftritt als Zeugin vor Gericht vor. Sie wollte dort nicht aussagen, tat es aber trotzdem. Vielleicht brachte ihr Dad, der Detective, sie dazu. Möglich. Selbst als sie neun war, machte ich mir nicht ein einziges Mal vor, sie ganz zu durchschauen.

»Dito«, sagte ich.

Ein rasches Einatmen, das ihre Schultern hob, ein Nicken – in sich hinein, als hätte irgendwas klick gemacht. Sie ließ ihre Schultasche auf den Boden fallen. Schob einen Daumen unter ihr Revers, um auf das Wappen zu zeigen. Sagte: »Ich geh jetzt aufs Kilda.« Und beobachtete mich.

Schon mein Nicken kam mir anmaßend vor. St. Kilda: die Art von Schule, von der Leute wie ich eigentlich nie was gehört haben sollten. Und das hätte ich auch nicht, wäre da nicht ein toter Junge gewesen.

Mädchengymnasium mit Internat, Privatschule, Villengegend. Nonnen. Vor einem Jahr machten zwei Nonnen einen Morgenspaziergang und sahen bei einer Baumgruppe am Rande des weitläufigen Parks rings um die Schule einen Jungen liegen. Zuerst dachten sie, er würde schlafen, wäre möglicherweise betrunken. Wollten ihn schon ordentlich zusammenstauchen, herausfinden, wessen kostbare Tugend er geraubt hatte. Ein markerschütternder Nonnenstimmendonner: Aber er rührte sich nicht.

Christopher Harper, sechzehn, von der Jungenschule eine Straße und zwei extrahohe Mauern weiter. Irgendwann in der Nacht hatte ihm jemand den Schädel eingeschlagen.

Der Fall verbrauchte genügend Manpower, um einen Büroblock hochzuziehen, genug Überstunden, um Hypotheken abzubezahlen, genug Papier, um einen Fluss aufzustauen. Ein zwielichtiger Hausmeister, Mädchen für alles, irgendwas: ausgeschlossen. Ein Klassenkamerad, der sich mit dem Opfer geprügelt hatte: ausgeschlossen. Irgendwelche finsteren Ausländer, die bei irgendwelchen finsteren Dingen beobachtet wurden: ausgeschlossen.

Dann nichts. Keine weiteren Verdächtigen, kein Grund, warum Christopher auf dem Gelände vom St. Kilda war. Dann weniger Überstunden und weniger Personal und noch mehr nichts. Du darfst es nicht aussprechen, nicht bei einem so jungen Opfer, aber der Fall war durch. Inzwischen stapelte sich das viele Papier im Keller des Morddezernats. Früher oder später würden unsere Häuptlinge Druck von den Medien kriegen, und der Fall würde bei uns landen, in der Abteilung der Letzten Hoffnung.

Holly zupfte ihr Revers wieder gerade. »Sie wissen das mit Chris Harper«, sagte sie. »Oder?«

»Klar«, sagte ich. »Warst du da schon am Kilda?«

»Ja. Ich bin seit der ersten Stufe da.«

Und dabei beließ sie es, machte mir jeden Schritt schwer. Eine falsche Frage, und sie wäre weg, hätte mich abgeschrieben: zu alt, bloß noch so ein unbrauchbarer Erwachsener, der nichts schnallte. Ich tastete mich behutsam vor.

»Wohnst du im Internat?«

»Die letzten zwei Jahre, ja. Bloß von Montag bis Freitag. Am Wochenende bin ich zu Hause.«

Ich hatte den Wochentag vergessen. »Warst du in der Nacht da, als es passiert ist?«

»In der Nacht, als Chris ermordet wurde.«

Blaublitzende Gereiztheit. Daddys Tochter: keine...


French, Tana
Tana French begeistert Krimi- und Literatur-Liebhaber:innen gleichermaßen. Mit ihrer eindrücklichen Sprache zeichnet die irische Autorin markante Gesellschaftsporträts und schaut tief in die Seelen der Menschen. Tana French wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet; ihre Romane stehen weltweit auf den Bestsellerlisten. Sie wuchs in Irland, Italien und Malawi auf, absolvierte eine Schauspielausbildung am Trinity College und arbeitete für Theater, Film und Fernsehen. Tana French lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im nördlichen Teil von Dublin.

Wasel, Ulrike
Ulrike Wasel und Klaus Timmermann übersetzen als außergewöhnlich kreatives und erfahrenes Duo viele bedeutende Autorinnen und Autoren aus dem Englischen und Amerikanischen, unter anderem Tana French, Dave Eggers und Delia Owens.

Timmermann, Klaus
Ulrike Wasel und Klaus Timmermann übersetzen als außergewöhnlich kreatives und erfahrenes Duo viele bedeutende Autorinnen und Autoren aus dem Englischen und Amerikanischen, unter anderem Tana French, Dave Eggers und Delia Owens.

Tana FrenchTana French begeistert Krimi- und Literatur-Liebhaber:innen gleichermaßen. Mit ihrer eindrücklichen Sprache zeichnet die irische Autorin markante Gesellschaftsporträts und schaut tief in die Seelen der Menschen. Tana French wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet; ihre Romane stehen weltweit auf den Bestsellerlisten. Sie wuchs in Irland, Italien und Malawi auf, absolvierte eine Schauspielausbildung am Trinity College und arbeitete für Theater, Film und Fernsehen. Tana French lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im nördlichen Teil von Dublin.

Tana French schreibt Romane und Kriminalromane von mächtiger Spannung und Schönheit. Die vielfach ausgezeichnete Autorin zeichnet mit ihrer eindrücklichen Sprache markante Natur- und Gesellschaftsbilder und schaut tief in die Seelen der Menschen. Ihre Werke stehen weltweit ganz oben auf den Bestsellerlisten. Tana French wuchs in Irland, Italien und Malawi auf, absolvierte eine Schauspielausbildung am Trinity College und arbeitete für Theater, Film und Fernsehen. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im nördlichen Teil von Dublin.

Ulrike Wasel und Klaus Timmermann übersetzen als außergewöhnlich kreatives und erfahrenes Duo viele bedeutende Autorinnen und Autoren aus dem Englischen und Amerikanischen, unter anderem Tana French, Dave Eggers und Delia Owens.
Ulrike Wasel und Klaus Timmermann übersetzen als außergewöhnlich kreatives und erfahrenes Duo viele bedeutende Autorinnen und Autoren aus dem Englischen und Amerikanischen, unter anderem Tana French, Dave Eggers und Delia Owens.



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