Frankfurter / Ben-Chorin / Bossert | Ich tötete einen Nazi | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Frankfurter / Ben-Chorin / Bossert Ich tötete einen Nazi

Erzählt und bearbeitet von Schalom Ben-Chorin
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-8438-0735-7
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Erzählt und bearbeitet von Schalom Ben-Chorin

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-8438-0735-7
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



David Frankfurter richtete die Waffe zu einem Zeitpunkt gegen den Nationalsozialismus, als dieser von den Regierungen vieler Länder weder als Kriegsgefahr noch als genozidale Gewaltherrschaft betrachtet wurde. Am 4. Februar 1936 erschoss er in Davos den NSDAP-Landesgruppenleiter der Schweiz, Wilhelm Gustloff. Damit war Frankfurter einer der ersten Juden, die sich dem nationalsozialistischen Unrechtsregime mit der Waffe entgegenstellten. Unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Haft hielt er 1946 gemeinsam mit dem deutsch-jüdischen Dichter, Journalisten und Religionsphilosophen Schalom Ben-Chorin seine Lebensgeschichte fest. Zwei Jahre später erschienen seine Memoiren in hebräischer Sprache unter dem Titel Nakam, dem biblischen Wort für »Rache«. Mit dem vorliegenden Buch wird Frankfurters Selbstzeugnis erstmals ungekürzt in deutscher Sprache veröffentlicht. Die Memoiren werden in kommentierter Lesefassung von Sabina Bossert und Janis Lutz herausgegeben und mit einem Nachwort von Micha Brumlik kommentiert.

David Frankfurter (1909-1982) wurde in Österreich-Ungarn auf heute kroatischem Gebiet geboren und studierte ab 1929 in Leipzig und Frankfurt Medizin. 1933 verließ er Deutschland, um seine Studien in Bern fortzusetzen. Er erschoss Wilhelm Gustloff 1936 in Davos und stellte sich darauf der Polizei. Eigentlich zu 18 Jahren Haft verurteilt, wurde er nach Kriegsende begnadigt und aus der Schweiz ausgewiesen. Er emigrierte nach Tel Aviv und arbeitete mehrheitlich für die Regierung oder regierungsnahe Organisationen. Schalom Ben-Chorin (1913-1999) war Journalist und Religionswissenschaftler. Er studierte in München Germanistik und Vergleichende Religionswissenschaft. 1935 emigrierte er nach Palästina und war nach journalistischer Tätigkeit seit 1970 Dozent und Gastprofessor in Jerusalem, Tübingen und München. Er gehörte zum Gründungskomitee des Verbands deutschsprachiger Schriftsteller Israels (VdSI) und setzte sich zeitlebens für den jüdisch-christlichen Dialog ein. Dr. Sabina Bossert ist Fachreferentin für Jüdische Zeitgeschichte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Sie promovierte am Basler Zentrum für Jüdische Studien zu David Frankfurter. 2019 erschien ihre Dissertation David Frankfurter (1909-1982). Das Selbstbild des Gustloff-Attentäters. Janis Lutz ist seit 2019 am Jüdischen Museum Frankfurt tätig. Er war einer der Kuratoren der Wechselausstellung Rache: Geschichte und Fantasie, in dessen Kontext er das vorliegende Buchprojekt initiierte. Prof. Dr. Micha Brumlik ist emeritierter Professor am Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main und seit 2017 dort Seniorprofessor. Seit Oktober 2013 ist er zudem Senior Advisor am Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg.
Frankfurter / Ben-Chorin / Bossert Ich tötete einen Nazi jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Vorwort | Entstehungsgeschichte | MEMOIREN DAVID FRANKFURTER | Ich tötete einen Nazi | Biographie | Jugend und Krankheit | Studentenjahre in Deutschland | Die Tat reift | Schüsse in Davos | Ich stelle mich selbst der Polizei | Der Prozess | Hinter Zuchthausmauern | Orbe | Wieder in Chur | Begnadigung | Freiheit | Alijah | Nachwort 1 | Nachwort 2 | Glossar


Frankfurter und Ben-Chorin haben nicht nur den Memoiren selbst, sondern auch den einzelnen Kapiteln jeweils sinngebende Zitate vorangestellt, die eine deutende Perspektive beabsichtigen. Auf der Titelseite des Manuskripts sind dies zwei biblische Zitate und ein literarisches: »Du sollst das Böse ausrotten aus deiner Mitte …« aus Deuteronomium 13:6 und »Gedenke, was dir Amalek11 angetan hat …« aus Deuteronomium 25:17 sowie »Wer niemals um seiner Rasse willen gehasst wurde, kann das nicht begreifen …« aus des österreichischen Schriftstellers Franz Werfel aus dem Jahr 1933, das sich mit dem Genozid an den Armeniern beschäftigt.12 Die Zitate, die sowohl verständniserweckend, selbstbestimmt als auch rechtfertigend in Bezug auf das Attentat auf Wilhelm Gustloff wirken, widerspiegeln Frankfurters Selbstbild und -verständnis. Dabei wird deutlich, dass sich Frankfurters Buch in erster Linie an eine jüdische Leserschaft richtete, die diese Hinweise sicherlich einordnen und verstehen konnte. Diesen Zitaten folgt eine Widmung: »Dem Andenken meines Vaters Rabbi Dr. Mosche Frankfurter, seligen Andenkens, der mit den sechs Millionen Opfern meines Volkes fiel.«13 Diese Widmung verdeutlicht, unter welchen Gegebenheiten Frankfurter seine Memoiren verfasste: Bis auf seine Geschwister war beinahe seine gesamte Familie ermordet worden.

Die Memoiren sind in einem literarischen Stil verfasst, der auf den Germanisten und Religionswissenschaftler Schalom Ben-Chorin zurückzuführen ist. Sie enthalten sowohl religiöse Verweise als auch Zitate aus der Literatur, teilweise programmatisch zu verstehende Werke, in denen es um Tyrannenmord, Gerechtigkeit, Recht und Unrecht geht, wie Schillers oder Kleists .

Die Memoiren erschienen im Februar 1948 im Verlag unter dem Titel »Nakam«, hebräisch für Vergeltung oder Rache. In der vom 16. April 1948 wurde das Buch unter dem Titel besprochen. Der Verfasser Dov Vardi schrieb in seiner Rezension, dass die Perspektive Frankfurters »extremely sincere« und Frankfurter mehr ein »Dostoievskian hero, suffering and tormented« sei, als ein »unhesitating arm of vengeance«. Er hob besonders Frankfurters moralische Zweifel hervor, die ihn bezüglich des begangenen Mordes gequält hätten, und dass er durch den Mord anstelle des Gebots »Du sollst nicht morden« ein neues, höheres Gebot geschaffen habe: »Thou Shalt Live«.14

Bei der Lektüre der Memoiren ist zu beachten, dass es sich nicht um ein Tagebuch handelt, das Frankfurter parallel zu seinem Leben verfasst hatte, sondern um eine rückblickende Einordnung und Sinngebung nach Kriegsende mit dem Wissen um das Geschehen nach dem Attentat auf Gustloff im Februar 1936. Frankfurter hatte durch den Lauf der Geschichte Recht erhalten und erzählte seine Geschichte aus dieser Perspektive. Dies zeigt sich beispielsweise daran, wenn er immer wieder versucht, sein Leben mit Ereignissen der Zeitgeschichte in Verbindung zu bringen, so beispielsweise seine Verlegung vom Gefängnis in Chur nach Orbe und zurück, die er auf den Tag der Kapitulation Belgiens bzw. den Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion legt. Entsprechend sind Frankfurters Memoiren ein subjektives Stück Geschichte, sein eigener Blick auf sein Leben.

Die veröffentlichten Memoiren


Die Struktur der unpublizierten deutschsprachigen Memoiren wurde für die hebräischen Publikationen nur teilweise übernommen, weshalb hier kurz darauf eingegangen werden soll. Frankfurters Lebenserinnerungen wurden bisher nur auf Hebräisch in ihrer Ganzheit veröffentlicht; in anderen Sprachen lediglich in Ausschnitten. Frühe Bemühungen unmittelbar nach Frankfurters Auswanderung, die Memoiren auf Deutsch im Zürcher oder auf Jiddisch in der amerikanischen Zeitung zu veröffentlichen, verliefen im Sande.

Bereits erwähnt wurde die erste Veröffentlichung der Memoiren aus dem Jahr 1948, die den Titel trug.15 Der Untertitel lässt sich mit »Die Affäre um das Attentat auf den Naziagenten Gustloff übersetzen. Das Buch umfasst 217 Seiten, aufgeteilt in zwölf Kapitel, versehen mit insgesamt drei Bildern (David Frankfurter, sein Vater Rabbiner Moritz Frankfurter und ein Bild von Frankfurter während des Prozesses in Chur) sowie einem Vorwort von Schalom Ben-Chorin. Das Buch erschien in der Reihe , die sich primär an Jugendliche richtete und eine sozialistisch-zionistische erzieherische Absicht hatte.

Eine Neuveröffentlichung des hebräischen Manuskripts erfolgte nach Frankfurters Tod im Jahr 1984 unter dem Titel (»Der erste Kämpfer gegen die Nazis«) im Verlag .16 Diese Ausgabe wurde mit weiteren Texten ergänzt; so mit einem ausführlichen Vorwort des Geschichtsprofessors Joseph Nedava der Universität Tel Aviv und mit dem Vorwort von Schalom Ben-Chorin, das bereits in der Ausgabe von 1948 abgedruckt war. Im Anhang folgen weitere Dokumente: ein Epilog aus Emil Ludwigs , zwei Briefe von Bekannten aus der Schweiz (des Theologieprofessors Thomas Willi und von Rachel Anliker) an Frankfurters Frau Bruria sowie ein Nachruf von Jonathan Arnon über David Frankfurter: »An meinen Freund, der von uns gegangen ist«. Das Buch umfasst 188 Seiten und mehrere Bilder.

Umschlag der zweiten hebräischen Veröffentlichung von Frankfurters Memoiren, 1984, Foto: Sabina Bossert

Interessant ist die Betitelung der beiden Bücher. Die erste Ausgabe, die noch viel direkter unter dem Eindruck der Schoa stand, wurde , Vergeltung/Rache, genannt. Dies unterstreicht die Einordnung des Attentats auf Wilhelm Gustloff als Reaktion Frankfurters auf die Anfänge der nationalsozialistischen antijüdischen Politik in Deutschland. Ob es einen Zusammenhang bei der Auswahl des Buchtitels und der Gruppe »Nakam« um Abba Kovner gab, ist unklar. 1945 schloss sich eine Gruppe von rund 50 jungen Überlebenden der Schoa zusammen und fasste den Plan, sich an sechs Millionen Deutschen zu rächen. Die Gruppe firmierte unter dem Akronym »DIN«, hebräisch für »Gericht«, wobei die einzelnen Buchstaben für stehen: »Das Blut Israels erinnert sich«. Gemeinhin wurde die Gruppe jedoch unter »Nakam« bekannt.18 Der Titel der Neuauflage nach Frankfurters Tod hingegen, , verortete seine Tat viel deutlicher in der Geschichte des jüdischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus, indem sie als Anfangspunkt einer Reihe von Widerstandsaktionen platziert wurde.

Tatwaffe von David Frankfurter, 1930er Jahre, Pistole Kaliber 6.35, Kantonspolizei Graubünden

In weiteren Sprachen wurden Frankfurters Lebenserinnerungen bisher nur in Ausschnitten veröffentlicht. Die US-amerikanische Monatszeitschrift veröffentlichte 1950 eine auszugsweise Übersetzung ins Englische unter dem Titel .19 ist eine 1945 vom American Jewish Committee gegründete Zeitschrift, die sich mit Meinungen und zeitgeschichtlichen Themen befasste. Für wurde der deutsche Originaltext in Ausschnitten – der gesamte Artikel ist knapp acht Seiten lang – von Ralph Manheim übersetzt. Der Text beginnt mit dem Kauf des Revolvers in Bern und endet mit der Festnahme Frankfurters und seiner ersten Nacht in Untersuchungshaft. Den wenigen Publikationen20, die zumindest am Rande die Sicht Frankfurters miteinbezogen, diente diese Version als Grundlage. Frankfurter bezeichnete die Übersetzung als »unzulänglich«.21

Eine Übersetzung von Ausschnitten aus den Memoiren in der , Buenos Aires, wurde ohne Erlaubnis der Rechteinhaber Frankfurter und Ben-Chorin publiziert. Ben-Chorin bevollmächtige in dieser Sache seine Schwester Jeanne Bachmann, die bereits 1933 nach Argentinien ausgewandert war, damit, die Rechte gegenüber der wahrzunehmen und gegen die Zeitschrift wegen des unautorisierten Abdrucks und der »unzulängliche[n] Rückübersetzung aus der amerikanischen Zeitschrift ‚Commentary‘«22 vorzugehen. Über Bachmann verlangten Frankfurter und Ben-Chorin von dem Magazin eine Entschädigung, boten aber gleichzeitig an, auf die Entschädigung zu verzichten, wenn der Verlag bereit wäre, das Buch in seiner Gesamtheit zu drucken. Aus den Quellen ist nicht ersichtlich, wie sich die Angelegenheit weiterentwickelt hat.

Auf Deutsch bestehen zwei Publikationen, in denen Auszüge aus dem deutschsprachigen Originalmanuskript veröffentlicht wurden. In der Zeitung , die sich an...


David Frankfurter (1909–1982) wurde in Österreich-Ungarn auf heute kroatischem Gebiet geboren und studierte ab 1929 in Leipzig und Frankfurt Medizin. 1933 verließ er Deutschland, um seine Studien in Bern fortzusetzen. Er erschoss Wilhelm Gustloff 1936 in Davos und stellte sich darauf der Polizei. Eigentlich zu 18 Jahren Haft verurteilt, wurde er nach Kriegsende begnadigt und aus der Schweiz ausgewiesen. Er emigrierte nach Tel Aviv und arbeitete mehrheitlich für die Regierung oder regierungsnahe Organisationen.

Schalom Ben-Chorin (1913–1999) war Journalist und Religionswissenschaftler. Er studierte in München Germanistik und Vergleichende Religionswissenschaft. 1935 emigrierte er nach Palästina und war nach journalistischer Tätigkeit seit 1970 Dozent und Gastprofessor in Jerusalem, Tübingen und München. Er gehörte zum Gründungskomitee des Verbands deutschsprachiger Schriftsteller Israels (VdSI) und setzte sich zeitlebens für den jüdisch-christlichen Dialog ein.

Dr. Sabina Bossert ist Fachreferentin für Jüdische Zeitgeschichte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Sie promovierte am Basler Zentrum für Jüdische Studien zu David Frankfurter. 2019 erschien ihre Dissertation David Frankfurter (1909–1982). Das Selbstbild des Gustloff-Attentäters.

Janis Lutz ist seit 2019 am Jüdischen Museum Frankfurt
tätig. Er war einer der Kuratoren der Wechselausstellung Rache: Geschichte und Fantasie, in dessen Kontext er das vorliegende Buchprojekt initiierte.

Prof. Dr. Micha Brumlik ist emeritierter Professor am Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main und seit 2017 dort Seniorprofessor. Seit Oktober 2013 ist er zudem Senior Advisor am Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.