E-Book, Deutsch, Band 11, 256 Seiten
Reihe: Hornblower
Forester Zapfenstreich
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-10-402698-5
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 11, 256 Seiten
Reihe: Hornblower
ISBN: 978-3-10-402698-5
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
C.S. (Cecil Scott) Forester wurde 1899 in Kairo geboren und studierte in England Medizin. Bald wandte er sich der Literatur zu und schuf den Zyklus seiner berühmten Seeabenteuerromane um Horatio Hornblower. Während des Zweiten Weltkrieges ging Forester nach Hollywood, wo er 1966 starb.
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2 HORNBLOWER UND DIE WITWE McCOOL
Die Kanalflotte suchte endlich Schutz, da die heulenden Weststürme sich allmählich zu solcher Gewalt gesteigert hatten, daß Rümpfe, Segel und Tauwerk ihnen nicht mehr gewachsen waren. Neunzehn Linienschiffe und sieben Fregatten unter dem Admiral Lord Bridport, dessen Flagge auf der Victory wehte, hatten die Blockade von Brest unterbrochen, die nun schon seit sechs Jahren im Gange war. Jetzt rundeten sie Berry Head und ankerten in der geschützten Tor Bay. Ein Nichtseemann, dem der Sturm um die Ohren pfiff, hätte vielleicht das Recht gehabt, sich über den fragwürdigen Schutz zu wundern, den es hier gab, aber für die abgekämpften, müden Besatzungen, die sich so lange im Seegang der Biskaya abgequält hatten und nun endlich der Felsenküste der Bretagne den Rücken kehren durften, war diese gischtgepeitschte Reede ein Paradies. Man konnte sogar Boote nach Brixham und Torquay entsenden, die dann mit Post und Frischwasser zurückkehrten. An Bord der meisten Schiffe hatten Offiziere und Mannschaften beides seit drei Monaten entbehren müssen. Selbst an jenem kalten Wintertag war es eine reine Freude, den Mund zu öffnen und einen Schluck frischen, klaren Wassers durch die Kehle rinnen zu lassen, das so ganz anders schmeckte, als die stinkende grüne Brühe, die noch gestern unter Bewachung ausgegeben wurde.
Der jüngste Leutnant von HMS Renown ging in seinem warmen Peajackett an Deck auf und ab, während sein vor Anker liegendes Schiff schwerfällig in der Dünung rollte. Der schneidende Wind bewirkte, daß ihm die Augen tränten, dennoch hielt er unermüdlich Ausschau durch seinen Kieker, weil er als Signaloffizier dafür verantwortlich war, daß alle Nachrichten schnell abgelesen und weitergegeben wurden. Um diese Zeit war es ohnehin üblich, daß Meldungen über Kranke und Proviantbestand durchkamen und daß Kommandanten und Admirale der Unterhaltung pflogen. Einladungen zum Dinner waren hierhin und dorthin weiterzugeben, auch Neuigkeiten wurden auf diesem Wege verbreitet.
Jetzt beobachtete er ein kleines Boot, das von der französischen Prise kam, die gestern im Kanal gekapert worden war. Schwer arbeitend hielt das kleine Fahrzeug auf die Renown zu. Hart, der Steuermannsmaat der Renown war als Prisenkommandant an Bord geschickt worden und hatte die gefährliche Sturmfahrt wie durch ein Wunder heil überstanden. Jetzt lag die Prise sicher inmitten der Flotte vor Anker, und Hart kam auf sein Schiff zurück, um irgendeine Meldung zu machen. Das ging den Signaloffizier zunächst kaum etwas an. Hart machte nur einen aufgeregten Eindruck, als er an Bord kam, und eilte mit seiner Nachricht alsbald unter Deck, nachdem er sich so kurz wie möglich beim Wachhabenden Offizier an Bord gemeldet hatte. Aber schon nach wenigen Minuten mußte der Signalleutnant dann erleben, daß ihn zu dieser ungewohnten Stunde der Dienst geradezu überfiel.
Kapitän Sawjer selbst erschien an Deck. Hart folgte ihm, um die korrekte Übermittlung der Nachrichten zu beaufsichtigen. »Mr. Hornblower!«
»Sir?«
»Setzen Sie bitte dieses Signal.«
Es war vom Kommandanten an den Admiral persönlich gerichtet. Der Anfang war einfach, denn es waren nur zwei Signalgruppen nötig, um das Signal ›Renown an Flagge‹ zu geben. Dann folgten andere Fachausdrücke, die ebenfalls leicht wiedergegeben werden konnten, wie Prise, französische und Brigg, dann aber folgten Namen, die Buchstabe um Buchstabe signalisiert werden mußten. Das Ganze hieß: Die Prise ist das französische Staatsfahrzeug Brigg Espérance. An Bord befindet sich Barry McCool.
»Mr. James«, brüllte Hornblower. Der Signalfähnrich stand direkt neben ihm, aber es war nun einmal der Brauch, daß man Fähnriche anschrie. Ein Leutnant ohne nennenswertes Dienstalter sah sich dazu besonders veranlaßt.
Hornblower nannte ihm die Flaggen, und gleich darauf stieg das Signal zur Rahnock empor. Die Flaggleinen schlugen hin und her, als der Sturm an den Flaggen riß. Kapitän Sawjer wartete an Deck auf die Antwort, offenbar handelte es sich um eine wichtige Angelegenheit. Hornblower las das Signal noch einmal durch, denn bisher hatte er es nur als eine alltägliche Nachricht betrachtet, die übermittelt werden sollte. Aber selbst als er es zum zweitenmal las, hätte er nicht sagen können, warum es so wichtig sein sollte. Zwei endlose Jahre, die erst vor drei Monaten zu Ende gegangen waren, hatte er in spanischer Kriegsgefangenschaft zugebracht, und darum war auch seine Kenntnis der neuesten Geschichte lückenhaft. Eben darum wußte er auch mit dem Namen Barry McCool nichts anzufangen.
Dem Admiral aber schien dieser Name allerhand zu bedeuten, denn es war kaum genug Zeit vergangen, ihn unter Deck von der Meldung zu unterrichten, da stieg auch schon an der Rah der Victory eine Frage empor.
›Flagge an Renown.‹ Hornblower las die Flaggen ab, sobald sie ausgerissen wurden, und hatte ihre Bedeutung sofort erfaßt: ›Ist McCool noch am Leben?‹
»Antwort: Ja«, sagte Kapitän Sawjer.
Kaum wehte das Ja, da flatterte auf der Victory schon das nächste Signal.
›Holen Sie ihn sofort an Bord. Kriegsgericht tritt zusammen.‹
Ein Kriegsgericht! Was mochte dieser McCool denn verbrochen haben? War er ein Deserteur? Aber die Verhaftung eines gewöhnlichen Deserteurs war doch keine Angelegenheit, mit der sich der Flottenchef persönlich zu befassen pflegte. Oder war er etwa ein Verräter? Verräter pflegte man auch nur ausnahmsweise an Bord abzuurteilen. Aber mochte dem sein wie immer, ein Wort des Kommandanten genügte, daß Hart wieder auf seine Prise zurückeilte, um seinen geheimnisvollen Gefangenen an Bord zu holen, während auf der Victory ein Signal um das andere hochging, um das Kriegsgericht auf die Renown einzuberufen.
Hornblower war vollauf damit beschäftigt, die Signale abzulesen, und fand darum kaum Zeit für einen neugierigen Blick, als Hart seinen Häftling und dessen Seekiste an Backbordseite an Deck heißen ließ. Der Gefangene war jung, groß und schlank gewachsen, seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt – darum mußte er aufgeheißt werden. Er trug keine Kopfbedeckung, sein langes rotes Haar wehte lose im Wind. Seine blaue Uniform mit den roten Aufschlägen war offenbar die der französischen Infanterie. Der Name, diese Uniform und die roten Haare zusammengenommen ließen Hornblower alsbald vermuten, was dem Mann drohte. Dieser McCool war ohne Zweifel ein Ire. Hornblower wußte, daß während seiner Gefangenschaft in Ferrol in Irland ein blutiger Aufstand ausgebrochen war. Iren, die damals entkommen waren, hatten sich scharenweise in Frankreich zum Militärdienst gemeldet. Sicher war McCool einer von diesen Überläufern, aber das erklärte noch längst nicht, warum ihn der Admiral persönlich vor Gericht stellte, statt ihn wie üblich der zivilen Gerichtsbarkeit zu übergeben.
Hornblower mußte noch eine Stunde warten, ehe er den Grund erfuhr. Er wurde erst darüber aufgeklärt, als um zwei Glasen, während der nächsten Wache, in der Messe das Dinner aufgetragen wurde.
»Morgen früh haben wir eine hübsche kleine Feier zu erwarten«, sagte Clive, der Schiffsarzt, und fuhr sich mit einer Geste an den Hals, die Hornblower widerlich fand.
»Ich hoffe, daß sich diese Hinrichtung heilsam auswirken wird«, sagte Roberts, der Zweite Offizier. Das untere Ende des Tisches, an dem er saß, war im Augenblick zum Kopf der Tafel avanciert, da Buckland, der Erste Offizier, durch die Vorbereitungen für das Kriegsgericht abgehalten war, an der Mahlzeit teilzunehmen.
»Warum soll dieser Mann denn nun eigentlich hier an Bord gehängt werden?« frage Hornblower.
Roberts maß ihn mit einem verweisenden Blick. »Er ist ein Deserteur«, sagte er. »Aber Sie sind erst kurz an Bord und können es darum nicht wissen. Im Jahre 98 habe ich ihn selbst hier an Bord angemustert. Hart erkannte ihn auf den ersten Blick.«
»Und ich dachte, er sei ein Aufständischer gewesen.«
»Ja, das war er auch«, sagte Roberts. »1798 bot der Eintritt in das Heer oder in die Marine diesen Leuten die beste, ja wohl die einzige Möglichkeit, aus Irland herauszukommen.«
»Jetzt verstehe ich«, sagte Hornblower.
»Wir konnten in jenem Herbst an die hundert Mann bekommen«, sagte Leutnant Smith.
Und kein Mensch fragte danach, wes Geistes Kind diese Burschen waren, dachte Hornblower. Das Vaterland lag in einem Kampf auf Leben und Tod und hatte darum Seeleute so nötig wie ein Ertrinkender die Atemluft. Da war eben jeder menschliche Rohstoff gut genug, sie daraus zu schaffen.
»Unser McCool desertierte in einer finsteren Nacht, als wir in Flaute vor Penmarks lagen«, erklärte Roberts. »Er kroch durch eine Geschützpforte der untersten Batterie und nahm eine Gräting mit, die ihn im Wasser trug. Wir glaubten erst, er sei ertrunken, aber dann kam Nachricht aus Paris, daß er dort wieder seinem alten Geschäft nachging. Ja, er brüstete sich sogar damit, und dadurch erfuhren wir, daß er O’Shaughnessy war. Unter diesem Namen hatten wir ihn nämlich hier an Bord.«
»Wolfe Tone trug auch eine französische Uniform«, sagte Smith. »Dennoch hätte man ihn aufgehängt, wenn er sich nicht selbst vorher die Gurgel durchgeschnitten hätte.«
»Die fremde Uniform kann einen Deserteur nur zusätzlich belasten«, sagte Roberts.
Hornblower hatte jetzt eine Menge Stoff zum Nachdenken. Da war vor allem diese widerliche Aussicht auf die Exekution, die morgen früh stattfinden sollte. Dann ging ihm die irische Frage durch den Kopf, für die es allem Anschein nach keine Lösung gab. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr schwand alle Klarheit. Dabei konnte es gar kein Problem geben, wenn man nur die nackten Tatsachen gelten ließ. Irland konnte im...