Feth | Spiegelschatten | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 480 Seiten

Reihe: Die Romy-Thriller

Feth Spiegelschatten


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-641-08044-0
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 2, 480 Seiten

Reihe: Die Romy-Thriller

ISBN: 978-3-641-08044-0
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Er kennt seine Opfer, doch wer kennt ihn?

Ein Mörder geht um im Raum Köln/Bonn. Seine Opfer sind allesamt junge Männer. Als Romy Berner, Volontärin beim KölnJournal, mit der Recherche beauftragt wird, muss sie feststellen, dass alle Toten dem Freundeskreis ihres Zwillingsbruders Björn angehörten – und dass der Mörder ihr näher ist, als sie ahnt …
Feth Spiegelschatten jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1

Schmuddelbuch, Dienstag, 1. März, acht Uhr, noch im Bett

Erreiche Björn nicht. Wahrscheinlich ist er wieder in Berlin, um in seinem hochkomplizierten Liebesleben aufzuräumen. Ich wünschte, ich könnte ihm helfen. Wir haben uns immer gegenseitig unterstützt. Viel zu sehr. Haben die Probleme des andern zu unsern eigenen gemacht. Vielleicht ist das bei Zwillingen normal, ich weiß es nicht. Habe mich nie darum gekümmert.

Greg schickt mich zu einem Vortrag an der Uni. Ein Professor Norman Forsyte spricht über besondere Aspekte der Zwillingsforschung. Passt, oder? Einerseits bin ich gespannt darauf, andrerseits empfinde ich ein merkwürdiges Unbehagen. Als wollte mich dieser Professor dazu bringen, einen Blick in mein Innerstes zu werfen, auf etwas Unberührbares, das ich aus gutem Grund nie angetastet habe.

In der Nacht waren die Temperaturen wieder unter den Gefrierpunkt gesunken. Die letzten Februartage waren sonnig und beinah schon frühlingshaft gewesen. In den Kölner Straßencafés hatte Hochbetrieb geherrscht. Die Leute hatten sich die Sonnenbrillen auf die Nase gesetzt und waren Hand in Hand durch die Stadt geschlendert.

Licht und Schatten, Vogelgezwitscher und ein lauer Wind. Das alles war wie ein Versprechen gewesen.

Nun lag erneut Reif auf den Dächern, und es war so kalt, dass Romy am liebsten wieder unter die Bettdecke gekrochen wäre. Sie legte ihre Kladde beiseite, lief ins Bad, streifte T-Shirt und Slip ab, stellte sich unter die Dusche und drehte das Wasser so heiß, wie sie es eben noch aushalten konnte.

Sie liebte den Winter, aber allmählich hatte sie das Bedürfnis nach Sonne und Wärme. Sie sehnte sich danach, endlich mal wieder mit ihrem Laptop draußen zu sitzen, statt immerzu in geschlossenen Räumen zu arbeiten.

Während ihr unter dem heißen Wasser allmählich wärmer wurde, überlegte sie, was sie anziehen sollte. Sie würde ein Gespräch mit dem Professor führen und hatte mit Norman Forsytes Sekretärin einen Termin verabredet. Zwölf Uhr. Direkt nach seinem Vortrag.

Ihr war nach Jeans, dickem Pulli und ihren gefütterten Stiefeln. Nach ihrer wattierten Jacke und dem schwarzen Filzhut, der eigentlich eher eine Mütze war. Also würde sie genau das anziehen. Sie ließ sich Wasser in den Mund laufen und spuckte es in hohem Bogen wieder aus.

In ihrem Bauch grummelte es. Vor Hunger. Und vor Aufregung. Ein Interview hatte sie noch nie gemacht und sie hatte mächtig Bammel davor. Doch Greg ließ sich von ihrem Lampenfieber nicht beeindrucken. Er hatte ihr die Chance zu diesem Volontariat gegeben und verlangte, dass sie sie nutzte.

»Schwimmen lernst du nur, wenn du ins Wasser springst. Und Schreiben lernst du nur durch Schreiben.«

Seine Worte. O-Ton.

Eine halbe Stunde später saß Romy mit noch feuchten Haaren an ihrem kleinen Esstisch in der Küche, knabberte zwei Scheiben Toast mit Honig und ging noch einmal durch, was sie sich überlegt hatte. Aus ihren Recherchen im Internet ergaben sich immer mehr Fragen.

Wie sind Sie dazu gekommen, sich mit der Zwillingsforschung zu beschäftigen?

Sind Sie selbst ein Zwilling?

Stimmt es, dass Zwillinge bereits im Mutterleib ihre sozialen Rollen erlernen?

Gibt es wirklich Fälle von Kannibalismus bei ungeborenen Zwillingen?

»Stell dir vor, was deine Leser interessiert«, hatte Greg ihr beigebracht. »Frag dich, was dich selbst beschäftigt. Geh bloß nicht akademisch an die Dinge heran.«

Gregory Chaucer, Verleger und Chefredakteur des links-alternativen, zweiwöchentlich erscheinenden KölnJournals, war ein guter Lehrer. Sie hätte sich keinen besseren wünschen können.

Als sie ihre Dachgeschosswohnung verließ, ihre Fragen im Gepäck, ihren Laptop in der Umhängetasche, die Mütze tief ins Gesicht gezogen, um sich gegen die Kälte und den schneidenden Wind draußen zu wappnen, wünschte sie sich für einen kurzen Moment Björn an ihre Seite. Gemeinsam waren sie unschlagbar. Immer schon gewesen.

Trotzig drückte sie den Rücken durch. Norman Forsyte mochte ein weltweit anerkannter Professor und Zwillingsforscher sein, aber er würde ihr bestimmt nicht den Kopf abreißen, wenn sie sich hier und da ungeschickt anstellte.

Da die meisten Hausbewohner bereits unterwegs waren, gelangte Romy ohne Probleme an ihr Fahrrad. Sie hatte es, entgegen den Hausvorschriften, unten im Hausflur abgestellt, wie alle andern auch. Streng genommen gehörte es ihrem Freund Calypso, doch er hatte es ihr überlassen, nachdem ihr eigenes vor einigen Monaten geklaut worden war. Übergangsweise, hatten sie damals vereinbart, allerdings ging das Fahrrad mittlerweile ganz allmählich und unauffällig in Romys Besitz über.

Wenn nicht gerade Schnee lag, zog sie es vor, mit dem Rad zu fahren. In der Kölner Innenstadt war das Parken eine Katastrophe. Die Parkhäuser waren sündhaft teuer, und um irgendwo einen kostenfreien Parkplatz zu ergattern, brauchte man Zeit. Und Nerven aus Stahl.

Die meisten Bäume waren noch kahl, die Haselnusssträucher jedoch waren schon übersät mit langen gelben Blüten, die wie Raupen an den Zweigen hingen. Schneeglöckchen strahlten in der Sonne. Die Köpfe der Krokusse waren in der Kälte noch geschlossen. Sie würden sich, wenn überhaupt, erst in ein paar Stunden öffnen.

Romy hatte sich den Schal über die Nase gezogen, obwohl sie es hasste, wenn die Wolle von ihrem Atem feucht wurde und nach Schaf zu riechen begann. Ihr kamen Zweifel. Vielleicht hätte sie besser die U-Bahn nehmen sollen, um in einem halbwegs präsentablen Zustand bei dem Vortrag anzukommen.

Er fand im Kinosaal des Museum Ludwig statt, und weil Romy früh genug da war, hatte sie noch Zeit, im Restaurant einen Cappuccino zu trinken. Während sie den Blick über die Menschen an den übrigen Tischen schweifen ließ und sich bei der behaglichen Geräuschkulisse allmählich entspannte, versuchte sie ein weiteres Mal vergeblich, ihren Bruder zu erreichen.

Björn hatte sein Handy nicht ausgeschaltet, nahm das Gespräch jedoch auch nicht an. Romys Gefühle schwankten zwischen Enttäuschung, Ärger und Sorge. Es war nicht Björns Art, ihre Anrufe zu ignorieren. Es passte auch nicht zu ihm, sich tagelang nicht zu melden. Aber sie konnte nicht weiter darüber nachgrübeln. Die Ersten erhoben sich bereits, um sich in den Kinosaal zu begeben.

Auch Romy zahlte und stand auf. In ihrem Nacken spürte sie etwas Fremdes. Als würde jemand sie beobachten. Oder als würde eine drohende Gefahr ihren Schatten auf sie werfen. Sie schlang sich den Schal um den Hals und machte sich auf den Weg.

*

Fühle mich stark. Göttlich. Unbesiegbar. Blicke in den Spiegel.Sehe mir selbst in die Augen.

Erkenne mich.

Das kann morgen schon wieder anders sein. Und weil ich das weiß, genieße ich die Momente, in denen ich ganz bin. Unversehrt.

Ich will sie nicht, die Zweifel. Die Ängste. Aber sie fragen nicht, ob ich für sie bereit bin. Überfallen mich hinterrücks, wenn ich am wenigsten damit rechne. Ich sitze in einem Café, die Tür geht auf, und jemand kommt herein. Beispielsweise. Schwarz hebt sich seine Silhouette von dem Gegenlicht ab.

Er betritt den Raum und ich erschrecke. Bin unfähig, Luft zu holen. Sitze auf meinem Stuhl wie gelähmt. Kann nicht mal einen Finger krümmen. In meinem Kopf ist es ganz still, während die Geräusche in meiner Umgebung sich nicht verändern. Ich habe bloß nichts mehr mit ihnen zu tun.

Die andern und ich. Für ein paar Sekunden sind das getrennte Welten.

In meinem erstarrten Körper gefangen, warte ich, bis ich mich wieder regen kann.

Die Gestalt geht an meinem Tisch vorbei. Die Stimmen der übrigen Gäste gelangen wieder in mein Bewusstsein. Die beiden Welten schieben sich wieder übereinander. Ich bin wieder ganz.

Wie jetzt. Vorm Spiegel, in dem ich mein Gesicht bewundere und den entschlossenen Blick meiner Augen.

Warum kann es nicht immer so sein?

*

Er konnte seine Brille nicht finden. War blind wie ein Maulwurf und fand seine Brille nicht!

Dabei legte er sie nur an ganz bestimmten Stellen ab. Auf der Kommode im Flur, auf dem kleinen Badezimmerregal oder auf dem Nachttisch neben seinem Bett.

Nirgendwo sonst. Niemals.

Doch an all diesen Stellen hatte er bereits nachgesehen.

Die Brille war nicht da.

Er war so kurzsichtig, dass er nicht viel mehr als Licht und Schatten und den unscharfen Umriss von Gegenständen und Personen erkennen konnte, selbst wenn sie sich nur einen Meter von ihm entfernt befanden. Die kleine Zweizimmerwohnung, die er sich leistete, seit er die Assistentenstelle bei Professor Meinhardt an der Uni Bonn bekommen hatte, bestand für ihn lediglich aus einem sanften Gemisch warmer Farbtöne.

Wie auf einem abstrakten Gemälde.

Die Sonne leuchtete die Zimmer aus, brachte einen Goldton in das Bild hinein. Und Wärme. Fast war es ihm schon zu viel. Er fing an zu schwitzen.

Dankbar registrierte er den kühlen Luftzug, der ihn streifte. Der war schon wieder verschwunden, als er sich fragte, was ihn verursacht haben mochte. Sämtliche Fenster waren doch geschlossen.

Kopfschüttelnd tastete er sich zum Schreibtisch vor. Ein einziger achtlos abgestellter Gegenstand konnte ihn straucheln lassen. Aus diesem Grund war ihm immer sehr bewusst,...


Feth, Monika
Monika Feth wurde 1951 in Hagen geboren, arbeitete nach ihrem literaturwissenschaftlichen Studium zunächst als Journalistin und begann dann, Bücher zu verfassen. Heute lebt sie in der Nähe von Köln, wo sie vielfach ausgezeichnete Bücher für Leser aller Altersgruppen schreibt. Der sensationelle Erfolg der »Erdbeerpflücker«-Thriller machte sie weit über die Grenzen des Jugendbuchs hinaus bekannt. Ihre Bücher wurden in mehr als 24 Sprachen übersetzt.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.