E-Book, Deutsch, 586 Seiten, Format (B × H): 137 mm x 206 mm
Fondraz Die Kriegerin des Nordens
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-948346-94-2
Verlag: MAXIMUM Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Kessel der Unbesiegbarkeit | Historischer Roman
E-Book, Deutsch, 586 Seiten, Format (B × H): 137 mm x 206 mm
ISBN: 978-3-948346-94-2
Verlag: MAXIMUM Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Unbesiegbar wirst du sein
Die Kimbrische Halbinsel im ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung: Seit Langem kommen römische Kaufleute nach Jütland und handeln mit den dort ansässigen germanischen Stämmen. Wie in einem Schmelztiegel bevölkern neben den sesshaften Germanenstämmen reisende Händler, Vagabunden und Schausteller unterschiedlicher Herkunft das Land friedlich.
Dies ändert sich, als ein jütländischer Stamm seinen Handelsplatz von römischen Söldnern bewachen lässt. Die junge Kriegerin Erkenhild glaubt, dass auf diese Vorhut ein ganzes Heer aus Rom folgen wird, und will sofort einen Angriff führen. Doch der Heerkönig Thorwaltshunt zögert. Fürchtet er etwa die Römer? Erkenhild beauftragt die junge Diebin Katek, den sagenumwobenen Silberkessel aus einem verfluchten Grab zu stehlen, um ihn als Wunderwaffe gegen die Feinde einzusetzen. Schnell bekommt Katek zu spüren, dass sie nicht die Einzige ist, die den Kessel an sich bringen will …
Der Kessel von Gundestrup und seine Geschichte: vor mehr als zweitausend Jahren in einem Torfmoor zurückgelassen, erst 1891 wiederentdeckt und noch immer voller großer und längst vergessener Geheimnisse.
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Prolog
Germanien, zwischen Elbe und Ostsee
Die Tag- und Nachtgleiche war schon vorüber, die hohen Buchen im Nerthuswald trugen ihr hellgrünes Frühlingskleid. Es roch nach frischer Erde und blühendem Weißdorn.
Mit einem Krug Brunnenwasser in den Händen lief Busla den ausgetretenen Pfad entlang, um auf dem Stein der Nerthus ein Wasseropfer zu bringen. Der heilige Findling lag auf einer Lichtung, seine obere Seite war flach und waagerecht ausgerichtet und wies mehrere runde Mulden auf. In diese wollte die junge Novizin das Wasser gießen und es dort auf dem sonnenwarmen Altar verdunsten lassen.
Sonne und Wasser sorgten für eine reiche Ernte, deshalb wurde im Frühling jeder Sonnentag für ein Wasseropfer am Findling genutzt. Meistens führte Gunberta, die zauberkundige Druidin des Dorfes, das Ritual selbst aus, aber ihre Tochter war krank geworden und brauchte ihre Pflege. Deswegen hatte Gunberta Busla geschickt.
Ein Kuckuck rief, das erste Mal in diesem Jahr. Busla schloss die Augen und konzentrierte sich ganz und gar auf die Geräusche des Waldes. Auf den ersten Kuckucksruf konnte eine Botschaft der Nerthus folgen. Leise rauschte der Wind durch das Laub, Zeisige zwitscherten, der Kuckuck meldete sich noch einmal. Aber das waren alles nur gewöhnliche Laute. Busla konnte keine Botschaft der Nerthus heraushören, außer vielleicht, dass der Frühling gekommen war.
In der Ferne stieß ein Eichelhäher seinen Warnruf aus. Sofort verstummte das Gezwitscher. Buslas nackte Füße tappten auf dem Waldpfad, durch das Säuseln der Blätter drangen entfernte Stimmen.
Tief im Wald riefen Leute. Busla lief langsamer.
Von ihrem Stamm würde niemand an diesem heiligen Ort seine Stimme erheben, es gehörte sich nicht. Aber Fremde gab es kaum in der Gegend. In Mildum, der großen Stadt, kamen zwar viele Händler und ihre Kunden zusammen, doch Mildum lag einen Tagesmarsch entfernt.
Im Nerthushain war Busla noch nie einem Fremden begegnet. Sie blieb stehen. Das waren seltsame Menschen, die nicht merkten, dass sie sich in der Nähe eines Heiligtums aufhielten. Solche Leute konnten gefährlich sein. Es war besser, ins Dorf zurückzulaufen und die Meisterin zu verständigen.
Sie hatte sich schon umgedreht, da fiel ihr ein, dass Gunberta nach Einzelheiten fragen würde. Busla fuhr sich mit der Hand über den Kopf. Sie fühlte ihre Stoppeln, Gunberta hatte ihr die langen Haare bei der Weihe abrasiert. Obwohl Busla noch nicht alt genug war, weil ihre Menarche noch ausstand, hatte sie sie zur Novizin bestimmt. Doch wenn Busla jetzt ins Dorf zurückkehrte, nur mit der Nachricht, Fremde seien im Wald, glaubte Gunberta vielleicht, sich in ihr getäuscht zu haben und dass Busla in Wirklichkeit noch nicht reif genug für die Ausbildung zur Druidin war.
Busla nahm ihren ganzen Mut zusammen. Ihre Meisterin und alle im Dorf sollten sehen, dass sie des Novizenstandes würdig war.
Rasch goss sie das Wasser aus dem Krug an einen Bärlauch, das Gefäß steckte sie in ihren Gürtelsack. Dann schlich sie den Pfad entlang, tiefer in den Wald hinein, auf die fremden Geräusche zu.
Allmählich konnte Busla mehrere Männerstimmen unterscheiden, aber sie verstand die Sprache nicht. Die Stimmen kamen direkt von der Lichtung, vom Nerthusfeld. Nur ein paar Schritte trennten sie noch von den Haselsträuchern, die von den Ahnen um den Kultplatz gepflanzt worden waren.
Von ihrem Standort aus konnte Busla niemanden sehen, aber es stank nach Ruß und schwelendem Holz. Da vorn musste ein Feuer brennen, mitten auf dem Nerthusfeld! Gunberta würde ihre Kühnheit loben, wenn sie Einzelheiten berichten konnte. Mit klopfendem Herzen bog sie ins Unterholz ab. Das leise Rascheln des toten Vorjahreslaubs unter ihren Füßen wurde von dem Lärm überdeckt, den die Männer machten. Sie schlich zwischen den Buchen bis an den Haselsaum heran.
Die hellgrünen Blätter der Haseln waren kaum entfaltet. Busla konnte ein halbes Dutzend Männer erkennen, die auf dem grasbewachsenen Kultplatz um ein Feuer herumstanden. Sie waren bewaffnet und mit metallbesetzten Kitteln und mit Röcken bekleidet. Einer der Fremden trug einen Metallhelm mit einem Federbusch auf dem Kopf.
Die junge Busla hatte noch nie Römer zu Gesicht bekommen, denn nördlich des Rheins gab es nur wenige römische Stützpunkte. Aber sie kannte die „Sandalenträger“ aus Erzählungen: Männer in Röcken und Riemenschuhen, die Helme der Ranghöchsten waren mit Federn geschmückt. Busla streckte den Kopf vor. Rechts vom Feuer befand sich der Altar, zwei Männer waren über den Findling gebeugt. Einer richtete sich gerade auf, ein Messer in der einen Hand, ein Stück Fell in der anderen. Die langen wolligen Zotteln waren blutdurchtränkt.
Auf dem Stein des Lebens war ein Schaf getötet worden! Busla schlug beide Hände vor den Mund und wich zurück. Unter ihrem Gewicht brach ein trockener Ast, es knackte laut.
Die beiden Männer am Altar waren zu weit entfernt, um das Geräusch zu hören, aber zwei Römer am Feuer drehten sich zu Busla um.
Weglaufen hatte keinen Sinn. Bis sie aus dem Gestrüpp heraus wäre, hätten die Römer sie längst umzingelt. Instinktiv machte Busla das einzig Richtige: Sie schloss die Augen und bewegte sich nicht. In ihrem Geist wurde sie unsichtbar. Die Römer sagten etwas in ihrer polternden Sprache, dann brachen sie in ein Gejohle aus.
„Marius und Gaius sehen Geister“, schrie Quintus, ein Dicker mit verbogenem Helm, und schwenkte den Weinschlauch.
Marius, ein junger Mann mit Pickeln auf den Wangen, starrte in den Wald, wo sich hinter den Haselbüschen das Dunkel ausbreitete. „Im Ernst, da hat ein Ast gekracht. Das war nicht bloß ein Kaninchen.“
„Vielleicht war’s ein großer Hasenfuß!“, rief Lucius. Er war Tesserarius und Ranghöchster der Gruppe. „So einer wie du zum Beispiel.“ Mit einer Handbewegung in Quintus’ Richtung verlangte er nach dem Weinschlauch. „Trink einen Schluck, mein Marius, lass dir von Bacchus Verstand einflößen.“
Langsam öffnete Busla die Augen. Die Römer auf der Lichtung grölten und lachten. Keiner schaute in ihre Richtung. Hinter ihr standen trockene Farnwedel vom Vorjahr, die drückte sie vorsichtig zur Seite. Schritt für Schritt entfernte sie sich von der Lichtung. Sie musste Gunberta benachrichtigen, und zwar schnell. Auf Zehenspitzen erreichte sie den Pfad und rannte ohne innezuhalten bis ins Dorf.
Wenig später, die Sonne hatte gerade ihren höchsten Stand erreicht, kehrte Busla zum Nerthushain zurück. Sie hatte Verstärkung mitgebracht: Ihre Meisterin Gunberta war die Schwester der Tilrun von Mildum, einer Großdruidin, die alle sieben Zauberkräfte besaß und zusammen mit dem Heerkönig den Stamm anführte. Mit erhobenem Eibenstab eilte Gunberta zum Nerthusfeld. In der vergangenen Nacht hatte sie kaum geschlafen, weil ihre kleine Tochter am Fleckfieber erkrankt war. Eigentlich hatte Gunberta vorgehabt, den Schlaf am Vormittag nachzuholen. Ihre weißblonden Zöpfe wippten zornig im Takt ihrer Schritte, das weite graue Gewand flatterte um ihre Beine.
Gunberta war eine kluge und erfahrene Frau, doch römische Soldaten hatte sie bisher nur als Begleiter von Händlern gesehen. In ihren Augen glichen sie dummen Kindern, die nicht gefährlich waren, aber Unfug anstellten. Sie musste den Männern eine Lektion erteilen.
Die Erwachsenen in ihrer Begleitung, Bauern aus dem Dorf, waren mit Knüppeln und mit Framen, den germanischen Wurfspießen, bewaffnet. Nicht, dass sie mit einem Kampf rechneten – ihre Druidin war mächtig genug, um es mit ein paar Römern aufzunehmen. Aber sie fanden, etwas zusätzliche Bewaffnung mache Eindruck. Nur Busla war sich nicht so sicher. Fest umklammerte sie ihren Eibenstock.
Sie erreichten den Rand der Lichtung. Der Geruch von verbranntem Fett hing in der Luft. Ein Dutzend römische Soldaten saß auf dem Stamm einer umgestürzten Buche am gegenüberliegenden Rand der Lichtung. Die Männer hatten ihr Mahl fast beendet. Das Feuer schwelte nur noch.
Busla und die Bauern blieben am Rand des Nerthusfelds stehen. Niemand durfte den Ort ohne vorherige Meditation betreten. Sie beobachteten, wie Gunberta mit großen Schritten bis zum Altar lief und die Römer ihr überrascht entgegenschauten. Sogar aus der Entfernung konnte Busla die rotbraunen Flecken auf dem heiligen Stein erkennen.
Gunberta zeigte auf die Fellstückchen und Knochensplitter, die an dem grauen Granit hafteten. „Frevel!“, rief sie und drehte sich zu ihren Leuten um. „Blut klebt auf dem Stein des Lebens.“
Busla und die Bauern murrten laut, damit die Römer hörten, was sie von der Entweihung ihres Altars hielten. Das germanische Murren war ein kehliges Knurren, ein grollender Ton, der auf die Römer befremdlich und barbarisch wirkte. Tesserarius Lucius erhob sich betont langsam. Die Germanen sollten nicht denken, dass er sich von einem solch kindischen Einschüchterungsversuch beeindrucken ließ.
Lucius war noch nicht lange in diesem Teil von Germanien stationiert. Bis vor einem Monat hatte er noch in Ulpia gedient, einer Kolonie am Rhein, im Norden des römischen Reichs. Jetzt stand er einer germanischen Zauberin gegenüber, die er nur an ihrem Eibenstock erkannte und die er nicht einschätzen konnte. Um seine Unsicherheit zu überspielen, versuchte er es mit Dreistigkeit. Er streckte sich, als hätte er gerade ein Nickerchen gehalten. Sein Kettenhemd klirrte, der Helm mit dem breiten Federbusch wippte.
Noch standen Busla und die Bauern außerhalb des Haselbuschkreises, voller Ehrfurcht vor dem heiligen Ort, wie sie es gewohnt waren. Aber hier handelte...