E-Book, Deutsch, Englisch, 188 Seiten, Gewicht: 215 g
Reihe: Campus Einführungen
Fitzi Max Weber
1. Auflage 2008
ISBN: 978-3-593-41366-2
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, Englisch, 188 Seiten, Gewicht: 215 g
Reihe: Campus Einführungen
ISBN: 978-3-593-41366-2
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Gregor Fitzi ist Dozent am Institut für Soziologie der Universität Heidelberg und lehrt zurzeit am Dipartimento di Filosofia der Universität Florenz.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Siglen
Einleitung
Leben und Wirkung
Weber als Experte und Politikberater
Qualifikationsarbeiten
Enqueten
Wirtschaftsgeschichte
Die methodologische Begründung
der Soziologie
Objektivität
Wertfreiheit
Wissenschaft als Beruf
Webers soziologische Begriffssystematik
Das soziale Handeln
Die sozialen Ordnungen
Die sozialen Verbände
Die Herrschaftssoziologie
Die Schichtungstypologie
Die protestantische Ethik
Abendländischer Rationalismus
Der Geist des Kapitalismus
Die protestantische Berufskonzeption
Asketischer Protestantismus
Die "Wirtschaftsethik der Weltreligionen"
Die Politik und die Aura des Genies
Weber und die Politik
Politik als Beruf
Die Aura des Genies und die Heidelberger Intellektuellenkreise
Rezeption und Wirkung
Die frühe Rezeption
Weber und die politische Theorie
Webers Bedeutung als Klassiker der Soziologie
Auswahlbibliografie
Glossar
Zeittafel
Nicht nur der Landschaft und des Klimas wegen fahren jedes Jahr Hunderttausende nordeuroäischer Touristen nach Südeuropa, sondern auch weil sie dort das Gefühl des 'süßen Lebens' suchen, das ihnen Erholung vom arbeitsbesessenen Alltag verspricht. So scheint der 'Mittelmeermensch' ein Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Lebensbereichen beibehalten zu haben, das sich im sozialen Verhalten widerspiegelt und auch auf Fremde und Besucher ausstrahlt. Ähnliches soll Weber (1864 -1920) widerfahren sein, als er in der Zeit der Genesung von seiner Nervenerkrankung nach Neapel kam, wo er sich zum ersten Mal in seinem Leben frei vom Arbeitseifer und vom Leistungsdruck fühlte, die sein kulturelles Umfeld prägten (MWL 262). Diese Erfahrung weist jedoch auch eine Kehrseite auf, die jeder kennt, der sich vorgenommen hat, für seinen Urlaub am Mittelmeer ein kleines Haus zu kaufen. Bürokratische Verfahren sind mühsam und langsam, wobei sich oft niemand zu finden scheint, der für eine bestimmte Sachlage wirklich zuständig ist. Es gibt insofern sozial und kulturell bedingte Formen der Lebensgestaltung, die den Umgang mit dem Alltag, die Arbeitsleistung, das Verantwortungsgefühl bestimmen und selbst innerhalb Europas stark voneinander abweichen können. Dabei stellt sich für die Soziologie die Frage, inwieweit sich diese Unterschiede historisch auf die verschiedenen soziokulturellen Hintergründe der betreffenden Länder zurückführen lassen. Dies betrifft auch und vor allem den Umgang mit dem Geld. Wenn für manche Gegenden der Spruch gilt, dass die Menschen 'auf dem Geld sitzen', ohne irgendetwas von ihrem Reichtum preiszugeben, fahren anderswo Menschen ungeniert teure Wagen, die nicht einmal abbezahlt sind, um ihren Wohlstand zur Schau zu stellen. Die Bedeutung dieser und ähnlicher Erscheinungen hängt mit der Art und Weise zusammen, wie das Prestigegefühl der betreffenden Schichten kodifiziert ist, sie ist jedoch ebenso durch deren kulturelle und religiöse Vorprägung bedingt. Wie sich in religiös gemischten Gebieten beobachten lässt, gelten zum Beispiel Vorurteile, die jeweils auf bestimmte konfessionell bedingte Eigenschaften der anderen abzielen. So heißt es über protestantische Bevölkerungsgruppen, sie seien materialistisch und geldgierig, während über Katholiken zu hören ist, dass sie faul und lax seien. Einiges deutet somit auf einen Zusammenhang zwischen der religiösen Zugehörigkeit und bestimmten Aspekten der Lebensführung, die für die Ausprägung der Wirtschafts- und Arbeitsethik der Menschen entscheidend sind. Ähnliche Beobachtungen, die auch Weber geläufig waren, bestätigten empirische Studien, die er am Anfang des 20. Jh. durchführte. Einerseits zeigte eine Untersuchung über die Produktivität der Industriearbeit (vgl. Kap. 1), dass Weberinnen mit pietistischem Hintergrund eine ausgesprochene Arbeitsethik aufwiesen; andererseits ergab eine Studie über die Beziehung von Konfession und Wirtschaftsgesinnung (vgl. Kap. 4), dass unter den Handwerkern die Katholiken überwogen, während die Unternehmer sowie die oberen Schichten der Fabrikarbeiter vorwiegend protestantischer Konfession waren. Des Weiteren schien die neuzeitliche Geschichte Europas die These eines Zusammenhangs zwischen der Reformation und der Entstehung moderner Wirtschaftsformen zu bestätigen, obwohl sie wissenschaftlich noch nicht nachgewiesen war. Es waren nämlich die nordeuropäischen Länder und später die USA, in denen es ursprünglich zu den Produktionsformen gekommen war, die unter dem Namen des modernen Kapitalismus aufgeführt werden. Dieselben Länder zeichneten sich dadurch aus, dass sie den religiösen Wandlungsprozess der Reformation durchlaufen hatten und eine starke Vertretung calvinistisch oder puritanisch geprägter Sekten in ihren Gebieten aufwiesen. Im Unterschied dazu hatten andere Hochkulturen wie der Buddhismus, der Taoismus und der Hinduismus keine vergleichbaren Phänomene gekannt und die kapitalistischen Produktionsformen erst spät und durch den kolonialen Druck Europas übernommen. Dies stellte für Weber zusammen mit der Entstehung moderner Wissenschaft und Technik sowie der bürokratischen Staatsverwaltung die historische Besonderheit des modernen Okzidents dar und warf eine Reihe von Fragen auf, die eine historische Sozialwissenschaft zu beantworten hatte. Kann es Kapitalismus ohne Protestantismus geben? Welche ist die Besonderheit des europäischen Kulturraums, der sie hervorgerufen hat? Wie ist die historische Bedeutung des Kapitalismus und des modernen Zeitalters einzuschätzen? Diese Weber bewegenden Fragen gehörten zu den zentralen Interessen und Streitpunkten der Sozialwissenschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert, seitdem Marx sie im Kapital aufgearbeitet und durch seinen sozialphilosophischen Ansatz beantwortet hatte.