Fischer / Krohne / Jüttemann | Angst und Furcht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Reihe: Philosophie und Psychologie im Dialog.

Fischer / Krohne / Jüttemann Angst und Furcht

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Reihe: Philosophie und Psychologie im Dialog.

ISBN: 978-3-647-99854-1
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



In der Alltagssprache wird zwischen Angst und Furcht selten unterschieden. In der Philosophie und in der Psychologie aber gibt es eine Reihe unterschiedlicher Differenzierungsversuche, die in diesem Band vorgestellt und diskutiert werden. Im Mittelpunkt stehen der existenzialphilosophische Ansatz Heideggers und neuere, an die Stressforschung anschließende Ansätze der empirischen Psychologie. Außerdem werden angst- und furchtspezifische Erkrankungen – wie Phobien, Panikattacken, generalisierte Angststörung und Depression – thematisiert. Die begrifflichen und methodologischen Schwierigkeiten des interdisziplinären Dialogs werden klar benannt.
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Heinz Walter Krohne Angst, Furcht und Stress Angst, Furcht und Stress gehören zu den fundamentalen Themen menschlicher Existenz. Insbesondere zur Angst haben sich Dichter und Philosophen über die Jahrhunderte geäußert. Hiernach wird das menschliche Leben in zahlreichen seiner Äußerungen als zumindest von Angst begleitet gesehen. Angst soll tief in das Leben eingreifen, den Einzelnen entweder aktivieren und zu besonderen Leistungen anspornen oder ihn hemmen, lähmen, ja zerstören. Nur wer sich ihr stellt und lernt, Angst zu meistern, entwickelt sich weiter; wer einer Auseinandersetzung mit ihr ausweicht, wird gehemmt und stagniert in seiner Entwicklung (u. a. Kierkegaard, 1844/1991; May, 1950). Angesichts der Allgemeinheit und offensichtlichen Bedeutsamkeit dieser Erfahrungen überrascht es umso mehr, dass sich die empirische psychologische Forschung erst in den letzten Jahrzehnten eingehender mit diesem Thema befasst hat. Trotz der Pionierleistungen, die Freud (1895/1971c, 1926/1971a) im Bereich der Psychopathologie, James (1890) in der Emotions- und Cannon (1915) in der Stressforschung erbracht hatten, wird Forschung in diesem Bereich systematisch und in größerem Umfang eigentlich erst, und das ist sicherlich kein Zufall, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs betrieben (u. a. Grinker u. Spiegel, 1945; Hoch u. Zubin, 1950). Zu Recht kann man deshalb das bekannte Ebbinghaus-Zitat paraphrasieren: »Angstforschung hat eine lange Vergangenheit, aber nur eine kurze Geschichte« (Lazarus u. Averill, 1972, S. 245). Gewissermaßen wie zum Ausgleich kann man dafür in diesem Feld eine inzwischen fast unübersehbare Fülle empirischer Untersuchungen registrieren. Dabei findet sich auch hier das für viele Themen der Psychologie typische Auf und Ab hinsichtlich der Beachtung in wissenschaftlichen Veröffentlichungen (zur Geschichte der entsprechenden Forschung vgl. u. a. Bourke, 2006). Nach dem Initialimpuls in der Mitte des 20. Jahrhunderts durch die Neobehavioristen (u. a. Dollard u. Miller, 1950) und die frühen kognitionspsychologisch orientierten Forscher (Epstein, 1967), der in der folgenden Dekade ganz wesentlich von Richard Lazarus betriebenen Etablierung des Gebiets im Rahmen eines umfassenden psychologischen Stressmodells (u. a. Lazarus, 1966) und seiner anschließenden systematischen Ausweitung, Differenzierung und insbesondere psychometrischen Bearbeitung (u. a. Appley u. Trumbull, 1967; Spielberger, 1972) war in den 1990er Jahren ein gewisses Nachlassen der Forschungsbemühungen zu registrieren, wenn auch weniger in der Quantität, so doch in der Originalität der Ansätze. Das Interesse an der allgemeinen Emotionsforschung nahm zwar deutlich zu (Frijda, 1986), das am speziellen Thema Angst aber eher ab. Hier scheint sich in jüngster Zeit nun eine gewisse Wende anzubahnen. Mit dem raschen Fortschritt der biopsychologischen Forschung, dem Aufkommen der Gesundheitspsychologie sowie der Entwicklung neuerer Modelle zur Verarbeitung emotionsbezogener Information ist auch das Interesse an Fragen aus den Bereichen Angst, Furcht und Stress wiedererwacht (u. a. Öhman, 2008). Dem Thema Angst, Furcht und Stress kann man sich von mehreren Seiten nähern. In einer empirisch orientierten Wissenschaft versteht es sich dabei von selbst, dass man hier heutzutage keine langwierigen Erörterungen mehr zu deren »Wesen« oder »Sinn« lesen wird. Die Behandlung derartiger Fragen hat sich als wenig fruchtbar erwiesen. Mir geht es in dieser Arbeit nun aber auch nicht um eine Beschreibung der zahlreichen neueren Forschungsergebnisse zu den Bedingungen und Konsequenzen von Angst, Furcht und Stress sowie deren Relevanz für anwendungsbezogene Fragestellungen. Diese Zielsetzung muss einer umfassenderen Darstellung vorbehalten bleiben (u. a. Barlow, 2002; Davidson, Scherer u. Goldsmith, 2003; Krohne, 2010, 2017). Vielmehr will ich mich auf definitorische, klassifizierende und messmethodische Ansätze konzentrieren, diese nach einheitlichen Gesichtspunkten ordnen und dabei deren Verankerung in theoretische Ansätze aufzeigen. Dabei werde ich besonders auf die persönlichkeitspsychologische Perspektive eingehen, also auf die Bedeutung individueller Differenzen im Angst- und Stressgeschehen. Individuelle Unterschiede können im Hinblick auf ihre Konsequenzen für das Erleben und Verhalten von Menschen jedoch nicht verstanden werden, ohne zugleich deren Wechselwirkung mit spezifischen Umweltgegebenheiten zu betrachten. Die auf individuelle Eigenschaften zentrierte Perspektive muss also um eine interaktionistische Analyse ergänzt werden. Die Gliederung des Artikels folgt diesen Zielsetzungen. Zunächst werden Definitionen und Klassifikationen aus diesem Bereich behandelt. Im Anschluss daran gehe ich ausführlicher auf das Konzept der Stressbewältigung ein, das häufig in entsprechenden Darstellungen vernachlässigt wird, obwohl es für das Verständnis der Entstehung und Auswirkung von Angst, Furcht und Stress unverzichtbar ist. Abschließend ergänze ich diese eher begrifflichen Bestimmungen durch eine Übersicht über Methoden zur empirischen Erfassung (Messung) von Angst, Furcht und Stress. Als Basis für die Diskussion dieser Methoden gehe ich ausführlicher auf den Begriff des theoretischen Konstrukts ein. Definitionen und zentrale Unterscheidungen Angst, Furcht und Stress haben einen unterschiedlichen begrifflichen Status. Während Angst und Furcht auf der Personenseite verankert sind, als Merkmale (Dispositionen oder Zustände), die einzelnen Individuen zugeschrieben werden, ist der Status von Stress weniger eindeutig. Je nach theoretischer Konzeption werden hierunter Merkmal der Umwelt, Zustände am Individuum oder das Resultat einer spezifischen Wechselwirkung (»Transaktion«) von Umwelt und Person verstanden. Deshalb erscheint es mir wichtig, zunächst mit der Behandlung des (eher unklaren) Konzepts Stress zu beginnen und mich erst danach dem (etwas präziser zu bestimmenden) Bereich von Angst und Furcht zuzuwenden. Der Begriff Stress Viele Belastungen des Alltags, etwa Prüfungen oder Operationen, und die emotionsbezogenen Reaktionen des Individuums hierauf (u. a. Angst) werden in der Literatur unter dem Begriff »Stress« zusammengefasst. Dieser Begriff wird allerdings in einzelnen Veröffentlichungen in ausgesprochen vielfältiger, häufig auch unscharfer, Weise verwendet. So führen etwa Scheuch und Schröder (1990) allein 39 unterschiedliche Definitionen von Stress auf. An dieser Stelle soll nur auf die zentralen theoretischen Ansätze zum Stress eingegangen werden. (Für umfassendere Darstellungen siehe u. a. Appley u. Trumbull, 1986; Krohne, 2010, 2017; Laux, 1983; Scheuch u. Schröder, 1990; für eine Kritik des Stressbegriffs vgl. Engel, 1985.) Das Stresskonzept genießt in den Verhaltenswissenschaften wie auch in der allgemeinen öffentlichen Diskussion seit über einem Jahrhundert große Popularität. Es wurde ursprünglich innerhalb der Ingenieurwissenschaften formuliert und bezeichnet dort die Kraft (»stress«), die auf einen Körper einwirkt und bei diesem Beanspruchung (»strain«) und Deformation hervorruft. Der kanadische Internist William Osler (1910) führte das Konzept dann in die Medizin ein, indem er in »stress and strain« mögliche Ursachen von Angina pectoris vermutete. Damit formulierte er innerhalb der modernen Medizin eine der ersten Annahmen zu den Ursachen psychosomatischer Erkrankungen. Das Begriffspaar »stress and strain« offenbart bereits eine Unschärfe, welche die einzelnen Ansätze zum Stress über lange Zeit charakterisiert hat. Während in den Ingenieurwissenschaften der Begriff Stress noch eindeutig umwelt- bzw. reizbezogen verwendet wurde, scheint sich Stress bei Osler sowohl auf spezifische Situationsaspekte (die dann Reaktionen im Individuum auslösen) als auch auf Reaktionen des Organismus (die mit einer Krankheitsgenese verbunden sein können) zu beziehen. Diese Mehrdeutigkeit in der Definition von Stress hat zu zwei Gruppen theoretischer Ansätze in der Stressforschung geführt, umwelt- bzw. reizbezogene Ansätze und reaktionsbezogene Vorstellungen. Umwelt- versus reaktionsbezogene Auffassungen vom Stress Eindeutig umweltbezogen ist der Ansatz, mit dem der Begriff Stress ins Blickfeld der verhaltenswissenschaftlichen Forschung gelangte. Walter Cannon bestimmte in seiner Theorie Stress als eine Anforderung aus der Umwelt eines Organismus, die in diesem eine Notfallreaktion auslöst (Cannon, 1915, 1932). Diese Konzeption entspricht nicht nur der erwähnten ingenieurwissenschaftlichen Bestimmung, nach der Stress ein Druck bzw. eine Belastung aus der Umwelt darstellt, auf die ein Objekt mit Beanspruchung (strain) reagiert, sondern auch der umgangssprachlichen Auffassung, die Stress mit Lärm, Hektik, Zeitdruck, Arbeitsbelastung und ähnlichen unangenehmen Umwelteinflüssen in Verbindung bringt. Zur besseren Unterscheidung von stressbezogenen Zuständen des Individuums werden diese Umweltreize in der neueren Forschung Stressoren genannt. Bereits 1915 hatte Cannon erkannt, dass eine verstärkte Belastung des Organismus mit einer erhöhten Aktivität des Nebennierenmarks verbunden ist. Dieses schüttet die zur Gruppe der Katecholamine gehörenden Hormone Adrenalin und Noradrenalin aus, die auf Atmung, Herzleistung sowie Fett-und Kohlenhydratstoffwechsel einen aktivierenden Effekt ausüben (Notfallfunktion) und somit den Organismus zu verstärkten Kampf- oder Fluchtreaktionen (»fight-or-flight-reactions«) befähigen. Die große Popularität des Stresskonzepts in Wissenschaft und...


Jüttemann, Gerd
Prof. Dr. Gerd Jüttemann ist emeritierter Professor im Fachgebiet Klinische Psychologie/Gesundheitspsychologie (Schwerpunkt Persönlichkeitspsychologie) der Technischen Universität Berlin.

Fischer, Peter
Dr. phil. habil. Peter Fischer ist ab April 2008 Gastprofessor am Humboldt Studienzentrumfür Philosophie und Geisteswissenschaften der Universität Ulm und apl. Professor an der Universität Stuttgart.

Krohne, Heinz Walter
Prof. Dr. rer. nat. Heinz Walter Krohne war Professor für Psychologie an der Universität Mainz. Seine Schwerpunkte sind Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik. Er ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychologie.


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