E-Book, Deutsch, Band 4, 342 Seiten
Reihe: Georg Rubin ermittelt
Franzmann Das Molotow-Komplott
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-98952-079-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman - Georg Rubin ermittelt 4
E-Book, Deutsch, Band 4, 342 Seiten
Reihe: Georg Rubin ermittelt
ISBN: 978-3-98952-079-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Edgar Franzmann, 1948 in Krefeld geboren, lebt als Journalist und Schriftsteller in Köln. Er war Redakteur der Zeitung EXPRESS, Leiter der Online-Angebote von Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnische Rundschau sowie Chefredakteur des Web-Portals koeln.de. Franzmann ist Mitglied des Syndikats, des Vereins deutschsprachiger Krimiautoren, von April 2012 bis Mai 2014 war er dessen geschäftsführender Sprecher. Die Website des Autors: https://www.franzmann.de Der Autor bei Facebook: https://www.facebook.com/efranzmann Der Autor auf Instagram: https://www.instagram.com/edgarf/ Der Autor bei Twitter: https://twitter.com/edgarf Bei dotbooks veröffentlichte der Autor die Kriminalromane um den Journalisten und Ermittler Georg Rubin mit den Bänden »Der Richter-Code«, »Adenauers Auge«, »Die französische Agentin« und »Das Molotow-Komplott« sowie das Prequel zur Rubin-Reihe »Millionenallee«.
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Kapitel 2
Ein uniformierter Polizist holte Georg aus seinen Gedanken. »Bitte räumen Sie den Platz. Es gibt hier nichts zu sehen. Alle hinter die Absperrung.«
»Aber ich bin doch …«
»Ja, ich weiß, Herr Rubin. Der Chefreporter vom BLITZ. Aber der ist auch nichts Besseres. Das Platzverbot gilt für alle. Das ist hier ein Tatort.«
»Aber mein Vater …«
»Rubin, was soll das denn? Mein Vater. Ihr Vater kann, sage ich mal, der Kaiser von China sein. Der kann mich mal, wenn er kann. Also bitte. Hinter das rot-weiße Band.«
Georg dämmerte, dass er es mit Polizeihauptkommissar Müller zu tun hatte. Ausgerechnet. Der Mann hatte ihn schon einmal, im Marriott hinter dem Bahnhof, festgenommen, weil er den ermordeten Nachtportier und eine verschwundene Frau gekannt hatte. Für eine Sekunde blitzte die erste Begegnung mit der schönen Amal Amirouche in seinem Gedächtnis auf.
»Wenn Sie mich nur einmal ausreden …«
Müller, unterstützt von zwei Kollegen, spielte Rollkommando. Außer Georg trieben die Beamten ein Dutzend Schaulustige vor sich her in Richtung Zülpicher Straße.
»Nein. Sie haben hier nichts zu sagen. Beschwerden können Sie morgen bei der Pressestelle vorbringen.«
Irgendwie musste Georg an diesem Fleischklops vorbeikommen. Er sondierte das Gelände. Die Feuerwehr hatte ihre Löscharbeiten beendet. Pauls Genossen waren etwa zwanzig Meter rechts vom Haupteingang der Studiobühne aufgereiht, aus der Entfernung sah es aus, als würden ihre Personalien aufgenommen.
Der zweite Rettungswagen stand noch am alten Platz. Neben dem Gefährt sah Georg einen Mann in Zivil, der ähnlich groß gewachsen war wie er mit seinen knapp eins neunzig und ihm bekannt vorkam.
»Wenn ich jetzt laufe, was machen Sie dann?«, rief Georg, zerriss das rot-weiße Band, rannte los, rempelte den verblüfften Müller so heftig an, dass der das Gleichgewicht verlor und auf den Boden plumpste.
Der Polizeiklops raffte sich schneller als gedacht wieder auf, brüllte »Stehen bleiben, oder ich schieße«, und dann peitschte tatsächlich ein Schuss durch die Nacht.
Georg legte noch einen Zahn Geschwindigkeit zu und erreichte keuchend sein Ziel.
»Hab ihn«, rief eine kräftige Männerstimme in Richtung Polizeihauptkommissar Müller. Es war Gerald Menden, Mordkommission, Georg Rubins bester Kumpel bei der Kölner Polizei. Aber warum drehte Menden ihm einen Arm auf den Rücken und fesselte ihn mit Handschellen an einen verrosteten Fahrradständer?
»Gerald, was soll das?«
»Wir müssen Müller was bieten.«
»Dein wild gewordener Müller hat auf mich geschossen.«
»Er hat neben dich geschossen. Außerdem will ich nicht, dass du Fotos machst.«
»Binde mich sofort los. Ich bin nicht als Reporter hier. Ich bin Zeuge.«
Georg zeigte auf den leblosen Körper, der sich unter einer Plane neben dem Rettungswagen abzeichnete.
»Ist er tot?«
Menden nickte.
»Es kann sein, dass ich ihn kenne. Es kann sein, dass ich schuld daran bin, dass er heute Abend überhaupt hier war.« Erst jetzt, während er diese Worte sprach, wurde ihm bewusst, wie wahr sie waren. War er mitschuldig an Norbert Winzers Tod?
Menden machte ein paar Schritte auf den Leichnam zu, hob die Plane über dem Kopf an, ohne Georg einen Blick zu erlauben. »Ich glaube nicht, dass du sehen willst, wie der Mann aussieht. Kein schöner Anblick.«
Georg rüttelte an den Handschellen: Es gelang ihm, den rostigen Fahrradständer aus der Verankerung zu reißen. Mit Gepolter arbeitete er sich bis zu dem Leichnam vor. »Bitte, Gerald. Nur ganz kurz. Ich kann ihn vermutlich identifizieren.«
Menden hob das Leichentuch noch einmal an. Georg riskierte einen Blick, und augenblicklich stockte ihm der Atem. »Oh nein …«, hörte er sich sagen. Das Gesicht des Toten war nicht viel mehr als ein roher Klumpen Fleisch mit einem hellblauen Auge.
Menden deckte den Toten wieder zu, ohne hinzusehen.
Georg flüsterte: »Ich weiß nicht. Ich dachte, es wäre Norbert Winzer. Schauspieler, der hier schon mal jobbt. Der Mann hat hellblaue Augen. Aber sonst erkenne ich nichts wieder.«
Menden nahm Georgs freien Arm und schloss ihn mit einer zweiten Handschelle an einen Laternenmast an.
»Au«, schrie er auf, »du tust mir weh. Ich habe mir vorhin die Hand verbrannt, als ich den Mann dort retten wollte.«
»Du hast den Mann brennen sehen?«
»Ich habe einen Mann gesehen. Gefesselt auf einem Bürostuhl, auf dem Kopf eine Kapuze. Ich dachte, der sieht aus wie die Gefangenen in Guantánamo. Deshalb konnte ich das Gesicht nicht erkennen. Ja, dieser Mann brannte. Die Kleider, der Sack über dem Kopf. Alles in Flammen.«
Menden schaute auf die Uhr.
»Was ist los? Warum sagst du nichts? Warum lässt du mich nicht endlich frei?«, fragte Georg.
»Der Tote ist mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich Norbert Winzer. Ich kannte ihn nicht persönlich, aber ich kenne seine Schwester«, sagte Menden.
»Was ist mit seiner Schwester?«
»Eva Winzer. Solltest du eigentlich auch kennen.«
»Du meinst die blutige Eva?«
»Ich meine Frau Oberstaatsanwältin Dr. Eva Winzer, die hier jeden Moment erscheinen müsste. ›Blutige Eva‹ heißt sie nur in den reißerischen Artikeln im BLITZ.«
»Deine Oberstaatsanwältin Frau Winzer ist für politische Strafsachen zuständig.«
»Ja, was meinst du denn, was das hier ist? Hast du nicht selbst von Guantánamo gesprochen? Und du kennst bestimmt auch die Männer, die hier Party gemacht haben, während nebenan Norbert Winzer im Sterben lag.«
»Ja, sicher. Ich war dabei. Wir haben nichts bemerkt. Es war die Geburtstagsfeier meines Vaters. Alles alte Kumpel.«
»Alles alte Revoluzzer«, sagte Menden.
»Das ist fünfzig Jahre her.«
»Wo ist dein Vater überhaupt?«
»In der Uniklinik«, antwortete Georg. »Notaufnahme. Ihm geht es nicht gut. Ich muss gleich zu ihm.«
»Nicht, bevor Frau Winzer hier war. Aber ich kann dich beruhigen, sie wird den Fall nicht übernehmen, weil sie als Schwester des Opfers als befangen gelten würde.«
»Trotzdem wird sie dir die Hölle heiß machen, wenn du dir den kleinsten Fehler erlaubst.«
»Du sagst es«, sagte Menden, »und deswegen bleibst du schön hier.«
»Das ist Freiheitsberaubung.«
Menden ließ sich nicht beeindrucken. Gelassen öffnete er die Handschelle, die Georg an den Fahrradständer gekettet hatte. »Damit du meinen guten Willen siehst.«
»Ich hänge immer noch an der Laterne.«
»Als ob ich das nicht wüsste«, sagte Menden und pfiff vor sich hin.
»Ich kenne das Lied«, schimpfte Georg.
Menden pfiff weiter.
»Steht ’ne Laterne und steht sie noch davor«, sang eine Frau in Georgs Kopf, Marlene Dietrich in Schwarz-Weiß.
Georgs Linke war so unglücklich an die Laterne gefesselt, dass er auf der Apple Watch nicht einmal die Uhrzeit lesen konnte, dazu hätte er das Handgelenk drehen müssen, um das Zifferblatt zu aktivieren. Er versuchte es einmal, zweimal, ohne Erfolg. Verfluchte Technik.
Sein Handy steckte in der linken Jeanstasche, trotz aller Verrenkungen kam er auch da nicht ran.
»Was treibst du?«, fragte Menden, der zurückkam, nachdem er die Alten für diese Nacht entlassen hatte.
»Ich will wissen, wie spät es ist. Außerdem muss ich dringend telefonieren. Ich habe Pauls Frau und meiner Tochter noch gar nichts erzählt.«
»Die waren bei der Feier nicht dabei?«, fragte Menden erstaunt.
»Nein. Das hier war der 68er-Stammtisch. Paul hat in seinen Geburtstag reingefeiert. Die Familienfeier sollte morgen, ich meine heute, zu Hause in Ehrenfeld stattfinden.«
»Es ist jetzt ein Uhr dreiundfünfzig«, sagte Menden. »Wo hast du dein Handy?«
»In der linken Hosentasche.«
»Telefonieren ist okay.«
Menden fischte Georgs Handy aus der Tasche. »Während du anrufst, werde ich Müller sagen, dass er die äußere Absperrung aufheben kann. Danach binde ich dich los. Soll ich für dich wählen?«
Gertrud Odenthal hob sofort ab. »Ja?«
»Georg hier.«
»Was ist los?«
»Paul ist im Krankenhaus. Die Geburtstagstorte …«
»… ist explodiert«, unterbrach Rud, »weiß ich längst. Du bist live im Fernsehen. Die Reporterin sagt, du wärst der Hauptverdächtige, deshalb hätte dich der Kommissar auch an eine Laterne gefesselt.«
»So ein Unsinn.«
»Aber ich sehe dich doch. Du bist an eine Laterne angekettet. Jetzt, jetzt bewegt sich die Kamera, kommt noch näher ran.«
Georg sah, dass Müller an der Spitze einer Meute von Fotografen und Fernsehteams heranrollte.
»Gertrud«, sagte Georg, »Paul liegt in der Uniklinik. Notaufnahme. Du musst da hin. Sag Rosa Bescheid. Aber mache ihr keine Angst.«
»Ich soll ihr keine Angst machen? Die sitzt neben mir und kriegt alles mit.«
»Bitte, fahrt in die Uniklinik. Kümmert euch um Paul. Ich komme nach, so schnell ich kann.«
»Nicht näher als zehn Meter«, befahl Menden den Presseleuten.
Georg entdeckte einen BLITZ-Kollegen, Jo, den »freiberuflichen Polizeireporter«, wie er sich nannte, fleißig, frech, schlecht bezahlt. Den Nachnamen hatte Georg vergessen. Aber vielleicht war Jo inzwischen eine eigene Marke wie Fotograf Zack, von dem auch kaum jemand den wirklichen Namen kannte.
»Rubin, was machen Sie da?«, wollte der Kollege wissen. »Herr Müller von der Polizei sagte, Sie wären vorläufig festgenommen.«
»Quatsch. Ich halte die Laterne fest, damit die hier Licht haben. Sie wissen doch, alles morsch in der Stadt.«
Jo grinste. »Und die Handschellen?«
»Nein, die sind...