E-Book, Deutsch, 220 Seiten
Reihe: Pulp-Krimis bei Null Papier
Fletcher Der Schatzmeister
Überarbeitete Fassung
ISBN: 978-3-96281-555-4
Verlag: Null Papier Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, 220 Seiten
Reihe: Pulp-Krimis bei Null Papier
ISBN: 978-3-96281-555-4
Verlag: Null Papier Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Brite Joseph Smith Fletcher gilt als einer der meistgelesenen Pulp-Autoren der Krimiszene. In England kommt er gleich nach Agatha Christie und Edgar Wallace. Seine Figuren wissen immer ganz genau, wo es langgeht. Seine Helden sind knallhart, seine Frauen weiblich, seine Action reißerisch. Kurz, schnell, gnadenlos.
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1. Kapitel
Erpressung.
In der Mitte der Hauptstraße von Highmarket stand eine wuchtige, massive Torfahrt, die noch aus dem Mittelalter stammte. Wenn man hindurchging, kam man auf einen quadratischen Hof, zu dessen Seiten sich alte Steinhäuser erhoben. Welcher Bestimmung diese Gebäude früher gedient hatten, war nicht mehr zu erkennen, jetzt wurde hier ein Baugeschäft betrieben. Große Stapel norwegischen Holzes türmten sich an der Mauer; Schieferplatten aus Wales, Marmorstufen aus Aberdeen und Zement von Portland lagerten hier in Mengen. Die Räume der Gebäude waren mit allen möglichen Materialien gefüllt, die zum Hausbau benötigt wurden: Tür- und Fensterbeschläge aus Eisen und Bronze, Zink, Blei, Dachziegel, Röhren und alle Bedarfsartikel, die die moderne Technik dafür geschaffen hatte. Auf einer polierten Messingplatte am Eingang konnte man den Namen der Firma lesen: »Mallalieu & Cotherstone, Baugeschäft.«
An einem Oktobernachmittag standen die beiden Inhaber auf dem Hof. Sie waren eben aus dem Büro gekommen, um die neuen Transportwagen zu besichtigen, die nach den Zeichnungen Mallalieus gebaut worden waren. Er zeigte Cotherstone, der sich mehr mit der Buchhaltung und der Korrespondenz befasste, stolz ihre Vorzüge.
Mallalieu war ein großer, stattlicher Mann zwischen fünfzig und sechzig Jahren. Er sah repräsentativ und würdevoll aus und hielt viel auf gute Kleidung. Seine kleinen Augen blitzten lebhaft und schienen alles zu beobachten. Er hatte den Hut ein wenig in den Nacken geschoben und wies eben auf einige Einzelheiten der Entladevorrichtungen hin.
»Siehst du, Cotherstone, mit einem einzigen Handgriff kann man den ganzen Wagen entladen. Man sollte sich die Idee eigentlich patentieren lassen.«
Cotherstone trat etwas näher. Er war im Gegensatz zu seinem Kompagnon schlank und beweglich. Obwohl er jünger als Mallalieu war, sah er doch älter aus; an den Schläfen war sein dünnes Haar schon ergraut. Mallalieu machte den Eindruck unverwüstlicher Kraft und Gesundheit; in Cotherstones unruhigem Wesen, in seiner Sprache und in seinen Bewegungen verriet sich dagegen eine Nervosität, die fast an Furcht grenzte. Er ging schnell um den einen Wagen herum und betrachtete ihn von allen Seiten.
»Das stimmt«, erwiderte er. »Es ist eine gute Idee, aber wenn sie patentiert werden soll, müssen wir uns sofort darum kümmern, ehe diese Wagen in Betrieb genommen werden.«
»Nun, so gefährlich ist es nicht! In Highmarket versteht niemand etwas davon oder ist so schlau, uns das Geheimnis abzugucken«, meinte Mallalieu in guter Laune. »Vielleicht könnte man die Sache vorläufig als Musterschutz anmelden.«
»Ich will daran denken. Auf jeden Fall lohnt es sich.«
Mallalieu zog seine große, goldene Uhr aus der Tasche und sah auf das juwelenbesetzte Zifferblatt.
»Alle Wetter!« rief er. »Schon vier Uhr! Ich habe eine Sitzung im Rathaus in einer Viertelstunde – aber bevor ich nach Hause gehe, komme ich noch einmal her.«
Er eilte durch das Tor hinaus. Cotherstone betrachtete die Wagen noch einmal eingehend, sah einige Papiere durch, die er in der Hand hielt, und ging dann in das Lager, um die neuangekommenen Sendungen zu prüfen. Er war noch damit beschäftigt, als ein Angestellter zu ihm trat.
»Mr. Kitely ist gekommen, um seine Miete zu bezahlen. Er möchte Sie selbst sprechen.«
»Fünfundzwanzig, sechsundzwanzig, siebenundzwanzig«, zählte Cotherstone, dem diese Unterbrechung sehr ungelegen kam. »Führen Sie ihn in mein Privatbüro. ich komme gleich hinüber.«
Er führte die begonnene Arbeit erst zu Ende, trug den genauen Befund in eine Liste ein und wandte sich dann zu den Büroräumen. Kurze Zeit später begrüßte er in seinem Privatkontor einen älteren Herrn, der vor kurzem an der Stadtgrenze ein Haus von ihm gemietet hatte.
»Guten Tag, Mr. Kitely! Ich freue mich, Sie wieder einmal zu sehen. Leute, die ihre Miete bezahlen, sind immer willkommen. Nehmen Sie bitte Platz. Hoffentlich sind Sie mit der Wohnung dort zufrieden?«
Der Besucher setzte sich, legte die Hände auf seinen altmodischen Spazierstock und sah seinen Hauswirt mit einem merkwürdigen Lächeln an. Nach seiner schlanken, etwas zu hageren Gestalt, dem abgetragenen, schwarzen Anzug und der Krawatte hätte man ihn für einen Geistlichen halten können. Er war glatt rasiert und schon ergraut. Cotherstone wusste nur, dass dieser Mann in der Lage war, seine Mieten und Steuern regelmäßig zu zahlen, und hielt ihn für einen pensionierten Kirchendiener.
»Man sollte doch denken, dass Sie und Mr. Mallalieu kein Geld brauchen«, sagte er ruhig. »Ihr Geschäft scheint ja sehr flott zu gehen.«
»Ach, es ist alles nicht so, wie es aussieht. Wir haben uns allerdings nicht zu beklagen, Mr. Kitely.« Er setzte sich an den Schreibtisch und schrieb eine Quittung aus. »Sie zahlen fünfundzwanzig Pfund im Jahr, das macht 6 Pfund und 5 Schilling pro Quartal. Darf ich Ihnen ein Glas Whisky einschenken?«
Kitely nahm einige Banknoten und Silbergeld heraus, zählte sie auf und nahm die Quittung. Aber er sah Cotherstone immer noch mit dem eigentümlichen lächelnden Ausdruck an.
»Danke, das nehme ich gern an.«
Er beobachtete Cotherstone, der eine geschliffene Whiskyflasche und Gläser aus dem Schranke nahm und von einem Filter in der Ecke frisches Wasser holte, um die Getränke zu mischen. Dann nahm er das Glas mit einem höflichen Nicken und trank Cotherstone zu.
»Wie gefällt es Ihnen denn in Ihrem Haus, Mr. Kitely? Haben Sie etwas auszusetzen?«
»Nein, nicht dass ich wüsste.«
Es lag eine merkwürdige Zurückhaltung in Kitelys Wesen, und Cotherstone schaute ihn etwas verwundert an.
»Und Highmarket gefällt Ihnen auch? Sie wohnen ja nun schon einige Zeit hier und haben sich sicher ganz gut eingelebt.«
»Es ist alles so, wie ich es erwartet hatte«, entgegnete Kitely. »Schön ruhig und friedlich. Und wie geht es Ihnen hier?«
»Wie es mir hier geht?« fragte Cotherstone erstaunt. »Ich bin doch schon seit fünfundzwanzig Jahren hier!« Kitely nahm einen Schluck aus seinem Glase, setzte es dann auf den Tisch und sah Cotherstone durchdringend an.
»Ja, Sie haben recht. Vor fünfundzwanzig Jahren kamen Sie mit Ihrem Teilhaber hierher. Und vor dreißig Jahren machte ich zum ersten Mal Ihre Bekanntschaft. Aber das...