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E-Book

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Ferrara Der Sprung

Eine Reise zu den Anfängen des Denkens in der Steinzeit
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-406-79783-5
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Reise zu den Anfängen des Denkens in der Steinzeit

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-406-79783-5
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Von den farbigen Handabdrücken in der Höhle von Pech Merle bis zu den lebensgroßen Felsgravuren zweier Giraffen in der Sahara; von den riesigen Petroglyphen auf Hawaii über die Tierdarstellungen in Göbekli Tepe bis zu den rätselhaften Zeichen in den Höhlen von Salento – Silvia Ferrara verbindet Archäologie, Anthropologie und Neurowissenschaft, um uns die frühesten Phasen der Entstehung unseres Vorstellungsvermögens und des menschlichen Denkens zu vergegenwärtigen.

Die Geschichte der Menschheit hat sich nicht stetig, mit schöner Regelmäßigkeit, sondern in unvorhersehbaren Sprüngen entwickelt. Wir begegnen Zeichnungen von Männern und Frauen und von ausgestorbenen Tieren, abstrakten Figuren scheinbar ohne Bedeutung, dem Gefühl eines gemeinsamen Raums. Wie und warum sind sie entstanden? Wie entsteht ein Symbol, ein Piktogramm, ein Zeichen? Wer schafft sie? Und an wen wenden sie sich? Silvia Ferraras neues Buch ist eine Reise auf der Suche nach den entlegenen und geheimnisvollen Orten, an denen die Menschen begannen, sich von der Dominanz der Realität zu lösen. Sie erfanden Figuren, Symbole, Worte: etwas völlig Neues, Mächtiges, die Zeiten Überdauerndes.

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FÜNFZIGTAUSEND JAHRE
I hear the ancient footsteps like
themotion of the sea Sometimes I turn, there’s someone there,at times it’s only me I’m hanging in the balance of a perfect finished plan Like every sparrow falling,
like every grain of sand. Bob Dylan, Every Grain of Sand Litotes
Zur Einführung in das Buch, das Sie in der Hand halten, greife ich am besten auf die Litotes zurück. Diese rhetorische Figur besteht in der Verneinung des Gegenteils dessen, was gesagt werden soll, fungiert hier also als Disclaimer, als Verzichterklärung bzw. Haftungsausschluss. Er besagt, was dieses Buch nicht sein will. Grenzen wir also so ex negativo unseren Gegenstand ein. Dies ist weder ein Buch über Wissenschaft oder Kunst noch eines über Semiotik. Es handelt weder von den großen Entdeckungen der Archäologie noch von den kleinen, die Forschern in Nischengebieten gelangen, obwohl viele der hier erzählten Geschichten den meisten wohl neu sein werden. Es ist kein Geschichtsbuch, auch keines über Ästhetik, Anthropologie oder Philosophie, auch wenn es von der Vergangenheit und der Menschheit, von Schönheit, Glanz und Grenzen handelt. Letztendlich spielt der Titel nicht auf die großen Sprünge der Spezies, sondern auf bodenständige, irdische und allesamt höchst menschliche Schritte der Weiterentwicklung an. Auf den nachfolgenden Seiten finden Sie Ausflüge, Reiserouten und ab und zu ein von oben oder unten betrachtetes Panorama. Diesen Weg gehen wir gemeinsam, um – häufig mit Überraschung – in der Rückschau die kreative Freude von Menschen zu entdecken, die erst beobachteten und dann durch Imagination, Interpretation und Filterung völlig Neues erschufen: Als Manipulatoren der Natur kneteten sie Rohmaterial, ersannen unerwartete Handlungsgeflechte, erkundeten das dunkle Labyrinth des Möglichen und woben eine fiktionale Welt zusammen. Dieses Buch erzählt die Geschichte der Sprünge hin zum abstrakten Denken, zum Entwerfen von Dingen, die es nicht gibt, der Sprünge vom Zufälligen zur gewollten Erfahrung, zur Idee und zur Idee von der Idee. Italo Calvino nennt dies die spezielle Kraft, den Knotenpunkt in einem Netzwerk aus unsichtbaren Beziehungen, die immer dann zum Vorschein kommen, wenn etwas nie Dagewesenes auftaucht. Zeichnungen, Umrisse, Projektionen, Zahlen und – vor allem – die Zeichen, die vor den ersten Buchstaben entstanden. Die Figuren, Tempel und ersten Pyramiden (nicht in Ägypten) sowie die Gruppe als Konzept. Die Ausgangspunkte des übertragenen Sinns, des Imaginierten, der Versuche, die Welt zu deuten, um ihr Sinn abzuringen und eine Ordnung aufzuzwingen. Der Sprung, die Sprünge hin zur Entdeckung der ersten Symbole, zu deren Darstellung, um sie festzuhalten, weiterzureichen und zu verewigen. Vielleicht ist im Grunde alles Symbol. Aber es gibt Dinge, die der Mensch erschaffen hat, einzig und allein durch seine Vorstellungskraft, die ihn wie auf einer Woge vorantrug. Dinge, die ihn dazu inspirierten, ihnen eine veränderte Bedeutung zu geben, wodurch zufällig oder beabsichtigt völlig Neues, Kraftvolles und Ewiges entstand. Auf diesen Seiten durchkämmen wir dieses mächtige und ewige Neue, bewegen uns zurück durch die Zeit, durch die Schluchten einer Vergangenheit, die uns als Menschen mit der wichtigsten Rolle bedacht hat, zumindest in diesem Sinn: die der Transformatoren und Schöpfer, der Zeichenschmiede, der Handwerker an der Imagination, der Steinmetze an der Natur und schließlich der Interpreten auf einer Bühne, auf der die Natur die Regie geführt und uns die Worte souffliert hat. Und wir haben durch Improvisation und Adaptation ihres Drehbuchs das bedeutendste Werk aller Zeiten geschaffen, bestehend rein aus Symbolen. Wir haben mit einer Beschreibung ex negativo begonnen und von dem geredet, was dieses Buch nicht ist. Jetzt ist es an der Zeit, uns dem zuzuwenden, wovon es handelt: von etwas Greifbarem, Dauerhaftem und fast Unzerstörbarem. Es ist Zeit, uns in die Gefilde von vor fünfzigtausend Jahren zu begeben, den flüchtigen Spuren einer Welt zu folgen, die uns mit ihren ersten, immer wiederkehrenden und rätselhaften Zeichen heute als kaum noch dechiffrierbar erscheint. Dabei befassen wir uns mit den Fragen, die sich auf dieser Bühne stellen: Wie und warum entstanden sie? Wie kommt ein Symbol, ein Abbild, ein Zeichen zustande? Wer erschuf es? Und wer versteht es? Wie wird seine Botschaft vermittelt? Was sollte gesagt werden? Angesichts dieser Tausende von Jahren, der Generationen, die wie fließende Sandkörnchen aufeinanderfolgen, versuchen wir in diesem Buch, Antworten zu geben und den Sinn der Reise zu erklären: zu Zeichnungen von Männern, Frauen und ausgestorbenen Tieren, abstrakten Figuren ohne Deutung, antike und lebendige Spuren unserer Passage durch die Zeiten. Unzivilisierte
Zeitliche und räumliche Angaben sind die Punkte und Linien, die einer Darstellung ihre erforderliche Struktur geben. Wir nutzen sie als ganz ungefähre Koordinaten, ziehen auf unserer Reise also gleichsam ohne Karten und ohne Uhr durchs Gebiet. Uns dienen sie nur dazu, große Veränderungen, radikale Neuerungen, irreguläre und unwiederholbare Wendepunkte zu markieren. Aber dabei folgen wir keinen kontinuierlichen Linien und präzisen Geografien. Wir halten uns nicht an die geradlinige Straße der glanzvollen und fortschreitenden Gegebenheiten und auch nicht an die Modelle, die sich aus unserer Vorstellung von Zivilisiertheit ergeben: Ordnung, Organisation, eine Gesellschaftspyramide, Herrschaft, eine regulierte Produktion. Landwirtschaft. Nein. Zur Erklärung des Schöpferischen hilft nicht die traditionelle schematische Vorstellung von Zivilisation, sondern vielmehr das Konzept der Gemeinschaft, der Kommunikation, des «gemeinsamen Fühlens» und Teilens. Gestikulieren, Laute äußern, bezeichnen, zeichnen, mit Händen bearbeiten. Das ist Zivilisation. Nicht der «Staat», der als Gipfelpunkt perfekter Organisation gilt, obwohl er in Wahrheit ein gestaltloses, zerbrechliches und flüchtiges, anfälliges und selbstbezogenes Gebilde ist. Drehen wir die Sanduhr um: Begeben wir uns kurzzeitig an die Anfänge zurück. Auf unserem Weg streifen wir das Paläolithikum, schreiten einige Meilensteine des Neolithikums ab, stoßen hier und da bis zur Bronzezeit und zuweilen noch weiter vor. Als Leitfaden nehmen wir uns einen Rundgang vor, der über den ganzen Globus und durch die Erscheinungsformen der Zeichen und Symbole führt. Wir suchen nach den ältesten von ihnen und ihren Schöpfern, um nachzuvollziehen, wie sich die Vorstellungskraft in etwas Greifbares und Konkretes verwandeln konnte. Aber das Paläolithikum ist eine Welt, von der wir nur ansatzweise Kenntnis haben. Knapp drei Millionen Jahre, niedergeschlagen auf grob behauenen und geritzten Steinen, geprägt von einer langsamen und schrittweisen Entwicklung, die bis zum Ende des Pleistozäns vor rund zwölftausend Jahren zurückreicht. Eine Zeit, so unendlich lange, dass es sich aus Verantwortungsbewusstsein verbietet, sie sich in Gänze auf die Schultern zu laden. Wir erzählen Geschichte auf unsere Art, wobei wir zwischen den zurückliegenden Jahrtausenden hin- und herspringen, zwischen den Uranfängen der Zeichen, dem Sinn für Gemeinschaft, bestimmten Emblemen und Vorstellungen von Identität. Wir halten keine schematische Zeittafel bereit, denn wir sind nicht in der Schule. Wir peilen die Epochen über den Daumen, nehmen uns große Freiheiten heraus, weil es keine Leitchronologie gibt. Und nicht nur das. Die Eckpunkte unserer Geschichte sind häufig nicht einmal die Orte, die Sie erwarten würden. Wir verlassen die mit dem Lineal gezogenen Linien, zerpflücken die Geografie der Staaten und starten bei der Unordnung. Südafrika, Indonesien, Iran, Türkei, Ägypten, Libyen, Jordanien, Italien, Frankreich, Spanien, Australien, Irak, Hawaii, Inseln, Wüsten, Ozeane, Nationen und Regionen. In diesem Buch sind diese Namen nur willkürlich entstandene moderne Bezeichnungen für Gegebenheiten, die sich im früheren Verlauf der Menschheitsgeschichte völlig anders darstellten, als sie die heutigen Landkarten zeigen. Unser Ziel liegt so weit in der Vergangenheit zurück, dass Grenzen nicht durch Hoheitsgebiete festgelegt, sondern allein von Bergen, Flüssen und Meeren gezogen wurden. Wir erkunden ein grenzenloses Pangaea, auf dem wir auf einige universelle, allen Völkern und Kulturen gemeine Zutaten stoßen. Daran werden sich manche stören, denn auch in der fernen Vergangenheit...


Silvia Ferrara ist Professorin für Ägäische Kulturen an der Universität Bologna und Projektleiterin des vom Europäischen Forschungsrat finanzierten Projekts INSCRIBE (‹Invention of Scripts and their Beginnings›, 2018–2023), das die Erfindung und die frühen Phasen der Schrift untersucht. Bei C.H.Beck ist von ihr lieferbar: "Die große Erfindung. Eine Geschichte der Welt in neun geheimnisvollen Schriften" (2021).



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