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E-Book, Deutsch, Band 67, 236 Seiten

Reihe: Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter (TANZ)

Flemming Die Textgeschichte des Epheserbriefes

Marcion änderte nichts: Eine grundlegend neue Perspektive auf den Laodicenerbrief

E-Book, Deutsch, Band 67, 236 Seiten

Reihe: Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter (TANZ)

ISBN: 978-3-7720-0152-9
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Marcion änderte - anders als ihm vorgeworfen wurde - nichts am Laodicenerbrief der vorkanonischen 10-Briefe-Sammlung. Vielmehr entstand der neutestamentliche Epheserbrief durch eine redaktionelle Überarbeitung dieses Briefes im 2. Jahrhundert. Dies ist die zentrale Einsicht von Flemmings Studie zur Textgeschichte des Laodicener-/Epheserbriefes. Die Vorwürfe der Kirchenväter gegen Marcion werden zwar schon länger kritisch betrachtet, doch in diesem Buch wird erstmals aufgezeigt, dass der Text des für Marcion bezeugten Laodicenerbriefes als prioritär zum Epheserbrief der 14-Briefe-Sammlung gelten kann. Auf dieser Basis wurde ein neues textgeschichtliches Modell entwickelt, das auch die Frage nach der Adresse des Epheserbriefes ergründet. Insgesamt wird deutlich: Weil Marcion nichts am Laodicenerbrief änderte, ändert sich der Blick auf die Textgeschichte des Epheserbriefes grundlegend.

Tobias Flemming wurde am Institut für Evangelische Theologie der TU Dresden promoviert. Er ist Lehrer für Geschichte, Geographie und Evangelische Religion am Ehrenfried-Walther-von-Tschirnhaus-Gymnasium Dresden.
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2.2 Quellenlage und Forschungsstand zu Marcions Paulusbriefsammlung
2.2.1 Vorwürfe gegen Marcion
Marcion, ein aus dem Pontus an der südlichen Schwarzmeerküste stammender Reeder, trat vermutlich um 140 n. Chr. in die römische Gemeinde ein, wurde jedoch im Jahr 144 wieder aus dieser ausgeschlossen – und erhielt daraufhin die bei seinem Eintritt in die Gemeinde eingebrachten 200.000 Sesterzen zurück. Fortan wurde er in einer Reihe mit anderen Häretikern des 2. Jahrhunderts genannt. Einzigartig – und für die textkritische Forschung besonders interessant – macht ihn die Tatsache, dass Marcion vorgeworfen wurde, eine eigene Textsammlung bestehend aus einem Evangelium und zehn Paulusbriefen erstellt zu haben, wie die nun folgenden Quellen zeigen werden. So schreibt Irenäus in Adversus Haereses an zwei Stellen über Marcions Textsammlung: Adv. Haer. 1,27,2: Genauso [wie im Falle des Lukasevangeliums] schnitt er [Marcion] Teile aus den Briefen des Apostels Paulus heraus und ließ alles weg, was der Apostel eindeutig über den Gott gesagt hat, der die Welt gemacht hat, dass er nämlich der Vater unseres Herrn Jesus Christus ist, und was der Apostel im Rückgriff auf die Prophetenbücher lehrte, die die Ankunft des Herrn ankündigen. […]. Adv. Haer. 3,12,12: Deshalb sind Marcion und seine Anhänger hingegangen und haben die Schriften zerschnitten; einige lehnen sie überhaupt ab, das Lukasevangelium und die Paulusbriefe kürzen sie dagegen, und als authentisch erkennen sie nur das an, was sie selbst verstümmelt haben. Ich werde sie aber mit Gottes Hilfe in einem anderen Buch sogar noch aus den Teilen widerlegen, die sie beibehalten haben. Marcion habe nicht nur aus dem Lukasevangelium, sondern auch aus den Paulusbriefen Aussagen gestrichen – dieser Vorwurf der umfangreichen Textveränderung findet sich erstmals bei Irenäus im zitierten Abschnitt seines Werkes Adversus Haereses (entstanden um 180 n. Chr.). Die von Irenäus angekündigte ausführliche „Abhandlung“ zu Marcions Text wurde von Irenäus jedoch nicht mehr angefertigt. Dieser Aufgabe widmete sich Tertullian, ein in Karthago ansässiger christlicher Schriftsteller, der in seinem Werk Adversus Marcionem (fertiggestellt vermutlich 207 n. Chr.) die häresiologische Tradition des Irenäus fortführt und besonders in Buch 4 und 5 in größerem Umfang auf Marcions Textsammlung eingeht. Später, im 4. Jahrhundert, setzte sich auch Epiphanius mit den Marcioniten auseinander, indem er Passagen aus deren Textsammlung zitierte (zu Epiphanius gleich mehr). Diese beiden Häresiologen, Tertullian und Epiphanius, sind die wichtigsten Quellen für den Text von Marcions Paulusbriefsammlung – und damit für den in dieser Arbeit diskutierten Laodicenerbrief. Diese indirekte Form der Rekonstruktion ist notwendig, weil sich – wie eingangs bereits erwähnt – keine Handschriften von der für Marcion bezeugten 10-Briefe-Sammlung erhalten haben. Als Beispiel für Tertullians Polemik gegen Marcion sollen drei Stellen genannt sein: Tert. Adv. Marc. 1,1,5: Welche pontische Maus ist so gefräßig wie derjenige Mensch, der die Evangelien zernagte? Tert. Adv, Marc. 5,1,9: Der Beweis wird natürlich aus den Briefen des Paulus selbst heraus geführt werden, welche […] in gleicher Weise (wie das Evangelium) entstellt wurden, und dies sogar hinsichtlich ihrer Anzahl. Tert. Adv Marc. 5,4,2 (zu Gal 3,16): Der (tilgende) Schwamm Marcions soll vor Scham erröten! – Abgesehen von der Tatsache freilich, dass ich überflüssigerweise davon berichte, was er tilgte, wo es doch noch mehr bedeuten würde, wenn er aus den Passagen, die er beibehielt, widerlegt wird. In diesen drei Aussagen scheinen bereits die Grundlinien von Tertullians Polemik gegen Marcion durch: Er warf Marcion vor, den Text des Lukasevangeliums und der Paulusbriefsammlung aus theologischen Motiven, nämlich einer Unterscheidung von Schöpfergott mit unbrauchbarem Gesetz einerseits und dem Gott Jesu Christi und seinem Evangelium andererseits, verändert zu haben. Dank Tertullians Vorgehen, Marcion ausgehend von dessen eigenem Text zu widerlegen, sind etliche Textpassagen aus Marcions Evangelium und seiner 10-Briefe-Sammlung überliefert. Dabei spricht sehr vieles dafür, dass Tertullian während seiner Ausarbeitung ein Exemplar der ‚marcionitischen‘ Textsammlung vorlag, dessen Text somit unter Berücksichtigung von Tertullians Zitiergewohnheiten einigermaßen sicher rekonstruiert werden kann. Den Text des Epheserbriefes, der in Marcions Paulusbriefsammlung als Laodicenerbrief geführt ist, kritisiert Tertullian in den Kapiteln 17 und 18 des fünften Buches von Adversus Marcionem. Tertullians Hauptanliegen ist auch hier, die Herkunft Christi vom Schöpfergott zu betonen. Aus Tertullians Zitaten lassen sich für 47 der insgesamt 155 Verse des kanonischen Epheserbriefes Lesarten rekonstruieren. Die zweite wichtige Quelle für den von den Marcioniten verwendeten Text ist Epiphanius, der im Jahr 367 Bischof von Constantia (Salamis) auf Zypern wurde und in den 370er Jahren sein Werk Panarion (‚Medizinkoffer‘ gegen die Häresien) verfasste. Darin stellt Epiphanius verschiedene, aus seiner Sicht häretische Gruppen dar, von denen eine die Marcioniten sind (Panarion Kap. 42). Im betreffenden Kapitel beschreibt er im Anschluss an eine fundamentale Polemik gegen Marcion und die Marcioniten auch deren Textsammlung, wovon zwei charakteristische Beispiele genannt sein sollen: Epiph. Pan. 42,9,1–5: Ich komme nun aber zu seinen [Marcions] Schriften, oder besser gesagt, zu seinen Verfälschungen. Dieser hat nur ein Evangelium, das nach Lukas, welches er jedoch am Anfang verstümmelte wegen der Empfängnis und Inkarnation des Retters. (2)Er, der sich damit selbst mehr schädigte als das Evangelium, hat jedoch nicht nur den Anfang herausgeschnitten, sondern er verschandelte die Worte der Wahrheit auch am Ende und in der Mitte, des Weiteren fügte er anderes Geschriebenes hinzu, er verwendete charakteristisch allein das Evangelium nach Lukas. (3)Er hat außerdem zehn Briefe des heiligen Apostels, allein diese benutzt er; aber nicht alles, was in ihnen geschrieben ist; manche Teile tilgt er, manche Kapitel ändert er. Diese beiden Bücher verwendet er, jedoch hat er auch selbst Abhandlungen für die von ihm in die Irre Geführten zusammengestellt. (4)Die von ihm genannten Briefe sind: zuerst an die Galater, als zweiter an die Korinther, als dritter der zweite Brief an die Korinther, als vierter an die Römer, als fünfter der erste Brief an die Thessalonicher, als sechster der zweite Brief an die Thessalonicher, als siebter an die Epheser, als achter an die Kolosser, als neunter an Philemon, als zehnter an die Philipper; außerdem hat er als Bestandteil den an die Laodicener. (5)Davon ausgehend, was von ihm aus dem Evangelium und den Briefen des Apostels als charakteristisch beibehalten wird, haben wir mit Gott zu zeigen, dass er ein Betrüger und Verirrter ist, der gründlich zu widerlegen ist. Epiph. Pan. 42,11,9: Dies ist Markions verfälschte Zusammenstellung, […] und eine nicht vollständige Version des Apostels Paulus, nicht alle seine Briefe, sondern nur der an die Römer, der an die Epheser, der an die Kolosser, der an die Laodicener, der an die Galater, der erste und zweite an die Korinther, der erste und zweite an die Thessalonicher, der an Philemon und der an die Philipper. Damit stimmt Epiphanius in seiner Einschätzung von Marcions Text mit Irenäus und Tertullian überein. Auch er will Marcion ausgehend von dessen Text widerlegen, dafür zitiert er (selektiv und ungeordnet) 40 Exzerpte aus dessen Paulusbriefsammlung. Drei dieser 40 Exzerpte stammen aus dem Laodicener-/Epheserbrief (Pan. 42,11,7: Eph 2,11–14; 5,14; 5,31) – wobei Epiphanius bei der Benennung dieses Briefes etwas diffus ist, da er diesen teilweise als Epheserbrief bezeichnet, teilweise als Laodicenerbrief (womit er den uns als Epheserbrief bekannten Brief meint, da er in Pan. 42,11,18 Eph 4,5–6 zitiert). Zudem finden sich für den Text von Marcions 10-Briefe-Sammlung einzelne Hinweise im Dialog des Adamantius, außerdem bei Origenes, im Kommentar des Hieronymus zu den Paulusbriefen und in der syrischen Tradition bei Ephraem. In Bezug auf den Text des Laodicenerbriefes finden sich hier jedoch keine Zeugnisse, und zudem ist deren Quellenwert im Allgemeinen als vergleichsweise gering einzuschätzen, da vermutlich davon auszugehen ist, dass der Verfasser des Dialog des Adamantius „keine authentische Kenntnis des marcionitischen Textes...


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