E-Book, Deutsch, 384 Seiten
Fontane / Erler / Hehle Dichterfrauen sind immer so
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-8412-3623-4
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine Autobiographie in Briefen
E-Book, Deutsch, 384 Seiten
ISBN: 978-3-8412-3623-4
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Emilie Fontane erzählt ihr Leben als 'Netzwerkerin' im Kreis der Prominenz ihrer Zeit.
Sie war weit mehr als die Abschreiberin der sämtlichen Werke ihres bis heute populären Schriftstellermannes: Emilie Fontane stand mit der kulturellen und politischen Elite jener Tage im Austausch. In ihren Briefen aus mehr als sechs Jahrzehnten spiegeln sich alle Stationen ihres Lebens und fügen sich zu einer facettenreichen Autobiographie zusammen. Sie wurde immer mehr zu der eigenständigen, ebenbürtigen Akteurin, die sich mit Stolz als 'Dichterfrau' sah.
Gotthard Erler, dessen jahrzehntelange Forschung an der Verbreitung des Fontane'schen Werkes einen hervorragenden Anteil hat, erschließt die bislang größtenteils unveröffentlichte Korrespondenz und macht damit erstmals das Briefwerk Emilie Fontanes in seiner Breite zugänglich. Die neuen Dokumente erhellen zahlreiche unbekannte Details und erzählen die Emanzipationsgeschichte einer eindrucksvollen Frau des 19. Jahrhunderts.
'Ich weiß, Glück u. Unglück wechselt in jedes Menschen Leben ab.' EMILIE FONTANE, 1850.
Emilie Fontane, geborene Rouanet, wurde 1824 als uneheliches Kind in Dresden geboren und von dem Berliner Globushersteller Wilhelm Kummer adoptiert. Zum Missfallen der Brautfamilie heiratete sie 1850 den 'Habenichts' Theodor Fontane. Neben Haushalt und vier Kindern übernahm sie zahlreiche Aufgaben im Zusammenhang mit der Entstehung und Veröffentlichung der Werke ihres Mannes. Sie starb 1902 in Berlin. Dr. Gotthard Erler ist Autor der Emilie-Fontane-Biographie 'Das Herz bleibt immer jung' und Herausgeber zahlreicher Fontane-Editionen, u. a. begründete er die Große Brandenburger Fontane-Ausgabe, in deren Rahmen der 3-bändige 'Ehebriefwechsel' erschien, auf dessen Grundlage er den Auswahlband 'Die Zuneigung ist etwas Rätselvolles. Eine Ehe in Briefen' zusammenstellte. Dr. Christine Hehle, Herausgeberin und Lektorin, war als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Theodor-Fontane-Archivs u. a. verantwortlich für die editorische Betreuung des erzählerischen Werkes innerhalb der Großen Brandenburger Ausgabe.
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An Bertha Kinne
Berlin, d 5 ten Oct. 39.
Nicht ohne Ängstlichkeit ergreife ich die Feder um an Sie diese Zeilen zu richten, da ich das Unvermögen meine Gedanken schriftlich auszudrücken an mir kenne; jedoch hoffe ich, werden Sie gütig Nachsicht haben, indem es ja nicht auf die Form, sondern auf das Herz ankömmt, welches zu Ihnen spricht.
Mit Freude sehe ich der Zeit entgegen, wo meinem guten Vater in Ihrem Besitz, ein Glück zu Theil werden wird, welches er lange, gewiß schmerzlich entbehrt, u. wo Ihre Güte meiner sich mütterlich annehmen will, die ich der Nachsicht u. Leitung so sehr bedürftig bin. Ich erbitte mir deshalb vorher, gewiß von Grund meines Herzens, Ihre Verzeihung, für alles womit ich Sie künftig vielleicht belästigen u. betrüben könnte. Auch versichere ich Ihnen, daß es stets mein aufrichtigstes Bestreben sein wird, Ihre Liebe mir zu erwerben, u. die meines guten Vaters immer mehr u. mehr zu erhalten suchen.
Das viele Gute u. Liebe, welches mir Vater u. meine gute Marie, von Ihnen mittheilen, machte einer anfänglichen Ängstlichkeit, eine freudige Ungeduld Sie kennen u. lieben zu lernen, Platz.
In der Hoffnung, daß Sie diesen Zeilen einer gütigen Nachsicht widmen, verbleibe ich mit der Bitte, meine Empfehlungen an Ihre werthe Familie zu machen
Ihre
Sie ehrende
Emilie Kummer.
An Bertha Kummer
Dresden d. 28 ten Dez. 39.
Geliebte Mutter!
Wie soll ich Dir, meine gute, gute Mutter meine große Freude beim Empfange Deines lieben Briefes schildern. Die wahre, mütterliche Liebe, die sich wiederum darin ausspricht, rührte mich bis zu Thränen. Ja, ich will Deine Wünsche, die mein Wohl betreffen, erfüllen, ich will den lieben Gott recht bitten, daß er mir Kraft dazu giebt, damit ich zu Eurer Freude lebe. Für Eure vielen freundlichen Gaben, habt recht recht herzlichen Dank, leider trafen sie mich krank an, ich hatte eine so starke Halsentzündung, daß der Arzt fürchtete, ich würde das Nervenfieber bekommen, jetzt geht es aber ganz gut.
Zu dem neuen Jahre wünsche ich Euch Gottes Segen, möge er Euch unter seinen Schutz u. Schirm nehmen, u. Euch vor Krankheit u. Unglück bewahren, dann ist mein größter Wunsch erfüllt.
Bitte grüße den guten Vater recht herzlich, u. danke ihn in meinem Namen recht sehr, auch die gute Marie, bitte grüße u. danke. Gern hätte ich noch mehr geschrieben, allein die Zeit drängt sehr.
Alle, Alle grüßen recht herzlich, die gute Tante Auguste hat mich recht reichlich beschenkt.
Lebet recht wohl, bitte gebt mir im Gedanken eine Hand u. einen Kuß.
Deine Dich aufrichtig liebende
Tochter Emilie.
Für die 2 Thaler, mit denen mich Eure Liebe bedacht hat, werde ich mir ein Kleid kaufen, indem ich den Thaler den ich durch die Güte des Onkel Kummers zu W. erhalten habe, hinzulege. Von Jeden bin ich hier zu W. bedacht worden, jedoch von der Tante Auguste am Meisten.
bitte schön inliegendes Briefgen Marien zu geben?
An Bertha und Karl Wilhelm Kummer
Kißingen d 14 Juni. [1844]
Meine theuren vielgeliebten Eltern!
Wenn jemand eine Reise thut, so kann er was erzählen, u. ich könnte schon jetzt so viel erzählen, daß ein Buch voll würde, von meiner alten Dame, bei der ich mich sehr unglücklich fühle; sie ist ein altes geiziges eitles geld u. adelstolzes Weib, läßt an keinem Menschen einen guten Faden u. hat mich auf der Reise hierher bald verhungern laßen, kaum Mittagbrod u. dann nur Kaffee und Thee, sie glaubt vielleicht die Hungerkur thue mir nöthig, außerdem bin ich ihr Kammermädchen, Bediente, Hausknecht, Gesellschafterin, alles in Allem, u. wenn sie mir erst gesagt hat, ihre Koffer zu schleppen, so sagt sie nachher, warum bemühen sie sich denn, wenn ich es nämlich schon gethan habe. Doch ich will im Verlauf der Reise bleiben. Ach! meine theuren lieben Eltern diese Reise wird eine bittre Lehre für mein ganzes Leben sein, u. niemals werde ich glauben, daß es wo anders hübscher als bei Euch, u. Dich meine Herzensmutter werde ich nie mehr mit einem Blick betrüben, daß habe ich mir unter Thränen gelobt, ach! Ihr seid so gut, wäre ich doch bei Euch, könnte Dir meinem Väterchen Morgens die Pfeife stopfen anstatt meiner Dame falsche Zöpfe anbinden; die Frau Staatsräthin ist so liederlich mit ihren sehr schönen Sachen, daß M. noch ein Muster von Ordnung dagegen ist, in die Koffer waren die schönsten Atlaßkleider mit Schuhen u. Kragen in einem Knaul hineingestopft, daher sieht sie auch in dem besten Staat wie vom Trödel gelaufen aus; bin ich mit ihr allein, so behandelt sie mit [!] gut u. bittet, doch mit anderen da diene ich ihr.
Als ich am Montag früh nach dem Brihschen Hôtel kam, hatte sie schon auf mich gewartet, ihre Sachen wurden in meine Droschke gepackt u. fort ging es, sie sprach kein Wort. Im Dampfwagen, wir fuhren zweiter Klaße, waren ihre 2 Rußinnen, sehr nette Damen u. eine Dame u. Hr. Rendant Lorenz mit Frau aus Berlin. Als wir eben abfahren wollten, kam mein Droschkenkutscher u. verlangte die Bezahlung u. Vater hatte doch schon, ich sagte ihm, dann sollte er es sich holen. Es war mir sehr unangenehm, alle Leute sahen mich an, u. ich wäre vor mein Leben gern schon da zu Euch zurück gekehrt. Unterweges erfuhren wir das die Berliner auch nach Kißingen reißen, aber nur bis Halle, weil es über Leipzig um wäre, so beschloß denn die Gnädige auch nur bis Halle zu fahren. Hier angekommen hatten wir große Mühe unser Gepäck zu bekommen, weil sie bis Leipzig eingetragen, u. halbtodt vom vielen Rennen u. Hunger setzte ich mich mit in den Personenwagen der uns nach Weißenfels über Merseburg bringen sollte, in einem Dorfe dazwischen, Mittag hatten wir nichts bekommen, tranken wir ungefähr um 5 Uhr Kaffee, u. Abends in W. Abendbrod. Um 9 ½ Uhr angekommen, nahmen wir uns mit den Berlinern einen Hauderer fuhren die Nacht durch (wo eine Art Wolkenbruch uns überraschte[)] nach Naumburg [Danach gestrichen: wo wor Mittag nehmen] über Ekardsberg nach Weimar [Danach gestrichen: wo wir die Nacht blieben. Den anderen Morgen 4 Uhr mit einem anderen Hauderer Ekards]. Erfurt, wo wir sehr schlecht zu Mittag aßen, nach Gotha blieben da zur Nacht, u. reisten den andern Morgen 4 Uhr über Reinhardsbrunn, einer herrlichen Besitzung des Herzogs von Coburg-Gotha nach Dambach, Schmalkalden, wo wir in dem Zimmer indem der Schmalkaldische Bund geschlossen wurde, zu Mittag speisten. In Meiningen übernachteten wir abermals, u. reisten gestern früh 3 Uhr ab, u. kamen hier, Nachmittag 2½ Uhr an, waren also 3½ Tag unterwegs. In einem sehr schönen Hause haben wir ein recht hübsches Zimmer, unsere Reisegefährten, welche es sehr hübsch mit mir machten, u. mich sehr bedauerten wohnen nicht weit von uns, u. haben mir gesagt, wenn ich es eimal nicht aushalten [kann], so soll ich zu ihnen kommen; nun ich sehe diese Reise für eine Prüfung an u. werde alles ertragen, vielleicht wird mir dann der schönste Lohn wenn ich mit meinem Väterchen nach Salzbrunnen reisen kann. Kißingen ist sehr vornehm gebaut, fast lauter neue elegante Häuser, liegt auch sehr hübsch von Bergen umgeben, an der Saale, hat aber einen kalten unbehaglichen Eindruck auf mich gemacht; theurer ist es hier wie in jedem andern Bad, u. meine Dame klagt über jeden Kreutzer den sie ausgeben muß, was für mich sehr peinlich zu hören ist. Salzbrunn ist sehr billig in allem dagegen. Gestern Abend kam Prinz Albrecht hier an. Morgen wird Fr. St. anfangen Brunnen zu trinken, u. ich muß sie nüchtern dahin begleiten, im Verlaufe des Vormittags nimmt sie ein Bad, ob ich dahin mitgehen muß, weiß ich noch nicht. Nun bis jetzt kann ich leider nichts Angenehmes schreiben, vielleicht kommt das Dicke Ende noch, ich wende mich lieber zu früh Ihr lieben Theuren, bei denen meine Gedanken u. mein Herz in jeder Minute mit heißer Liebe weilt, die Angst um Vaters Gesundheit hat mich auch sehr beunruhigt, u. ich habe den lieben Gott immer um Regen seinetwegen gebeten, er war so eng...