E-Book, Deutsch, Band 188, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
Fischer Lore-Roman 188
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7517-7197-9
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Dr. Judiths erzwungene Ehe
E-Book, Deutsch, Band 188, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
ISBN: 978-3-7517-7197-9
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Stark - ja das muss sie sein, stark, unnahbar und sehr selbstbeherrscht, die junge Chirurgin Dr. Judith Kolbe. Denn sie trägt einen berühmten Namen und damit große Verantwortung: Ihr Onkel, der in Fachkreisen hoch geschätzte Chirurg Professor Kolbe, hat seiner einzigen noch lebenden Verwandten, der er trotz einiger Differenzen Großes zutraut, seine Privatklinik und damit auch den Posten der Chefärztin vererbt. Judith weiß, was sie kann, sie ist eine gute Chirurgin, und doch ist es schwer, sich in der männerdominierten Ärztewelt durchzusetzen - erst recht, wenn man als junge Chefin älteren Kollegen vor die Nase gesetzt wird. Besonders mit dem erfahrenen Oberarzt Dr. Michael Harder, von ihrem Onkel als dessen rechte Hand aufgebaut, gerät Judith immer wieder aneinander - bis ein gemeinsam besuchter Ärztekongress alles auf dramatische Weise ändert ...
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Dr. Judiths erzwungene Ehe Roman um das Schicksal einer jungen Chefärztin Von Ursula Fischer Stark – ja das muss sie sein, stark, unnahbar und sehr selbstbeherrscht, die junge Chirurgin Dr. Judith Kolbe. Denn sie trägt einen berühmten Namen und damit große Verantwortung: Ihr Onkel, der in Fachkreisen hoch geschätzte Chirurg Professor Kolbe, hat seiner einzigen noch lebenden Verwandten, der er trotz einiger Differenzen Großes zutraut, seine Privatklinik und damit auch den Posten der Chefärztin vererbt. Judith weiß, was sie kann, sie ist eine gute Chirurgin, und doch ist es schwer, sich in der männerdominierten Ärztewelt durchzusetzen – erst recht, wenn man als junge Chefin älteren Kollegen vor die Nase gesetzt wird. Besonders mit dem erfahrenen Oberarzt Dr. Michael Harder, von ihrem Onkel als dessen rechte Hand aufgebaut, gerät Judith immer wieder aneinander – bis ein gemeinsam besuchter Ärztekongress alles auf dramatische Weise ändert ... Dr. Michael Harder drückte die Türklinke herunter und betrat das dämmerige, stille Krankenzimmer. Kurz blieb der Arzt lauschend stehen. Mein Gott, ist es schon mit ihm zu Ende gegangen?, fragte er sich betroffen und ging auf Zehenspitzen an das Bett des Patienten. Professor Ludwig Kolbe schlug die Augen auf und verzog die welken Lippen zur Andeutung eines Lächelns. »Sie sind es, Harder«, brachte er mit schwacher Stimme hervor. »Wie geht es Ihnen, Herr Professor?«, fragte Michael. Der Chefarzt und Besitzer der großen Privatklinik zuckte die Schultern. »Ich habe nicht mehr lange zu leben, lieber Freund, wir wollen uns da nichts vormachen. Hat Judith noch nichts von sich hören lassen?« »Nein. Sie muss das Telegramm längst erhalten haben. Wir haben sie gestern früh benachrichtigt.« »Vielleicht denkt sie, es handele sich um blinden Alarm«, meinte der Professor mit feinem Lächeln. »Meine Nichte und ich, wir sind einmal recht hart aneinandergeraten. Sie hat schon immer ihren eigenen Kopf gehabt, und damals, als sie frisch von der Universität kam, glaubte sie natürlich, alles besser zu wissen als ein alter Praktiker wie ich.« »Solch einen unwichtigen Streit wird die Dame längst vergessen haben«, versicherte Michael. »Judith nicht. Sie vergisst nicht so schnell. Und außerdem ...« Ein schwaches Lächeln legte sich über das verwitterte Gesicht des alten Mannes. »Und außerdem bin ich damals wohl sehr grob gewesen.« Michael Harder konnte sich vorstellen, wie es da zugegangen sein musste. Wenn Professor Kolbe in Rage geriet, dann brüllte er, dass die Fensterscheiben im Kitt klirrten. »Judith ... wird mich einmal beerben. Sie ist die Einzige aus unserer Familie, die übrig geblieben ist. Ich mache Sorgen um die Klinik, Harder.« »Aber Ihr Fräulein Nichte ist doch Ärztin«, erinnerte Michael ihn verwundert. »Eben darum ja. Sie wird meine Nachfolgerin werden, und sie ist doch noch so jung. Ich weiß nicht, ob sie euch gegenüber immer den richtigen Ton finden wird. Dabei kann sie sehr nett sein, wirklich, aber das Studium hat sie ein wenig verdorben. Sie ist zu selbstsicher.« »Sie hat eben noch niemals Pech gehabt wie wir anderen alle«, mutmaßte Michael Harder. »Stimmt genau. Ihr scheint bisher alles gelungen zu sein. Das ist sehr gefährlich für einen Menschen. Er überschätzt sich dann maßlos.« Michael nickte. Er hatte schon von dieser Judith Kolbe gehört, kannte sie aber persönlich nicht. Er trug auch kein Verlangen danach, denn Ärztinnen gehörten seiner Meinung nach nicht in die Chirurgie. Sie sollten Kinderärztinnen werden oder praktische Ärztinnen, das mochte noch angehen, aber vom Messer sollten sie die Finger lassen. »Ich habe eine große Bitte«, drang die Stimme des todkranken Mannes an sein Ohr. »Wir arbeiten schon Jahre zusammen, und in der Zeit sind Sie mir ans Herz gewachsen wie ein Sohn.« Michael hatte Mühe, seine Verwunderung nicht zu zeigen. Auch zu ihm hatte Professor Kolbe nämlich stets in dem barschen Ton gesprochen, den er auch allen anderen gegenüber anwandte. »Sie staunen. Aber ich weiß, was ich von Ihnen zu halten habe. Ich hätte Sie gern als Nachfolger gesehen, aber es geht nicht. Judith hat größere Rechte. Und nun meine Bitte: Bleiben Sie hier in meiner Klinik, stehen Sie ihr beratend und helfend zur Seite. Wenn ich weiß, dass mein Haus weiterhin in guten Händen ist, kann ich beruhigt sterben.« »Sie dürfen sich vollkommen auf mich verlassen«, äußerte Dr. Michael Harder knapp. Professor Kolbe lächelte versonnen. »Ich habe gewusst, dass Sie so sprechen würden. Und deshalb ... gestern war der Notar bei mir. Ich habe einen neuen Anstellungsvertrag für Sie aufsetzen lassen. Wenn Sie ihn unterschreiben, dann haben Sie hier als Oberarzt eine unkündbare Stellung auf Lebenszeit. Auch Judith kann Sie dann nicht fortschicken.« Michael war überrascht. Unwillkürlich straffte er seine schlanke, in den Schultern breite und den Hüften schmale Gestalt. »Ich bin überwältigt«, stieß er hervor. Ludwig Kolbe machte eine matte Handbewegung. »Es ist purer Egoismus, wenn ich Ihnen solch einen Vertrag biete. Solange ich lebte, brauchten Sie sowieso nicht um Ihren Posten zu bangen. Ich wusste ja, was ich an Ihnen hatte. Übrigens habe ich in dem Vertrag Ihr Gehalt verdoppelt. Für Judith bleibt dann immer noch genügend übrig.« Eine dunkle Röte schoss in Michaels Gesicht. »Geld spielt im Leben eine nicht ganz unwichtige Rolle«, bemerkte Professor Kolbe. »Hoffentlich verstehen Sie sich mit Judith. Ich habe meine Nichte seit dem Krach damals nicht gesehen. Das ist drei Jahre her. Wenn sie doch nur bald käme. Bevor ich die Augen für immer schließe, möchte ich sie gerne noch einmal sehen.« Das klingt ja fast so, als hätte der Alte Angst vor diesem Frauenzimmer, dachte Michael Harder. Wahrscheinlich ist sie ein Blaustrumpf, hässlich wie die Nacht und unendlich von ihrer eigenen Tüchtigkeit und Unfehlbarkeit überzeugt. »Sie ist hübsch«, warf Ludwig Kolbe ein. »Ich weiß, was Sie eben gedacht haben. Und deshalb ist sie ja auch so gefährlich, die kleine Judith. Sie verdreht den Männern den Kopf. Alle haben ihr den Hof gemacht, und sie nimmt die Huldigungen hin wie eine Königin. Ihr Examen hat sie mit Auszeichnung bestanden. Michael, versprechen Sie mir, ihr gegenüber nicht die Geduld zu verlieren. Versprechen Sie es mir.« Er streckte die Rechte aus, und ohne eine Sekunde zu zögern, umschloss Dr. Harder sie. »Sie können sich auf mich verlassen, Herr Professor. Ich verdanke Ihnen ja so viel.« Das Sprechen schien Professor Kolbe sehr ermüdet zu haben. Die Schatten auf seinem Gesicht hatten sich vertieft, sein Atem ging schwer. »Es ist schön, das am Ende seines Lebens zu hören. Sie waren mein begabtester Schüler, Sie werden es noch weit bringen, Michael. Ich möchte jetzt schlafen. Wenn Judith kommt, führen Sie sie gleich zu mir! Es spielt keine Rolle, falls ich schlafen sollte. Ich werde später noch genügend Zeit zum Schlafen haben.« Mit einer matten Handbewegung schickte er seinen jungen Oberarzt hinaus. *** Schwester Annemaries Herz klopfte heftig wie immer, wenn sie zu Michael Harder hinein musste. Es genügte schon, dass er sie anschaute, um sie verlegen zu machen. »Was gibt's?«, fragte Michael kurz angebunden. »Sie ist da!«, platzte Schwester Annemarie heraus. »Fräulein Dr. Kolbe ist da.« »Ach so.« Schwerfällig stemmte sich Michael hoch. Mit einer fahrigen Bewegung strich er sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Führen Sie die Dame zu mir.« Schwester Annemarie öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne etwas gesagt zu haben. »Haben Sie mich nicht verstanden?«, fragte der Mann etwas unwirsch. »Doch natürlich, nur ... sie hat gesagt, Sie möchten ins Chefzimmer kommen. Dort erwartet sie Sie nämlich.« »Ach so.« Michael zog die Unterlippe zwischen die Zähne und nickte. »Schönen Dank«, warf er ihr hin und ging dann gelassen hinaus. Er klopfte kurz an die weiß lackierte Tür des Chefzimmers und trat ein, ohne noch eine Aufforderung abzuwarten. Die Erbin der Kolbe-Klinik saß im Sessel für Besucher, das rechte Bein über das linke geschlagen, sehr selbstsicher, und schaute ihm kühl entgegen. Michael Harder verneigte sich und nannte seinen Namen. »Sie sind der Oberarzt, nicht wahr?«, fragte Dr. Judith Kolbe geschäftsmäßig. Michael nickte zustimmend. »Wie geht es meinem Onkel? Ich bitte Sie um einen genauen Bericht. Nehmen Sie Platz.« Ihre schlanke Hand wies auf den zweiten Sessel im Zimmer. Michael folgte der Aufforderung, ließ sich dabei aber Zeit. Er brauchte nämlich einen Moment, um mit seiner Überraschung fertigzuwerden. Der hässliche Blaustrumpf...