Finckh / Richter / Sondermann | Augen Blicke | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 244 Seiten

Finckh / Richter / Sondermann Augen Blicke

Gedichte und Geschichten zu Augen Blicken

E-Book, Deutsch, 244 Seiten

ISBN: 978-3-7504-7384-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Geschichten und Gedichte dieses Bandes schildern herausgehobene Momente. Dabei spielt häufig das Sehen, der Augenkontakt oder das konzentrierte Beobachten von Menschen und Dingen eine besondere Rolle. Mal heiter, mal nachdenklich werden die unterschiedlichsten Varianten dieses Themas vorgeführt.

Dr. Ruth Finckh ist Lehrbeauftragte der Universität des Dritten Lebensalters in Göttingen. In den Seminaren der promovierten Germanistin wird nicht nur klassische und moderne Literatur gelesen und interpretiert, in der Schreibwerkstatt probieren sich die Studenten auch aus, schreiben gemeinsam an Romanen und verfassen Anthologien.
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Zwischen den Stühlen Claire Mattie-Seibt und Manfred Kirchner Ein Tandem-Projekt1 Marie Maries Finger schwebte über der Maus. Sollte sie es wirklich tun? Abzuschicken würde so viel bedeuten. Sie würde etwas Schönes und so Wundervolles zerstören und dazu mindestens ein Leben. Aber sie könnte beruflich aufsteigen, heraustreten aus der Tarnung der Bürokauffrau beim Autohaus Müller. Würde mit ihrer Story einen ordentlichen Karrieresprung hinlegen und bald Chefin einer eigenen Abteilung und in ferner Zukunft vielleicht sogar die Chefin der Zeitung sein, für die sie arbeitete. An dieser Geschichte hatte sie Jahre lang gearbeitet, alles war perfekt ausgearbeitet. Jede Ausführung war stimmig und mit der Gehaltserhöhung würde einem ausgiebigen Urlaub auf den Malediven nichts mehr im Wege stehen. Aber da war ER, schlank, groß, immer gut gekleidet, ein Drei-Tage-Bart, hohe Stirn, graugrüne Augen, die etwas längeren Haare lässig nach hinten gekämmt: ein Typ wie Ewan McGregor. Er hielt sie zurück. Marie war in die Recherche hineingeschlittert, ohne zu wissen, worauf sie sich einließ. Ihr Auftrag war es, einen Drogenring auffliegen zu lassen. Es war ihr nicht schwer gefallen, mit gewissen Tricks verschiedenen Menschen wichtige Informationen zu entlocken. In den zwei Jahren, die sie undercover ermittelt hatte, war mehr geschehen und ans Licht gekommen, als sie je für möglich gehalten hatte. Und dazu hatte sie sich verliebt. Würde sie diese Geschichte als Film sehen, hätte sie sich spätestens zum jetzigen Zeitpunkt des Geschehens in ihre Decken eingerollt, die Chipstüte näher zu sich gezogen und der Liebe alle Daumen gedrückt. Aber das hier war kein Film. Das war die Realität, ihre Realität. Sie würde die Liebe ihres Lebens hinter Gitter bringen für sehr lange Zeit. Sie konnte es nicht tun und wollte es auch nicht. Ihr Herz klopfte wild. Ihr Finger über der Maus zitterte. Sie konnte sich nicht entscheiden. Liebe oder Geld? Die Stimmen in ihr stritten sich, Lynette und Vanessa. Stopp. Lynette Ich legte seufzend den Hebel um. Pause. In Maries Welt verging keine Sekunde, doch hier in ihrem Kopf war das nicht der Fall. Durch ihre Augen blickte ich auf den Bildschirm. Dass sie wirklich so weit gegangen war? Der Bericht umfasste Dutzende von Seiten. Ich hatte immer versucht, ihr die Liebe schmackhafter zu machen als Geld, hatte sie in ihrer Liebe bestärkt. Ich hatte gehofft und hoffte immer noch. Sie würde nie wieder jemanden wie IHN treffen, er war perfekt für sie. Aber wie viel war ihr das wert? Vanessa neben mir hatte ganze Arbeit geleistet, aber ihre rationale Argumentation hatte mich nie überzeugt. Wie konnte sie dieses Geschenk, die wundervolle Beziehung zu diesem Mann, einfach so wegwerfen? Vanessa hatte fast ihr Ziel erreicht. Nur noch ein Mausklick trennte sie vom Sieg und dann hatten Geld und Ruhm gewonnen. Natürlich verstand ich das irgendwie. Es war wichtig, über die Runden zu kommen, angenehm, ein abgesichertes Leben zu führen, aber wir könnten das doch auch anders lösen. Grinsend blickte Vanessa mich von der Seite an. "Geld geht über Liebe, Herzchen. Das habe ich dir schon so oft gesagt", gab sie zu bedenken. Ich schüttelte traurig den Kopf. Um Vanessa, aber hauptsächlich um Marie zu zeigen, was er ihr, uns bedeutete, übertrug ich die schönsten Momente mit ihm auf die Innenseite ihrer Augen. Die besten Augenblicke mit ihm, die schönsten Küsse, die leidenschaftlichsten Blicke und die tiefsinnigen Gespräche. Davon gab es so viele. All das durchlebte Marie in dieser einen Sekunde. Ich blickte zu Vanessa hinüber, die verkniffen die Szenen betrachtete, die vor ihr abliefen. “Was wäre denn, wenn sie ihn warnt und sie zusammen durchbrennen?", fragte ich vorsichtig, da mein Gegenstück, die rationale Teufelin in Maries Kopf, Unsicherheit auf ihrem Gesicht durchscheinen ließ. Sie blickte mich an und der Moment war vorbei. “Und dann?”, fragte sie knapp. “Was dann? Werden sie von den Gegenspielern verfolgt, womöglich von ‘Ndrangheta selbst, haben keinen festen Wohnsitz, müssen fliehen-.” “Aber sie haben einander”, warf ich ein. Vanessa hob die dunkelroten Brauen. Als Maries innere Stimmen hatten wir beschlossen wie Engelchen und Teufelchen auszusehen. Marie war von uns abhängig, von Vanessa und mir, ohne es zu wissen. Ich wollte das Beste für sie, auch wenn das Beste eine absolut irrationale Entscheidung war. Ich wusste es selber, Vanessa hatte mir das oft genug klar gemacht. Auch mit Geld ohne Ende und einem tollen Haus würde sie nicht glücklich sein, wenn sie ihre große Liebe dafür verriet. Es war schon mehr als nur schwer gewesen, alles vor ihm geheim zu halten. Ausreden zu erfinden, weshalb er nicht mal schnell ihren Laptop benutzen durfte, warum er sie nicht spontan auf der Arbeit überraschen durfte. Vanessa schnaubte. "Durchbrennen! Hier geht es um Karriere." Am Liebsten wollte ich Marie dazu bringen, alles zu löschen, alles Erarbeitete verschwinden zu lassen und sich einen neuen Job mit IHM zu suchen, doch das konnte ich natürlich nicht. Keiner von uns beiden konnte auf eigene Faust handeln. Wir durften Marie nur vorschlagen, was sie tun sollte. Daraus würde sie dann ihre Entscheidung fällen. Wenn sie sich dann entschieden hatte, musste sich der andere beugen. Vanessa Ich schüttelte den Kopf, Lynette wollte einfach nicht verstehen, wie ernst es war. Marie brauchte das Geld mehr als Geschnulze. Sollte sie zwei Jahre umsonst für diesen wichtigen Auftrag gearbeitet haben? Wie konnte Lynette den Erfolg, der Marie ereilen würde, so leichtfertig wegwerfen? Ja, es war mehr entstanden, als geplant war, aber wieso sollte ER genau der eine sein, die eine große Liebe? Es gab noch genug Männer auf der Welt für Marie und sie konnte sie alle haben. Also, wieso für diesen einen Mann alles aufgeben? “Lynette”, versuchte ich einen neuen Anlauf, sie zu überzeugen, einer von so vielen. “Glaubst du wirklich, dass dieser eine Mann das wert ist? Ja, sie wird ihn verletzen, ja sie wird-.” Ich stockte, das hätte ich nicht sagen sollen. Lynettes Gesichtsausdruck war von bedrückt zu bestürzt gewechselt. “Aber er wird drüber hinwegkommen”, sagte ich schnell. Wenn Lynette wieder eine ihrer emotionalen Krisen bekam, könnte es zu einem Kurzschluss kommen und alles Diskutierte wäre aus Maries Gehirn gelöscht. Eigentlich durften diese Pausen, die wir ihrem Kopf antaten, gar nicht so lange dauern. “Lynette reiß dich zusammen, sie wird einen anderen Mann finden, vielleicht eine andere Frau, und sie wird ihn vergessen.” Dieser Auftrag und diese Mail, die Marie mit Sicherheit gleich abschicken würde, egal was Lynette einwarf, hatten so viel Einfluss auf alles: Karriere, Freundschaften, Ansehen. Es war das Beste. “Sie kann ihn im Gefängnis besuchen”, warf ich schnell ein. Plötzlich änderte sich etwas an unserem Blickfeld. Maries Augen, die als unsere Fenster zur Außenwelt fungierten, verschleierten sich. Ich seufzte. Wenn wir die Zeit wieder für sie anschalteten, würde sie direkt anfangen zu weinen, wenn wir uns nicht auf eine bessere Lösung würden einigen können. “Siehst du, was du angerichtet hast?”, knurrte ich Lynette an. “Schau, wo uns diese ganze Gefühlskacke hingebracht hat.” Ich dachte fieberhaft nach, auch wenn ich als der rationale Teil von Maries Gehirn fungierte, hatte ich Mitleid mit ihr und wollte um keinen Preis, dass sie traurig war. Aber ich verstand es einfach nicht. Job und Erfolg gingen eindeutig über die Liebe zu einem Schwerverbrecher. Aber irgendwie schien es doch das zu sein, was Marie wollte. Ich konnte es nicht verstehen, aber das, was ich verstand, war, dass Marie mit ihm glücklich war und das weiterhin sein wollte. Ich seufzte. Das, was ich jetzt sagte, würde der größte Kompromissvorschlag sein, den ich je vorgebracht hatte. Nachdenklich blickte ich zu der weiß gekleideten neben mir hinüber und spielte mit der roten Kette an meinem Hals. "Wir werden wohl nicht drum herum kommen, aber, Lynette, du solltest dir klar darüber sein, was passiert, wenn sie ihn warnt und dann veröffentlicht. Jeder wird wissen, dass er mit ihr unterwegs ist. Jeder wird wissen, dass sie schuld ist. Sie werden sie jagen!". "Wozu gibt es Polizeischutz?", fragte Lynette leichthin. Ihr Gesicht hatte sich aufgehellt, der Schleier vor Maries Augen lichtete sich. Im Bewusstsein meiner Niederlage sagte ich: “Wir warnen ihn.” Ich war nicht überzeugt davon, ich war absolut nicht überzeugt. Wir sahen uns schweigend an. Lynette lächelte dankbar. Nun hieß es Marie vertrauen. Wir hatten ihr ihre Optionen dargelegt, ihr unsere Gedanken eingepflanzt. Ich wollte das Geld, Lynette wollte die Liebe. Wir beide wollten, dass sie glücklich war. Wie würde sie sich entscheiden? Ich legte den Hebel um. Marie Marie blickte auf den Bildschirm. Sie fühlte sich wie eine Verräterin und ihr wild schlagendes Herz echote in ihrem Ohr. Was sie ihm und sich antun würde, wollte sie nicht, um keinen Preis. Aber ... sie...


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