E-Book, Deutsch, Band 3, 320 Seiten
Reihe: Clans von Cavallon
Forester Clans von Cavallon (3). Im Bann des Einhorns
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-401-80876-5
Verlag: Arena Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tier-Fantasy-Abenteuer ab 10 Jahre
E-Book, Deutsch, Band 3, 320 Seiten
Reihe: Clans von Cavallon
ISBN: 978-3-401-80876-5
Verlag: Arena Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kim Forester liebt Tiere und Fantasyliteratur. Seit sie in der 8. Klasse 'Unten am Fluss' gelesen hat, träumt sie sich leidenschaftlich gerne in fantastische Welten. Mit ihrem Mann, ihrem Sohn und drei Katzen lebt sie am Rande eines Waldes in Maryland. Die wilden Pferde, die dort leben und die sie von ihrem Schreibtisch aus beobachten kann, haben sie zu den 'Clans von Cavallon' inspiriert.
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Kapitel 1
Nixi legte den Kopf in den Nacken, sodass der Regen ihr Gesicht benetzte. Damals auf der Festungsinsel hatte sie solche wolkenverhangenen Tage gehasst, aber jetzt gab es für sie kaum etwas Schöneres.
Dann sah sie die Menschen, die ihr auf der Straße entgegenkamen, und zog sich die Kapuze wieder tief in die Stirn. An der einfachen Kleidung aus handgesponnener Wolle erkannte sie, dass es sich um Dorfbewohner aus der Gegend handeln musste. Sie zogen einen Karren, dessen Räder immer wieder im Schlamm stecken blieben. Dadurch waren sie abgelenkt und erkannten nicht, dass die Gestalt, die durch den Schlamm auf sie zustapfte, ein Meermädchen mit Schwimmhäuten zwischen den Fingern war.
Es würde ihnen vermutlich nicht mal auffallen, wenn ich die Kapuze abnehmen und ihnen mein schuppiges Gesicht zeigen würde, dachte Nixi, während sie an ihnen vorbeihuschte. Bei dem Lärm, den sie veranstalten, könnte ich ihnen einen ganzen Korb voller Äpfel klauen, ohne dass sie es bemerken.
Doch als Meermensch hielt sich ihr Appetit auf Obst in Grenzen. Und außerdem: Selbst wenn ihr beim Anblick der Äpfel das Wasser im Mund zusammengelaufen wäre, war das Risiko einfach zu groß. Sie konnte es sich nicht erlauben, erwischt zu werden – nicht jetzt. Nicht, solange ich das, was ich am dringendsten brauche, bei mir habe. Sie grinste, schob die Hand in die Tasche, die ihr bei jedem Schritt gegen den Oberschenkel schlug, und streichelte das dicke Buch darin.
Verwandlungszauber. Band zehn der Bücher der Magischen Beschwörung. So hatte dieser eingebildete Zentaur, dieser Lysander, es genannt und dabei ganz entsetzt ausgesehen.
So viele Leute wollten dieses Buch in ihre Hände, Hufe oder Klauen bekommen. Bei dem Gedanken wurde Nixis Grinsen noch breiter. Lysander wollte es – er und sein Freund Alexos hatten die halbe Nacht davon gefaselt, wie sie damit beweisen wollten, dass die Zentauren ganz Cavallon belogen hatten. Anscheinend hatten diese nach dem Krieg behauptet, sie hätten es zerstört, obwohl das gar nicht stimmte. Die Anführer der Zentauren in Coropolis wären ebenfalls hinter dem Buch her, sobald sie merkten, dass es nicht mehr in der Höhle war. Und der Menschenmutant mit den magischen Fähigkeiten, dieser Dromego, wollte es garantiert auch haben, schließlich hatte dieser Sam es aus seiner Höhle gestohlen.
Aber keiner von ihnen würde es bekommen. Wenn jemand es wirklich brauchte, dann Nixi.
Die beiden Zentauren hatten sich noch lange am Lagerfeuer unterhalten, doch Nixi war eisern wach geblieben. Sobald sie endlich verstummt waren und ihr Gequassel in langsame, gleichmäßige Atemzüge übergegangen war, hatte Nixi sich die Tasche mit dem Buch geschnappt und war damit in Richtung Süden geflohen, zu dem Fluss, wo Floss, Gryce und Jenera auf sie warteten.
Ich hab ihnen ja gesagt, dass ich einen Weg finden würde, uns wieder in Menschen zu verwandeln. Nixi stellte sich die Gesichter der drei vor, wenn sie ihnen ihre Beute zeigen würde, und ihre Schritte bekamen etwas Federndes. Schon bald würden sie diese widerwärtigen Schuppen und scharfen Reißzähne ein für alle Mal los sein.
Wenn ich wieder ein Mensch bin, kann ich machen, was ich will.
Nixi ließ ihre Gedanken schweifen. Sie stellte sich vor, wie ihre Gang sie ehrfürchtig und staunend anschauen würde, wenn sie in ihrer gewohnten menschlichen Gestalt auf die Festungsinsel zurückkehrte, um sie aus dem Gefängnis zu befreien.
Dann bog sie um eine Kurve und stieß einen leisen Fluch aus. Vor ihr war eine Gruppe aus mindestens zwei Dutzend Menschen und Zentauren unterwegs. Sie liefen in dieselbe Richtung wie sie, kamen wegen der Karren, die sie hinter sich herzogen, jedoch nur langsam voran. Bisher war es ihr gelungen, andere Reisende weitgehend zu meiden. Sie war meist mit gesenktem Kopf an ihnen vorbeigehuscht und hatte ihre Grüße mit leisem Gemurmel erwidert. Doch bei einer so großen Karawane bestand die Gefahr, dass jemand sie einladen würde, sich ihnen anzuschließen. Oder schlimmer noch, dass einer von ihnen genauer hinsehen und bemerken würde, was sich wirklich unter dem Umhang verbarg.
Sie ging langsamer, aber die Trödelei machte sie fast wahnsinnig. Ihre Schuppen juckten förmlich vor Ungeduld. Ich muss den anderen das Buch bringen! Sie musterte den Graben am Straßenrand und versuchte abzuschätzen, wie schwierig es wohl sein würde, ein Stück durch den Wald zu laufen, um die Karawane ungesehen zu überholen.
In dem Moment drehte sich ein kleines Kind am Ende der Gruppe um und schrie.
Ich bin aufgeflogen!, schoss es Nixi durch den Kopf.
Doch nein – das Kind zeigte zum Himmel hinauf, auf die beiden dunklen Schatten, die sich aus den Wolken lösten und über die Karawane hinwegglitten. Bevor Nixi erkennen konnte, worum es sich handelte, stoben die Menschen und Zentauren kreischend auseinander. In ihrer Panik stießen sie ihre Karren um und zertrampelten die Ladung.
Nixi hechtete kopfüber in den Straßengraben und machte sich unter ihrem Umhang ganz klein, in der Hoffnung, dass sie im Dämmerlicht des Regentages nicht so leicht auszumachen sein würde.
Eine der Gestalten über ihr flog eine scharfe Kurve, sodass Nixi sie besser sehen konnte. Es handelte sich um ein riesiges pferdeartiges Wesen mit gewaltigen ledrigen Schwingen, die Nixi an eine gigantische Fledermaus erinnerten. Sein langer, schuppiger Hals machte einen beinahe eleganten Bogen, als es das Maul aufklappte und einen Feuerstrahl ausspie, der einen der Karren in Brand setzte.
So etwas hatte Nixi schon mal gesehen – während des Angriffs auf Coropolis!
Nur dass auf dem Rücken dieser Kreatur eine weitere dämonische Gestalt saß. Im ersten Moment hielt Nixi sie für einen Menschen, doch dann fielen ihr die ledrige Haut und das spitze Horn auf, das aus der Stirn der Gestalt ragte. Das Horn war lang, länger als das eines Einhorns, und von verfilztem schwarzem Haar umwuchert.
Das muss einer von Dromegos Mutantensoldaten sein, die er mit der Magie aus dem Buch erschaffen hat!
Der Mutant hielt eine Armbrust in seinen klauenartigen Händen und zielte damit auf eine junge Zentaurin. Der Anblick der Kreatur war grauenhafter als alles, was Nixi je erlebt hatte – bis die Kreatur zu sprechen begann.
»Wo ist der Menschenjunge?«, donnerte sie mit tiefer, heiserer Stimme, die Nixi durch Mark und Bein ging.
»I-ich weiß nicht, was Ihr meint«, wimmerte die Zentaurin. Ihre blonden Locken zitterten, so sehr bebte sie vor Angst.
Ein Pfeil bohrte sich tief in ihre Flanke und sie brach jaulend zusammen. Ihre Schreie gingen zwischen denen der Menschen und anderen Zentauren um sie herum unter.
Unterdessen glitt die zweite fliegende Kreatur über die Karawane hinweg. Die Stimme des gehörnten Reiters auf ihrem Rücken schallte dröhnend auf sie herab. »Jetzt wisst ihr, was wir mit euch machen, wenn ihr euch nicht unterwerft.« Es klang genauso bedrohlich wie die erste Stimme, aber kälter, schärfer – wie Eissplitter. Nixi vermutete, dass die zweite Bestie mit ihrem knochenfarbenen Horn möglicherweise weiblich war. »Sagt uns, wo der Junge ist! Sagt uns, wo das Buch ist!«
Sie suchen nach diesem Sam! Auf einmal schien das Magische Buch ein Loch in die Tasche an Nixis Oberschenkel zu brennen. Gleichzeitig verspürte sie eine gewisse Genugtuung. Trotz all seiner Macht hatte Dromego offenbar keine Ahnung, dass Sam das Buch Lysander gegeben und dass Nixi es ihm anschließend geklaut hatte.
Sie drückte die Tasche an sich und kroch mit eingezogenem Kopf durch den Graben, weg von den Rufen, den Schreien, den lodernden Flammen. Dann blickte sie sich um und wartete auf eine passende Gelegenheit. Als die gehörnten Monster ihre fliegenden Pferde antrieben, auch noch die letzten Karren in Brand zu setzen, sprang Nixi auf und rannte in den Wald – und hielt erst an, als sie den Schutz der Bäume erreicht hatte.
Immer wieder schaute sie sich um, denn sie hatte ein mehr als mulmiges Gefühl. War das bloß ein unglücklicher Zufall, dachte sie, oder haben sie das Buch irgendwie gewittert? Sind sie hinter mir her?
Hinter einem Baum blieb sie stehen und blickte zurück zur Straße. Das Einzige, was sie von hier aus erkennen konnte, waren der aufsteigende Rauch und die beiden Pegasus mit den ledrigen Schwingen, die sich mit kräftigen Flügelschlägen entfernten. Sie stellte sich vor, wie die Überlebenden zu ihren Karren zurückeilten, um die Feuer zu löschen und die Verwundeten zu versorgen.
Ich kann ihnen nicht helfen, sagte Nixi sich. Und selbst wenn, würden sie mich niemals in ihre Nähe lassen. Außerdem: Wenn Dromegos Soldaten tatsächlich hinter dem Buch her sind, ist das Beste, was ich für diese Leute tun kann, so weit von ihnen wegzulaufen wie nur möglich.
Von diesem Gedanken angetrieben, setzte sie sich wieder in Bewegung. Sie lief den ganzen Nachmittag weiter, wobei sie mit einem Auge den Himmel über den kargen Bäumen im Blick behielt. Insgeheim rechnete sie damit, dort jeden Moment einen geflügelten Schatten über sich hinweggleiten zu sehen. Da sie sich von der Straße fernhalten musste, dauerte ihre Reise länger. Nixi platzte fast vor Ungeduld, aber die Erinnerung an die Feuer speienden Monster war eindrucksvoll genug, dass sie sich lieber weiter in der Deckung der Bäume hielt. Irgendwann stieß sie auf einen Bach und folgte ihm Richtung Süden. Mit den Schwimmhäuten zwischen ihren Zehen kam sie im flachen Wasser sehr viel schneller voran als auf dem schlammigen Waldboden.
Das Regengrau des Nachmittags war längst in ein dämmriges Dunkelblau übergegangen, als Nixi endlich den Fluss erreichte, wo sie ihre Freunde zurückgelassen hatte. Sie fand sie...