E-Book, Deutsch, 144 Seiten
Reihe: Bianca
Forbes Der Kuss des Piloten
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-86494-620-2
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 144 Seiten
Reihe: Bianca
ISBN: 978-3-86494-620-2
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Um sie herum nur die Einsamkeit der kanadischen Wildnis, schneebedeckte Berggipfel, das Rauschen des Windes in den dichten Wäldern. Und an ihrer Seite Will, der Mann, dem sie zu gerne ihre ganze Liebe schenken würde: Savanna wähnt sich am Ziel ihrer Träume! Sie spürt, dass sie mit Will eine Familie gründen und endlich glücklich werden könnte. Wenn der Busch-Pilot nur nicht so dickköpfig wäre! Obwohl auch er sich in sie verliebt hat, will er seine Freiheit nicht verlieren. Mit den Waffen einer Frau macht sich Savanna daran, ihn vom Glück wahrer Liebe zu überzeugen ...
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1. KAPITEL
Will Rubens ließ sich auf den Küchenstuhl sinken und starrte zum Telefon.
Dennis war … tot? Das konnte nicht sein. Sein Bruder lebte in Mittelamerika und rettete anderen Menschen das Leben …
Vor seinem inneren Auge tauchte das verschwommene Bild des groß gewachsenen dunkelblonden Mannes mit Brille auf, den er das letzte Mal vor drei Jahren in Washington State gesehen hatte.
Mein Gott, Dennis.
Eine Frau aus Honduras hatte in der letzten halben Stunde drei Nachrichten auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen und ihn dringend gebeten, sie so schnell wie möglich zurückzurufen. Will hatte nichts davon mitbekommen, weil er mit dem kleinen Josh für die bevorstehende Baseballsaison der Little League trainiert hatte.
Als Mitglied bei Big Brothers – einer Organisation, die Paten an Kinder vermittelte – kümmerte er sich öfter um den Elfjährigen, der Halbwaise war. Doch Will selbst profitierte auch von dem Arrangement. Die ehrenamtliche Tätigkeit dämpfte nämlich seine Schuldgefühle, weil er nicht konsequent genug dafür gesorgt hatte, dass Elke und Dennis in Alaska geblieben waren.
Gewissensbisse, die nur allzu berechtigt gewesen waren, wie sich jetzt herausstellte: Denn wenn die Frau aus Honduras recht hatte, waren Dennis und Elke jetzt tot. Der letzte Rest seiner Familie einfach ausgelöscht. Als hätten Dennis und Elke nie existiert.
Mit zitternder Hand fuhr sich Will über das Gesicht. Ob die Frau ihn verwechselt haben konnte? Nein, sie hatte ausdrücklich ihn sprechen wollen. Die schreckliche Nachricht musste also stimmen.
Wann hatte er eigentlich zuletzt mit Dennis telefoniert? Vor einem Jahr? Vor zwei? Richtig, es war vorletztes Jahr im Juni gewesen. Ein verkrampftes Gespräch von zehn Minuten, das nirgendwohin geführt hatte. Eher wie zwischen Fremden als unter Brüdern.
Will hob den Kopf und blinzelte in die Abendsonne, die durch das Küchenfenster schien. Seine Augen brannten. Dennis, was zum Teufel hast du nur in Honduras gesucht, was du nicht genauso gut hier finden konntest?
Aber Will wusste ganz genau, warum sein Bruder vor zehn Jahren nach Mittelamerika gegangen war. Und ihm war durchaus klar, warum ihre Beziehung sich zuletzt nur noch auf einen Anruf alle zwei Jahre reduziert hatte. Weil Elke fortgewollt hatte. Aber konnte er ihr das wirklich vorwerfen?
Will stand auf, um die drei Nachrichten auf der Mailbox nochmals abzuhören. Nur um ganz sicherzugehen, dass das Ganze kein Missverständnis war.
Er nahm sich einen Kugelschreiber und ein Blatt Papier, drückte die Abspieltaste und lauschte dem Zurückspulen und Klicken des alten Geräts. Piep. „Hallo. Ich habe eine dringende Nachricht für Will Rubens. Hier ist Savanna Stowe, S-t-o-w-e, aus Honduras. Ich hoffe, ich habe die richtige Nummer gewählt. Ich wohne zurzeit in der Shepherd Lodge. Meine Handynummer ist …“ Der Anrufbeantworter gab den Zeitpunkt der Nachricht bekannt: Mittwoch, achtzehn Uhr zwölf.
Aber warum hatte sie nicht von Mittelamerika aus angerufen, sondern von Starlight? Was zum Teufel machte sie hier in Alaska?
Will notierte sich ihren Namen: Savanna Stowe. Sie hatte eine schöne Stimme. Ein bisschen Südstaatenakzent, gedehnt und heiser.
Piep. „Mr Rubens, ich weiß, dass Sie direkt nach Ihrer Landung nach Hause gefahren sind. Jemand am Flughafen hat mir das gesagt. Ich muss wirklich dringend mit Ihnen reden. Es geht um Ihren Bruder Dennis. Sie können mich jederzeit in der Shepherd Lodge anrufen oder besser noch, Sie kommen direkt hierher und sagen an der Rezeption Bescheid. Ich komme dann sofort runter in die Lobby.“ Sie wiederholte ihre Telefonnummer. Mittwoch, neunzehn Uhr fünf.
Piep. „Mr Rubens, ich verstehe nicht, warum Sie nicht auf meinen Anruf reagieren! Entweder sind Sie nicht zu Hause, oder Ihr Bruder ist Ihnen egal!?“
Will schnaubte verächtlich. Wie anmaßend!
„Na schön, dann werde ich Ihnen eben auf diesem Wege mitteilen, warum ich hier bin, auch wenn ich das lieber persönlich getan hätte. Ihr Bruder Dennis und seine Frau sind am Sonntag bei einem Flugzeugabsturz in den Bergen südlich des Rio Catacamas ums Leben gekommen. Bitte kommen Sie zur Shepherd Lodge. Ich muss dringend mit Ihnen reden.“ Mittwoch, zwanzig Uhr dreiundzwanzig. Der Anrufbeantworter schaltete sich aus.
Will runzelte die Stirn. Dennis und Elke waren also tot. Okay, das hatte er schon beim ersten Mal verstanden. Aber in seinem Schock hatte er das Wichtigste vergessen: seinen Sohn – Dennis’ Sohn. Savanna Stowe hatte ihn gar nicht erwähnt.
Christopher war vor elf Jahren dank einer Samenspende von Will gezeugt worden, und zwar in einer Klinik in Anchorage, Alaska.
Savanna legte den Hörer auf. Shane Shepherd an der Rezeption hatte ihr gerade mitgeteilt, dass Mr Will Rubens in der Lobby angekommen war. Sie hatte Shane gefragt, ob er Rubens kannte, da sie sich in den letzten siebzehn Jahren ein gesundes Misstrauen angewöhnt hatte. Anscheinend kannten sich die beiden tatsächlich und gingen gelegentlich zusammen angeln. Sie hatte Rubens ausrichten lassen, ihr noch zehn Minuten Zeit zu geben und dann nach oben in ihre Hotelsuite zu kommen.
Sie öffnete die Tür zum Schlafraum und warf einen Blick auf den zehnjährigen Christopher. Der trug Schlafanzug und saß im Schneidersitz auf der geblümten Überdecke seines Betts und wedelte mit der linken Hand, während er den rechten Zeigefinger in ein kleines Loch an der Ferse seiner linken Socke steckte. Mit leiser und monotoner Stimme murmelte er vor sich hin.
Sie ließ den Jungen gewähren. Die letzten zwei Tage waren für sie beide sehr anstrengend gewesen. Sie waren erst mit dem Auto von Cedros bis nach Tegucigalpa gefahren und von dort über Los Angeles nach Anchorage geflogen. Das letzte Stück nach Starlight hatten sie in einem kleinen Flugzeug zurückgelegt.
Sie hatte Christopher ein Beruhigungsmittel gegeben, auch wenn sie sonst strikt gegen so etwas war. An den herabgezogenen Mundwinkeln und den schweren Lidern über den blauen Augen – Elkes Augen – erkannte sie die vollkommene Erschöpfung des Jungen. Wenigstens würde er heute Nacht anständig schlafen können.
Sie betrat das Zimmer. „Christopher?“, fragte sie leise.
Er wedelte weiter mit der Hand und murmelte vor sich hin.
Auf dem Nachttisch lag sein eingeschweißter Tagesplan. Sie legte ihn zu ihm aufs Bett, damit er einen Blick darauf werfen konnte.
„Hast du dir schon die Zähne geputzt?“
„Ja.“
„Gut gemacht. Es wird Zeit zum Schlafengehen. Sieh mal …“ Sie zeigte auf den Punkt, den Christopher bereits abgehakt hatte. „Schlafenszeit.“
„Okay.“ Gehorsam streckte Christopher die Beine und kroch unter die Bettdecke. Savanna legte den Tagesplan auf den Nachttisch zurück. Sie würde später im Bett neben der Tür schlafen. Fremde Orte und Betten machten dem Jungen nämlich Angst, und mitten in der Nacht aufzuwachen und nicht zu wissen, wo er war, konnte traumatisierend für ihn sein.
Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Gute Nacht, mein Kleiner“, sagte sie, ohne mit einer Antwort zu rechnen. Christopher hatte den Blick bereits auf einen Schmutzstreifen an der Wand gerichtet.
Leise schaltete sie die Nachttischlampe aus und ging zur Tür, wo sie wartete, bis sie ihn leise schnarchen hörte – ein sicheres Indiz dafür, dass er schlief. Schlaf schön, mein Schatz. Sie schlüpfte hinaus und machte die Tür halb hinter sich zu.
Im Badezimmer warf sie einen Blick in den Spiegel. Will Rubens durfte nicht den Eindruck gewinnen, dass sie zu müde war, um sich richtig um den Jungen zu kümmern. Leider waren die tiefen Linien zwischen ihren Augen und die dunklen Ringe darunter nur schwer zu verbergen.
Ein Gähnen unterdrückend, fuhr sie sich mit der Bürste durch das unordentliche und ungewaschene rote Haar. Früher einmal wäre so etwas für sie ein halber Weltuntergang gewesen, aber seitdem sie in der Dritten Welt arbeitete, regten sie solche Banalitäten nicht mehr auf.
Was ist, wenn Dennis’ Bruder sich weigert? Dann bleibe ich eben drei Monate, wie im Testament festgesetzt, bis er sich an den Jungen gewöhnt hat.
Sollte sich Will Rubens danach jedoch immer noch stur stellen, würde sie Christopher mit nach Tennessee nehmen. Auch das hatte Dennis testamentarisch verfügt, wenn auch nur als letzte Option.
Sie nahm einen Lippenstift aus ihrem Kulturbeutel. Aber wozu der Aufwand? Das hier war schließlich kein Date. Sie traf Rubens nur wegen Christopher – und aus Respekt vor dem Letzten Willen zweier Menschen, die ihr sehr viel bedeutet hatten.
Kurz darauf klopfte es an die Tür.
Showtime. Wenn Christopher nicht dringend seinen Schlaf bräuchte, hätte sie es vorgezogen, das Gespräch mit Rubens in der Lobby zu führen. Oder auch gar nicht …
Savanna warf einen Blick durch den Türspion auf einen groß gewachsenen Mann, der die Hände in die Hosentaschen geschoben hatte. Er blickte gerade nach links. Sein Gesicht war durch das gewölbte Glas nur verzerrt zu erkennen, aber seine Silhouette mit dem dunkelblonden Haar sah Dennis erschreckend ähnlich.
Dann drehte er den Kopf und sah direkt in ihre Richtung. Da der Flur nur schwach erleuchtet war, konnte sie seine Augenfarbe nicht erkennen. Dafür jedoch seinen grimmigen Gesichtsausdruck. Nein, er sah er doch nicht aus wie sein Bruder. Ganz und gar...




