E-Book, Deutsch, 244 Seiten
Flacke Die Nacht des römischen Adlers
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7448-2920-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Saalburg-Roman
E-Book, Deutsch, 244 Seiten
ISBN: 978-3-7448-2920-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Roman über die Zeit der Römer in Germanien, über den Fall des Limes, über Vorurteile, Hass und Vergeltung, aber auch über Liebe und Zuversicht Enya, die junge Germanin schleicht sich als Spionin in das verhasste Römerkastell am Limes, um ihren Falko wiederzufinden. Falko wurde bei einem Überfall, bei dem er neue Münzlieferungen aus dem Fahnenheiligtum erbeuten wollte, von den Römern verschleppt. In der Höhle des Löwen wird Enya Zeugin eines Giftmordes. Wer hat dem Präfekten die mörderische Tinktur in den Wein gemischt? Wer steckt hinter dieser Machtintrige? Ist Falko etwa an dem Komplott beteiligt?
Ursula Flacke studierte (zweiter Bildungsweg) Germanistik, Geschichte und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft. Sie wirkte als Kabarettistin und Schauspielerin in zahlreichen Fernseh- und Theaterprduktionen mit (u.a. Frankfurter- und Berliner Festwochen, Alte Oper Frankfurt, Theater des Westens, Berlin), schreibt Musicals und Drehbücher (u.a. für die Sendung mit der Maus, Schloss Einstein) und hält Schreibwerkstätten ab. Inzwischen verfasste sie 54 Bücher, die teilweise weltweit übersetzt wurden und erhielt zahlreiche Auszeichnungen (u.a. Österreichischer Jugendbuchpreis, Goldener Spatz, Mommy-Award, Deutscher Kulturförderpreis, Renate-Chotjewitz-Häfner-Förderpreis). Homepage: www.ursula-flacke.de
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
IM SCHUTZ DER DUNKELHEIT
Die Nacht war kühl. Wolkenschlieren zogen vor den Mond und ließen nur blasses Licht auf den Grenzwall aus Baumstämmen fallen, die tief in die steinige Erde gerammt worden waren. Fledermäuse jagten wie fliehende Schatten lautlos hin und her. Jetzt wurde ein geflochtenes Hanfseil hochgeworfen, an dessen Ende ein Ast geknotet war. Dumpf schlug er auf der anderen Seite des Limes* auf. Zwei düstere Gestalten in Wolfsfell zogen an dem Seil, bis es sich straff spannte und nicht mehr nachgab. Das Holzstück hatte sich hinter den Pflockspitzen verhakt. Alles lief nach Plan. Geduckt schlichen die Wolfsgestalten zurück und warfen prüfende Blicke zu dem römischen Wachturm hinter der Grenzpalisade. Das weiß getünchte Bauwerk mit seiner umlaufenden Aussichtsplattform lag in tiefer Stille, nichts regte sich. Nur das Rauschen der Blätter in den knorrigen Eichen wurde mit einem Mal stärker, als würde der störrische Nordwind in sie hineinfahren. Irgendwo in der Ferne meckerten ein paar Ziegen. »Und wenn sie euch doch erwischen?«, flüsterte Enya einer der beiden Gestalten zu. »Die Wachsoldaten sind bestimmt vom Met betäubt, den du ihnen zugespielt hast.« Der eine lachte spöttisch. »Von dieser einzigartigen Mischung werden sie bis zum Sonnenaufgang schlafen.« »Falko, wenn dir etwas geschieht …«, sagte Enya leise. »Was sollte mir geschehen?« Falko fuhr sich mit den Fingerspitzen durch das wirre Haar. »Wir sind flink, das Fahnenheiligtum* im Kastell ist nicht weit entfernt. Und der Präfekt Gaius Alexander feiert heute mit einem Gesandten des römischen Kaisers in seinem Speisezimmer …« »Aber die Wachen …« »Er wird sie zum Schutz des Gesandten mitgenommen haben. Und wennschon, ich weiß, wie ich mich wehren kann.« Falko grinste. Er griff nach seinem scharfen Dolch, der in einer Bronzescheide steckte, und streckte ihn angriffslustig hoch. Gehämmerte Verzierungen aus Runenzeichen* blitzten auf. »Aber warum bist du auf einmal so ängstlich? Das ist doch sonst nicht deine Art.« »Ich … ich habe Angst um dich. Das ist alles.« Enya lauschte auf Falkos ruhigen Atem. Er hatte wohl keinerlei Bedenken, allein mit Gunnar in das Römerkastell einzudringen. Sicherlich, er war wie sein Gefährte bärenstark und schlau wie ein Fuchs. Und selbst wenn erstes Morgenrot über die Buchenwälder fallen würde, wüssten sie sich unbemerkt an feindliche Wachposten heranzuschleichen. Außerdem konnten sich zwei Eindringlinge ohne Zweifel besser tarnen als eine ganze Truppe ihres germanischen Stammes. Aber trotz allem blieb der Überfall ein tollkühnes Wagnis. »Denk doch nur an die frisch geprägten Münzen, die in dem Heiligtum aufbewahrt sind.« Falkos Hemd aus Wolfsfell, das er mit einem Ledergurt am Leib festgezurrt hatte, berührte Enyas nackte Unterarme. Ein sanftes Zittern durchfuhr ihren Körper. »Und wenn unser Spitzel aus der römischen Wachmannschaft sich getäuscht hat?«, fragte Enya und strich sich über die fröstelnden Arme. Falkos Augen funkelten im Mondlicht. »Er hat die Münzlieferung aus den Prägeanstalten doch selbst begleitet und erst vor ein paar Tagen im Fahnenheiligtum abgeladen. Ein kleines Vermögen! Der Sold für die römischen Soldaten! Stell dir vor, was wir uns alles davon kaufen können: Kleidung, Nahrung – und vor allem Waffen …« »Aber du bist in Gefahr! Ich könnte es nicht ertragen, dich auch noch zu verlieren.« Enya glaubte zu taumeln, als wieder diese Erinnerungsbilder in ihr aufstiegen. Es waren erst fünf Monde vergangen, dass römische Soldaten ihr Dorf angegriffen hatten. Immer noch glaubte sie die Todesschreie ihrer Eltern zu hören, die bei dem mörderischen Überfall umgekommen waren … Falko legte die Arme um sie, während sie sich an ihn schmiegte, als könnte sie für ein paar Atemzüge Schutz in einer Höhle des Vergessens finden. »Denk an den heiligen Schwur, den wir abgelegt haben«, raunte er ihr zu. »Wir wollen doch die heimtückischen Morde rächen. Wie kannst du das vergessen? Je mehr Münzen wir erbeuten, desto mehr Waffen können wir kaufen!« Enya nickte widerwillig, während Falko sich von ihr löste und geduckt zur Palisade zurückschlich. Den Eid, erbarmungslos Rache an den Römern zu üben, hatten sie geschworen, als die Ermordeten am heiligen Hain ihres Stammes verbrannt worden waren. Auf Holzplanken hatten die regungslosen Körper gelegen. Ihre wächsernen Gesichter waren vom Blut gesäubert, die toten Leiber in kostbare Stoffe gehüllt. Mit Fackeln waren die Feuer entzündet worden. Es hatte geknackt und geknistert, als sich die Flammen durch das aufgetürmte Laub gefressen hatten, immer weiter auf die aufgebahrten Leichname zu. Dann waren dunkle Rauchschwaden in den Himmel gestiegen. Enya und Falko hatten Hand in Hand beieinandergestanden, während sich ihre Lippen im Rhythmus der Worte bewegt hatten, die der heilige Schwur ihnen auftrug. Enya verspürte eine düstere Angst, die wie ein Ungeheuer ihren Rücken hochkroch und ihre Gedanken verwirrte. Aber was war, wenn dieser Schwur sie in noch tiefere Qualen stürzte? Wenn sie auch noch Falko verlor, den sie von ganzem Herzen liebte? Plötzlich glaubte sie, von einer unsichtbaren Hand erbarmungslos niedergedrückt zu werden. Ihr Herz flatterte, es schüttelte sie, als würde sie von einem überirdischen Schauer durchflutet. Von Reue ergriffen fiel sie auf die Knie. »Odin*, Schöpfer der Welten, verzeih mir, dass ich den heiligen Schwur anzweifeln wollte! Dass mir mein eigenes Glück wichtiger war als die Rache für das unermessliche Leid unseres Volkes«, flüsterte sie unter Tränen. »Von nun an soll der Eid mein Handeln und Tun lenken, auch wenn es mein Leben kosten sollte. Die Rache an den Römern soll Gesetz sein, das Gesetz, dem ich mich unterwerfe! Genauso wie es meine Ahnen getan haben, als sie das Joch, das die Besatzer ihnen einst aufgezwungen hatten, schon einmal von sich warfen. Damals, als sie Varus, den römischen Befehlshaber, in einer ruhmreichen Schlacht besiegten …« In diesem Moment fuhr ein kühler Windstoß über Enyas Kopf. Erschrocken schaute sie auf. Waren das etwa die Schwingen von Hugin und Munin*, den Raben des göttlichen Odin, die ihm Botschaften aus der irdischen Welt zutrugen? Zufrieden atmete sie auf. Dann würde der Göttliche also auch von ihrem unwiderruflichen Entschluss erfahren! Der Nordwind fegte inzwischen in immer kräftigeren Böen über das Land. Fröstelnd zog Enya die Schultern hoch und blickte zur Grenzanlage. Die Wachtürme wirkten noch immer wie ausgestorben. Aber was wäre, wenn sie doch entdeckt würden? Wohin könnten sie fliehen? Enya drehte sich besorgt um und ließ ihren Blick über das hügelige, fast kahle Hinterland schweifen. Nur vereinzeltes Gestrüpp war zu sehen, hinter dem sie sich im Notfall verbergen konnten. Die Römer hatten überall tiefe Schneisen in die Wälder geschlagen, Buschwerk und hohe Gräser niedergebrannt, um von ihren Wachtürmen aus feindliche Krieger so früh wie möglich erspähen zu können. Enya und ihre Gefährten waren vom fernen Buchenwald auf allen vieren zu der römischen Grenzanlage gekrochen, versteckt unter Laubzweigen, die sie sich am Leib festgebunden hatten. Und das Mondlicht hatte durch die dünnen Wolkenlaken so sanft geschienen, als hätte Heimdall, der weise Wächter des Himmels, das Land mit einer dünnen Silberschicht bedeckt. In stockdunkler Nacht hätten sie nur mühsam den Weg hierher finden können. Enya lächelte zögerlich, als sie wieder zum Wachturm schaute. Von den römischen Soldaten war immer noch nichts zu sehen. Falko hatte Recht. Sie waren bestimmt von Enyas Honigmet mit den zerstoßenen Mohnsamen in einen so tiefen Schlaf gefallen, dass selbst Gott Thor* sie nicht mit wütendem Krachen hätte aufwecken können. Enya blickte zu Gunnar hinüber. Er stand gebückt und wirkte mit seinem zerzausten Haar wie ein zotteliger Erdgeist. Dann hörte sie leises Knacken von Ästen. Falko und Gunnar streiften sich die Laubzweige vom Körper. Jetzt beobachtete sie, wie ihre Gefährten die leeren Leinensäcke, die zum Abtransport der Münzen gedacht waren, schulterten und sorgfältig verschnürten. Die Säcke durften beim Überklettern der Palisaden nicht hinderlich sein. Auch wenn die beiden Männer den tiefen Graben hinter den Holzpflöcken durchquerten und den meterhohen Wall überwanden, der dahinter aufgeschüttet worden war, sollten sie nicht stören. Enya schnupperte. Süßlicher Blütenduft zog ihr in die Nase. Sie wandte sich um und entdeckte nur ein paar Schritte neben sich die Überreste eines Holunderbeerbusches. Die Triebe waren wohl mit Äxten abgehackt worden, die kahlen Stämme...