E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Franziskus Gemeinsam gehen
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-451-83969-6
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die wichtigsten Texte zur Zukunft der Kirche
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-451-83969-6
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Papst Franziskus, Jorge Mario Bergoglio, geboren am 17. Dezember 1936, war vom 13. März 2013 bis zu seinem Tod Bischof von Rom. Der argentinische Jesuit war Sohn einer siebenköpfigen Familie italienischer Auswanderer und war von 1973 bis 1979 Provinzial der argentinischen Jesuiten. Von 1998 bis 2013 war er Erzbischof von Buenos Aires, er wurde 2001 zum Kardinal ernannt. Franziskus starb am 21. April 2025.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Christentum/Christliche Theologie Allgemein
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Christliche Kirchen, Konfessionen, Denominationen Katholizismus, Römisch-Katholische Kirche
- Geisteswissenschaften Religionswissenschaft Religionswissenschaft Allgemein
Weitere Infos & Material
3. Mit dem Blick eines Schülers1
Ich danke dem Herrn für diese Gelegenheit, mit euch sprechen zu können, liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst und Verantwortliche des CELAM im Quadriennium 2011–2015. Seit 57 Jahren dient der CELAM den 22 Bischofskonferenzen Lateinamerikas und der Karibik, indem er eine Zusammenarbeit nach dem Prinzip der Solidarität und der Subsidiarität anbietet, um die bischöfliche Kollegialität sowie das Miteinander unter den Kirchen dieser Region und ihren Hirten zu fördern, anzuregen und ihr Dynamik zu verleihen.
Wie ihr, so bin auch ich Augenzeuge des starken Impulses des Geistes während der V. Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik in Aparecida im Mai 2007 – ein Impuls, der immer noch die Arbeiten des CELAM für die so sehr ersehnte Erneuerung der Teilkirchen belebt. Diese Erneuerung ist in einem Großteil von ihnen bereits im Gang. Ich möchte dieses Gespräch auf das reiche Erbe konzentrieren, das aus jener brüderlichen Begegnung hervorgegangen ist und dem wir alle den Namen Kontinentalmission verliehen haben.
Besondere Merkmale von Aparecida
Es gibt vier ganz eigene Merkmale der V. Generalversammlung. Sie sind wie vier Säulen der Entwicklung von Aparecida und verleihen ihr ihre besondere Originalität.
Anfang ohne Dokument
Medellin, Puebla und Santo Domingo begannen ihre Arbeiten mit einem Weg der Vorbereitung, der in einer Art Instrumentum laboris gipfelte, auf dessen Basis sich die Diskussion, die Reflexion und die Approbation des Schlussdokuments entwickelte. Aparecida hingegen förderte die Teilnahme der Teilkirchen als Weg der Vorbereitung, der in einem zusammenfassenden Dokument gipfelte. Obwohl während der V. Generalversammlung auf dieses Dokument Bezug genommen wurde, wurde es nicht als Ausgangspunkt übernommen. Die anfängliche Arbeit bestand darin, die Sorgen der Hirten zusammenzutragen angesichts des Wandels der Zeiten und der Notwendigkeit, das Leben als Jünger und Missionar zu erneuern, mit dem Christus die Kirche gründete.
Umfeld des Gebetes mit dem Volk Gottes
Es ist wichtig, an das Umfeld des Gebetes zu erinnern, das von der täglichen Gemeinsamkeit in der Eucharistie und den anderen liturgischen Momenten ausging, wo wir immer vom Volk Gottes begleitet wurden. Andererseits bestand dadurch, dass die Arbeiten im Tiefparterre des Heiligtums stattfanden, die »Hintergrundmusik«, die sie begleitete, aus den Gesängen und den Gebeten der Gläubigen.
Ein Dokument, das mit dem Engagement der Kontinentalmission in der Zeit weiterwirkt
Aus diesem Kontext von Gebet und Glaubensleben erwuchs der Wunsch nach einem neuen Pfingsten für die Kirche und das Engagement der Kontinentalmission. Aparecida schließt nicht mit einem Dokument, sondern setzt sich in der Kontinentalmission fort.
Die Gegenwart von Maria, der Mutter Amerikas
Es ist die erste Versammlung der Bischöfe von Lateinamerika und der Karibik, die in einem marianischen Heiligtum abgehalten wird.
Dimensionen der Kontinentalmission
Die Kontinentalmission erfolgt in zwei Dimensionen: der programmatischen und der paradigmatischen. Die programmatische Mission besteht, wie der Name sagt, in der Verwirklichung von Unternehmungen missionarischer Art. Die paradigmatische Dimension schließt hingegen ein, die gewöhnlichen Aktivitäten der Teilkirchen unter missionarischem Aspekt anzugehen. Offensichtlich leitet das konsequenterweise eine ganze Dynamik der Reform der kirchlichen Strukturen ein. Die »Änderung der Strukturen« (von zeitgebundenen zu neuen) ist nicht das Ergebnis einer Untersuchung über die Organisation des kirchlichen Amtsapparats, aus der sich eine statische Umorganisation ergäbe, sondern die Folge der Dynamik der Mission. Was veraltete Strukturen fallen lässt, was dazu führt, die Herzen der Christen zu verändern, ist eben gerade der missionarische Charakter. Daher die Wichtigkeit der paradigmatischen Mission.
Die Kontinentalmission – sowohl die programmatische als auch die paradigmatische – erfordert, das Bewusstsein einer Kirche zu erzeugen, die sich darauf einrichtet, allen Getauften und den Menschen guten Willens zu dienen. Der Jünger Christi ist nicht ein Mensch, der sich in einer Spiritualität der Innerlichkeit isoliert, sondern ein Mensch in der Gemeinschaft, bereit, sich an die anderen zu verschenken. Kontinentalmission schließt also kirchliche Zugehörigkeit ein.
Ein Ansatz wie dieser, der mit dem Jünger- und Missionar-Sein beginnt und einschließt, die Identität des Christen als kirchliche Zugehörigkeit zu verstehen, erfordert, dass wir uns deutlich machen, welches die augenblicklichen Herausforderungen an den missionarischen Charakter des Jüngerseins sind. Ich werde nur zwei von ihnen hervorheben: die innere Erneuerung der Kirche und der Dialog mit der Welt von heute.
Innere Erneuerung der Kirche
Aparecida hat die Notwendigkeit einer Umkehr in der Pastoral vor Augen gestellt. Diese Umkehr schließt ein, an die Frohe Botschaft zu glauben, an Jesus Christus als den Bringer des Gottesreiches, an sein Hereinkommen in die Welt, an seine Gegenwart, die das Böse besiegt, an die Hilfe und die Führung des Heiligen Geistes und an die Kirche als Leib Christi und Fortführerin der Dynamik der Inkarnation.
In diesem Sinne ist es nötig, dass wir als Hirten uns Fragen stellen, die sich auf die Kirchen beziehen, denen wir vorstehen. Diese Fragen dienen als Anleitung, um den Stand der Diözesen in der Rezeption des Geistes von Aparecida zu überprüfen, und es sind Fragen, die wir uns als Gewissenserforschung häufig stellen sollten.
Sorgen wir dafür, dass unsere Arbeit und die unserer Priester mehr pastoral als administrativ ist? Wer ist der hauptsächliche Nutznießer der kirchlichen Arbeit: die Kirche als Organisation oder das Volk Gottes in seiner Ganzheit?
Überwinden wir die Versuchung, den komplexen Problemen, die auftauchen, in reaktiver (abwartender) Weise Beachtung zu schenken? Nehmen wir eine pro-aktive (voraushandelnde) Grundhaltung ein? Begünstigen wir Räume und Gelegenheiten, um die Barmherzigkeit Gottes zum Ausdruck zu bringen? Sind wir uns der Verantwortung bewusst, die pastoralen Aktivitäten und das Funktionieren der kirchlichen Strukturen zu überdenken und dabei das Wohl der Gläubigen und der Gesellschaft im Auge zu haben?
Lassen wir in der Praxis die Laien an der Mission teilnehmen? Verkünden wir das Wort Gottes und spenden wir die Sakramente im klaren Bewusstsein und in der deutlichen Überzeugung, dass sich in ihnen der Heilige Geist ausdrückt?
Ist es für uns ein übliches Kriterium, unser Urteil in der Pastoral auf den Ratschlag der Diözesanräte zu stützen? Sind diese Räte und jene auf Pfarreiebene für die Pastoral und die wirtschaftlichen Angelegenheiten wirkliche Räume für die Teilnahme der Laien an der Beratung, der Organisation und der pastoralen Planung? Das gute Funktionieren der Räte ist entscheidend. Ich glaube, dass wir darin noch sehr im Rückstand sind.
Sind wir Hirten – Bischöfe und Priester – uns der Sendung der Laien bewusst und von ihr überzeugt; geben wir ihnen die Freiheit, die Sendung, die der Herr ihnen anvertraut, im Einklang mit ihrem Weg als Jünger zu prüfen? Unterstützen und begleiten wir sie, indem wir jegliche Versuchung zu Manipulation und unrechtmäßiger Unterwerfung überwinden? Sind wir immer offen, uns auf der Suche nach dem Wohl der Kirche und ihrer Sendung in der Welt hinterfragen zu lassen?
Fühlen sich die Pastoralassistenten und die Gläubigen allgemein als Teil der Kirche, identifizieren sie sich mit ihr und bringen sie sie den Getauften, die sich von ihr distanziert und entfernt haben, nahe?
Wie man einsehen kann, geht es hier um die Grundeinstellungen. Die Umkehr in der Pastoral betrifft hauptsächlich die Grundeinstellungen und eine Reform des Lebens. Eine Änderung der Einstellungen ist notwendigerweise dynamisch: Sie »kommt in Gang«, und man kann sie nur lenken, wenn man sie mit Unterscheidungsvermögen begleitet. Wichtig ist, sich immer vor Augen zu halten, dass der Kompass, um sich auf diesem Weg nicht zu verlieren, der der katholischen Identität im Sinne einer kirchlichen Zugehörigkeit ist.
Dialog mit der Welt von heute
Es ist gut, sich an die Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils zu erinnern: Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.2 Hier liegt das Fundament des Dialogs mit der Welt von heute.
Die Antwort auf die Lebensfragen des Menschen von heute, besonders der jungen Generationen, bringt, wenn man auf ihre Ausdrucksweise achtet, eine fruchtbare Änderung mit sich, die mit Hilfe des Evangeliums, des Lehramtes und der Soziallehre der Kirche durchzuführen ist. Die Szenerien und die Areopage sind verschiedenster Art. So gibt es zum Beispiel in ein und derselben Stadt verschiedene imaginäre Kollektive, die »unterschiedliche Städte« bilden. Wenn wir nur in den Maßstäben der »Kultur von immer« verharren, im Grunde einer Kultur auf ländlicher Basis, wird das Ergebnis schließlich eine Vereitelung der Kraft des Heiligen Geistes sein. Gott ist in allen Teilen: Man muss ihn zu entdecken wissen, um ihn in der Sprache jeder Kultur verkünden zu können; und jede Wirklichkeit, jede Sprache hat einen anderen Rhythmus.
Einige Versuchungen gegen den Auftrag als Jünger und Missionar
Die...